Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme. Jodocus Temme. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jodocus Temme
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027238149
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      Am anderen Tage wurde der Bote zum Galgen geführt; er stand schon mitten auf der Leiter, da drehete er sich um, und sah von weitem einen Reuter in einem scharlachrothen Mantel ankommen. Mein Onkel kommt da! sagte der Bote, wie ihm vorgeschrieben war, lasset mich ein paar Worte mit ihm sprechen! Dieß wurde ihm erlaubt, und er sprach leise mit dem rothen Reuter, welcher nicht sein Onkel, sondern der Teufel war. Auf einmal rief dieser laut: Mein Vetter ist unschuldig, und der Wirth hat meinen Vetter bestohlen! Der Wirth aber schrie: Das sind Lügen, der Bote hat mich bestohlen! Da trat der Satan vor ihn, fragend: Soll Dich der Teufel holen, wenn Du lügst? Und als er keck: Ja! antwortete, nahm ihn der Rothmantel flugs beim Kragen und führte ihn mit sich davon durch die Lüfte. Da erkannten Alle, daß der Bote unschuldig war, und er wurde freygesprochen; auch erhielt er sein Geld wieder, welches man noch im Hause des Wirthes fand!

      (Mündlich. Vgl. auch Grimas deutsche Sagen.)

      Die weiße Jungfrau

       Inhaltsverzeichnis

      Jede Nacht, so wie die Glocke eilf Uhr geschlagen hat, sieht man in dem Dorfe Elsey in der Grafschaft Limburg eine schneeweiß gekleidete Jungfrau. Dieselbe kommt oben von der Rheerheide, da wo der Galgen steht, geht dann durch das Henkhäuser Feld bis in das Dorf Elsey, wo sie hinter der Kirche her auf den Stiftsplatz geht, bis an den auf diesem befindlichen Brunnen. Ueber diesen Brunnen bückt sie sich lange und blickt hinein; dann läßt sie auf einmal einen Eimer hinunter, tief in den Brunnen und in das Wasser wenn sie denselben aber nach oben gezogen hat, so sieht sie geschwind in denselben, bald aber gießt sie ihn aus, und läßt ihn von neuem hinunter und zieht ihn wieder herauf. Dieses wiederholt sie dreymal, bis die Glocke auf dem nahen Kirchthurme Mitternacht schlägt; dann geht sie seufzend und händeringend von dem Brunnen weg, wieder hinter der Kirche her, durch das Heekhäuser Feld, bis sie auf der Rheer Heide neben dem Galgen wieder verschwindet. Man erzählt sich, diese Jungfrau sey vor vielen Jahren ein vornehmes Stiftsfräulein in Elsey gewesen. Diese hatten ein Kind bekommen, und dasselbe umgebracht und in den Stiftsbrunnen geworfen; und weil sie so vornehm und reich gewesen, hatte Niemand ihr etwas darum thun mögen. Als sie nun aber zum Sterben, gekommen, da hat der Teufel ihren Leib geholt, und denselben unter dem Galgen oben auf der Rheer Heide verscharret; und ihre Seele kann nicht eher Erlösung finden, als bis sie den Leib ihres todten Kindes wieder hat. Darum muß sie alle Nächte aus ihrem Grabe aufstehen und zu dem Brunnen wandern, und dort den, Leichnam suchen.

      (Mündlich.)

      Gebräuche bei Leichen

       Inhaltsverzeichnis

      In vielen Orten an der Ruhr und an der Lenne, besonders unter den Bauern, hat man den Gebrauch, wenn Jemand im Hause stirbt, sofort alles Lebendige im Hause und auf dem Hofe aufzuwecken, sogar das Vieh in den Ställen; weil der Glaube herrscht, was nicht geweckt werde, müsse in einen Todtenschlaf fallen.

      Auch muß man sich ja hüten, dem Todten etwas mit in den Sarg zu geben, woran der Schweiß eines Lebenden klebt, z. B. ein Tuch, oder auch nur ein Stückchen Leinewand; indem sonst der Todte zuerst den Schweiß und zuletzt alles Blut und alle Kräfte des Lebenden in sich zieht und aufzehrt, und dieser ihm alsbald in das Grab nachfolgen muß.

