Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme. Jodocus Temme. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jodocus Temme
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027238149
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umher blieb alles still.

      »Ja, es war ein Traum!« sagte sich Mahlberg.

      Er kleidete sich doch nicht aus; er blieb auf dem Rande seines Bettes sitzen.

      Die Turmuhr schlug ein Viertel.

      Im Gange schien sich etwas zu bewegen.

      »Schulz!« sagte sich Mahlberg. »Er hat uns also in der Tat belauschen wollen. Die Zeit ist ihm zu lang geworden; er geht.«

      Aber das Geräusch draußen entfernte sich nicht. Es kam näher, wenn auch leise genug. Und auf einmal war es an Mahlbergs Tür, leise wie bisher, und im Moment darauf war die Tür geöffnet.

      Es stand jemand in ihr, ohne Licht, in tiefster Dunkelheit.

      Wer konnte es sein?

      Auch Mahlberg fragte es sich mit klopfendem Herzen.

      »Herr Hauptmann, kommen Sie!«

      Beermanns Stimme flüsterte es.

      »Sie doch, Beermann?«

      »Sprechen Sie kein Wort! Kommen Sie!«

      Mahlberg trat aus der Zelle.

      Der Gefangenenwärter verschloss die Tür.

      »Bleiben Sie hier stehen!« sagte er zu Mahlberg.

      Er ging zu der Tür nebenan, schloss auch sie auf.

      Horst stand schon darin, trat hervor.

      »Wir waren also nicht verraten?«

      »Still! Ich hoffe nicht!«

      Die Tür ward ebenfalls wieder verschlossen.

      »Folgen Sie mir! Halten Sie sich immer ganz dicht hinter mir. Gehen Sie nebeneinander. Sprechen Sie kein Wort, auch nicht noch so leise. Das geringste Geräusch könnte uns verraten.«

      Er ging voran, mit fast unhörbarem Schritt.

      Sie folgten ihm ebenso leise.

      Sie mussten die ganze Länge des Ganges hinuntergehen, an dem die Zellen lagen. Es war völlig dunkel in dem Gange. Sie kamen an eine verschlossene Tür.

      Der Gefangenenwärter horchte eine Weile daran. Als alles still blieb, schloss er sie auf.

      Sie traten hindurch. Er verschloss sie wieder.

      Sie waren an einer Treppe; sie stiegen sie hinunter.

      Sie befanden sich in einem weiten Treppenflur. Es war auch hier überall dunkel.

      Das Ersparungssystem stand damals in Preußen noch auf seinem Höhepunkte.

      Die drei Nachtwandler durchschritten den Flur. Sie standen vor einem schmalen Pförtchen. Man erkannte es an den Fenstern zu beiden Seiten.

      Der Gefangenenwärter schloss es auf.

      Er sprach unterdes leise ein paar Worte zur Seite.

      »Alles gut!« wurde ihm geantwortet.

      Man sah in der Dunkelheit den Antwortenden nicht.

      Es musste die Schildwache sein, die der Gefangenenwärter für sich gewonnen hatte.

      Sie traten durch das Pförtchen.

      Beermann wollte das Pförtchen verschließen, wie er die andern Türen verschlossen hatte.

      Plötzlich hörte man ein Geräusch in dem Flur, zur Seite. Eine Tür schien dort geöffnet zu werden.

      Er gab den Verschluss des Pförtchens auf.

      »Fort, fort!« flüsterte er.

      Er eilte voran; die beiden Gefangenen folgten ihm.

      Sie waren in dem Garten hinter dem Schlosse.

      Sie eilten durch die Gänge.

      Hinter ihnen wurde es laut.

      »Hierher, hierher!« rief es.

      »Schulz!« sagte der Gefangenenwärter Beermann. »Er hatte doch etwas gemerkt.«

      Schritte wurden vom Schlosse her gehört, das Klirren von Waffen.

      Die drei Flüchtigen liefen, flogen.

      Die Schritte der Verfolgenden blieben hinter ihnen.

      Beermann eilte in ein Bosquet; die beiden Gefangenen folgten ihm.

      Die Verfolger waren auch hier hinter ihnen.

      »Aber ihre Kugeln treffen uns nicht zwischen den Bäumen!« sagte der Gefangenenwärter.

      Sie hatten im Laufen gehört, wie die Gewehre gespannt wurden.

      Es wurde hinter den Fliehenden gerufen: »Steht, oder es wird geschossen!«

      Sie standen nicht.

      »Noch fünfzehn Schritte und wir sind am Wasser und in dem Nachen«, sagte Beermann.

      »Und sie sind über fünfzig Schritt hinter uns«, sagte Franz Horst.

      In dem Augenblicke stürzte ihnen jemand entgegen.

      »Halt!« wurde gerufen.

      Der Gefangenenwärter Beermann, der vorderste der drei Fliehenden, wurde festgehalten.

      Auch Mahlberg und Horst hemmten ihre Schritte.

      Sie wollten ihren Gefährten, ihren Führer befreien.

      Sie warfen sich auf seinen Angreifer.

      Aber sie hatten es mit einem Manne zu tun, der Riesenkräfte besaß. Er hatte den Gefangenenwärter zu Boden geworfen. Er kniete ihm auf der Brust; so erwartete er den Gegenangriff der beiden Gefangenen.

      »Hilfe!« rief er dabei mit lauter Stimme in die Dunkelheit. »Hilfe! Hierher! Hier sind sie! Alle Mann hierher!«

      »Retten Sie sich!« keuchte der Gefangenenwärter am Boden. »Retten Sie sich! Mich können Sie nicht befreien.«

      Sie konnten es nicht.

      Mahlberg hatte den Arm des Angreifers gefasst. Er wurde von einer dreifach überlegenen Kraft zurückgeschleudert.

      Horst hatte den andern Arm ergreifen wollen; er fühlte sich selbst festgehalten; er konnte sich kaum losreißen.

      Die Verfolger kamen näher, der ganze Haufe. Waren sie im Moment vorher noch fünfzig Schritt entfernt gewesen, jetzt waren sie keine fünfundzwanzig mehr zurück.

      »Retten Sie sich!« rief noch einmal Beermann.

      »Retten wir uns!« sagte Franz Horst.

      Er riss den Freund mit sich fort.

      Sie erreichten das Ende des Bosquets. Sie waren noch zehn Schritt vom Ufer der Spree.

      Am Ufer im Wasser sahen sie einen dunklen Gegenstand. Es· war der Nachen, der auf sie wartete.

      Ein Gegenstand bewegte sich auf dem Lande, wollte ihnen entgegenkommen.

      »Feuer!« wurde hinter ihnen kommandiert. Es fielen Schüsse.

      An der Seite Mahlbergs stürzte Franz Horst nieder.

      »Rette Dich, rette Dich!« rief er dem Freunde zu.

      »Armer Franz! Soll ich auch Dein Mörder werden?«

      Mahlberg wollte den Gefallenen aufheben.

      »Lass’ mich! Rette Dich nur. Mir ist die Hüfte zerschmettert. Ich müsste sterben, wolltest Du mich mit Dir nehmen.«

      »Ich sterbe mit Dir, Franz!«

      Die Gestalt vom Wasser war näher gekommen.

      »Gisbert, hilf mir!« sagte Mahlberg.

      Er meinte, Gisbert von Aschen sei es.

      Er erhielt keine Antwort. Aber eine Hand fasste die seinige.

      »Fort, fort! Ich beschwöre