      Das Todtenansagen

       Inhaltsverzeichnis

      An der Lenne, unweit der Chaussee zwischen Hagen und Iserlohn liegt ein kleines Dörfchen, Namens Genna. In diesem herrscht seit uralten Zeiten folgender merkwürdige Gebrauch: Sobald Jemand im Hause stirbt, und ihm die Augen zugedrückt sind, muß der Besitzer des Hauses unverzüglich zu seinem nächsten Nachbarn gehen, und es diesem ansagen: Der und der in seinem Hause sey so eben gestorben. Dieser nächste Nachbar muß eben so eilends wieder zuseinem nächsten Nachbarn gehen und ihm dasselbe ansagen; und dieser wieder zu dem seinigen, und so weiter bis es an den letzten Mann im Dorfe kommt. Dieser Letzte alsdann muß zu dem nächsten Eichbaume gehen, der bey seinem Hause steht, und es diesem mit lauter Stimme ansagen. Thut er das nicht, so hat er gewiß bald eine Leiche im Hause.

      Das Hexenbeschwören

       Inhaltsverzeichnis

      Wie in ganz Deutschland, so gibt es auch besonders in Westphalen viele boshafte Hexen, die sich damit abgeben, ihren Nachbaren Kühe, Pferde, Butter u. d. g. zu behexen. Selten gelingt es, eine solche Hexe auszumitteln. In dem Dörfchen Lethmate unweit Iserlohn hat man aber, wenn eine Kuh, ein Schwein oder ein anderes Thier stirbt, oder wenn die Milch verdirbt, oder die Butter nicht geräth, oder sonst ein Unglück geschieht, folgenden einfachen Gebrauch, um zu erforschen, ob und welche Hexe hieran Schuld sey:

      Es treten ihrer zwey, der Beschädigte und noch Einer, in einem verschlossenen Stübchen zusammen, und nehmen einen Schlüssel, der ein geerbter seyn muß, und der im Blatte ein Kreuz hat; den Schlüssel legen sie in eine Bibel, die auch eine geerbte seyn muß, und zwar so, daß das Kreuz auf die Worte im ersten Capitel Johannis: Im Anfange war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort! – zu liegen kommt, der Ring des Schlüssels, aber aus dem Buche hervorsteht. Nun binden sie das Buch fest zu mit einem Bindfaden, und hängen es mit dem Ende des Bindfadens oben an der Decke des Zimmers auf; diesemnächst faßt ein Jeder von den Zweyen unter den Ring des Schlüssels und halten diesen lose, und der, so den Schaden gelitten hat, frägt: Ist eine Hexe bey meiner Kuh gewesen, daß sie gestorben ist? – Hierauf muß der Andere: nein! antworten. Der Beschädigte aber sagt dann: ja, und so sprechen sie lange Zeit, der Eine ja, der Andere nein. Ist nun die Kuh wirklich behext worden, so drehet sich zuletzt wunderbarer Weise die Bibel im Kreise herum. Sodann thun sie die fernere Frage: Hat die und die meine Kuh behext? – und verfahren wie vorhin, bis sich das Buch wiederum drehet. Wenn aber keine Hexerey vorgefallen ist, oder nach der unrechten Hexe gefragt wird, so drehet sich das Buch nicht um, sondern bleibt unbeweglich hängen.

      Der St. Einhardsbrunnen

       Inhaltsverzeichnis

      Bey der Stadt Altena, nicht weit von dem Orte, der die Kluse heißt, ist mitten am Berge ein Brunnen, der St. Einhardsbrunnen, zu welchem jetzt an jedem Ostermontage Haufen von Menschen spaziren gehen, der aber in früheren Zeiten, bis Altena evangelisch wurde, darum sehr berühmt war, weil er die Gabe hatte, unfruchtbare Weiber fruchtbar zu machen. Dieses geschah nemlich folgendermaßen:

      Die Frau mußte zuerst beten:

      „Lieber Herr Sankt Peter, schließet auf strenge,

      Die Himmelspforte, redlich ich ginge,

      Hinauf zum Boven und zum Sankt Einhard.”

      Dann mußte sie eine Messe lesen lassen, und dabey sagen;

      „O Herr Gott, durch den lieben Sankt Einhard,

      Hilf mir, wie Du hast erhört

      Der alten, verwelkten Sarah Gebet,

      Und das der heiligen Mutter Elisabeth.

      So hilf auch mir unfruchtbarem Weibe,

      Daß ich möge schwanger werden im Leibe.

      Hiezu hilf mir nun und alle Zeit,

      Daß ich aller meiner Sünden werde queit.”

      Hierauf mußte die Frau in Beiseyn des Priesters aus dem Brunnen einen guten Trunk thun, und der Priester dabey sagen:

      „Proficiat, das gesegne Euch St. Einhard offenbar,

      Das