Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme. Jodocus Temme. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jodocus Temme
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027238149
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hat gesagt, antwortete Hick, in dem Kämmerlein dort liege eine Flasche Wein im Bette!

      Schnell eilte der Wirth in das Kämmerchen, suchte im Bette und fand die Flasche Wein, die nur noch zum dritten Theile voll war. Er wurde glühend roth im Gesichte, und rieb sich heftig vor der Stirne. Dann aber ging er zum Hick zurück, und verlangte, der Vogel solle noch mehr wahrsagen.

      Recht gerne! meinte Hick wieder; aber ich muß auch mehr Geld haben!

      Der Wirth zog noch ein Quärtchen hervor, und dann noch eins, und ein drittes und viertes, weil Hick immer den Kopf schüttelte. Als aber nun der Kronthaler voll war, kniff der Hick seinen Raben wieder in den Schwanz, und dieser schrie wieder: Quak! quak! – Und der Wirth fragte wieder eifrig, was er gesagt habe?

      Er hat gesagt, antwortete Hick ruhig, unter der Kiste dort stehe ein Schinken.

      Auch den Schinken fand der Wirth; und glühete stärker und rieb seine zuckende Stirn immer heftiger, und verlangte doch noch eifriger von Hick, der Vogel solle ihm noch mehr wahrsagen. Allein Hick war klug. Heute nicht! antwortete er; es schmerzt den Vogel zu sehr, wie auch sein Schreyen Euch kund gibt. Wartet bis morgen!

      Aber der Wirth konnte keinen Augenblick mehr warten. Nein, gleich! rief er auf der Stelle muß er wahrsagen! und er warf all sein Geld auf den Tisch, das er bey sich trug; drey, vier, fünf Krontalher. Dem Hick lachte sein Herz im Leibe über den Anblick des schönen Geldes, aber er hielt sich doch standhaft; da wurde der Wirth fast wüthend, und schloß einen Schrank auf und nahm ein blankes Goldstück daraus und legte das zu den Kronthalern. Da konnte denn auch Hick nicht länger mehr an sich halten, er kniff das Thier zum drittenmale in den Schwanz, dieses schrie wieder laut sein: Quak, quak, und der listige Lieberhäuser offenbarte nun: Unter der Treppe steckt ein Mönch!

      Bebend vor Zorn stürzte der Wirth in das Kämmerchen, zu der Treppe, zog mit gewaltiger Faust das bleiche Mönchlein hervor, und – die Szene, in der jetzt Eins der zehn Gebote mit kräftigem Arme ausgelegt wurde, bedarf wohl keiner Beschreibung.

      Hick, im Besitze seiner Reichthümer, sah unterdeß sehr ruhig und zufrieden zu, ließ sich noch ein Glas Bier geben, und wollte sich dann zur Rückreise anschicken. Doch der eifersüchtige Wirth wollte ihn mit dem Vogel nicht ziehen lassen. Den Wahrsager, rief er, lasse ich nicht wieder aus dem Hause; Ihr müßt ihn mir verkaufen!

      Hick aber schüttelte listiger Weise gewaltig den Kopf. Das Thier ist mir nicht feil! erwiderte er, aber desto wohlgefälliger lächelte er, als der Wirth wieder den Geldschrank aufschloß, und den Beutel hervorzog, in dem die Goldstücke waren.

      Drey zählte er davon auf, blank und glänzend, und verlangte den Vogel dafür; noch drey legte er dazu, als Hick noch nicht ja sagen wollte. Da strich dieser das Geld ein, gab den Vogel ab, und lief, was er laufen konnte, aus Cölns Mauern heraus.

      Arm war Hick aus Lieberhausen gegangen, der ärmste des Dorfes; als ein reicher Mann kam er zurück. Nicht bloß er, kein Mensch in ganz Lieberhausen hatte je so viel Geld beysammen gesehen. Mit Gewalt wollten die Lieberhausen daher wissen, wie Hick dazu gekommen sey. Tag und Nacht bestürmten sie die Hütte des Beneidenswerthen, der jetzt jeden Abend seine Kinder satt futtern konnte, und fragten ihn, woher er die Reichthümer bekommen habe?

      Ich will es Euch sagen, antwortete Hick zuletzt, für meine Kuhhaut; das Zeug ist dort entsetzlich theuer!

      Da frohlockten die Lieberhäuser, und schlachteten auf der Stelle all ihr Vieh, daß am andern Morgen keine lebendige Kuh mehr in Lieberhausen war. Die Häute luden sie auf und wanderten damit nach Cöln und sangen und jubelten vor Freude. Aber wie fanden sie sich betrogen, als in Cöln die Kuhhäute nicht theuerer waren, als in Lieberhausen auch! Der Verdruß und der Aerger des gefoppten Volkes war unglaublich; aufs höchste erbittert gegen Hick kehrten sie heim, und beschlossen einmuthig, ihn, als die alleinige Ursache ihrer Schmach und ihres Unglücks, zu tödten. Lange gingen sie zu Rathe, auf welche Art sie dieß ins Werk stellen sollten, zuletzt schlug Einer vor, man solle eine große Tonne kaufen, in dieser den Hick einsperren, und ihn so zum Rheine wälzen, um ihn dafür seine hinterlistige Lüge büßen zu lassen, wohin dieser sie gefoppt habe. Mit Freuden wurde dieser Vorschlag angenommen. Man kaufte in der Stille eine große, starke Tonne, überfiel dann eines Morgens den Hick, als dieser eben mit den Kindern bey dem wohlschmeckenden Frühstücke saß, warf ihn in die Tonne, schlug den Boden derselben hinter ihm zu, und rollte ihn dann unter wildem Gejauchze zum Rheine. Das ganze Dorf ging mit.

      Ohne Unfall kamen sie in die Nähe des Flusses; hier aber kehrten sie in einem Wirthshause, das nicht gar weit von der Landstraße stand, ein, um sich vorher zu dem Reste ihrer Expedition zu stärken; die Tonne ließen sie unbewacht auf der Straße stehen.

      Der arme Hick! Wohl kannte er das Schicksal, mit dem er bedroht war, und wohl wusste er, daß die empörten Lieberhäuser ihm keine Gnade schenken würden. Aber dennoch verließ ihn sein Muth nicht. So oft hatte er in Noth und Angst durch fröhliches Singen sein Herz erleichtert, auch jetzt in seiner Todesangst stimmte er einen lustigen Gesang an, und sang mit lauter Stimme ein Lied, das in seiner Heimath sehr bekannt war, und mit den Worten anfing:

      Ich sall to Cöllen Bischop syn,

      Und hävve keene Lust!

      Das hörte ein Hirt, der mit seiner Heerde Schafe des Weges gezogen kam. Neugierig nahete sich dieser der Tonne, und lauschte auf die merkwürdigen Worte, die ihm daraus entgegentönten, und hörte noch einmal: Ich sall to Cöllen Bischop syn, und hävve keene Lust!

      Guter Freund in der Tonne! rief er voller Erstaunen, ist das wahr, was Ihr da singet?

      Sicher! antwortete Hick, dem schnell ein Licht der Hoffnung aufging.

      Das dünkte dem Hirten unbegreiflich. Bischof von Cöln! Er kannte nichts Höheres und nichts Glänzenderes. Guter Freund in der Tonne! rief er noch einmal, und Ihr habt keine Lust? – Es ist nicht möglich!

      Habt Ihr vielleicht Lust? fragte der listige Hick. Man kennt mich in Cöln nicht; wir können tauschen.

      Da warf der Hirt einen fröhlichen Blick auf die vielen Häuser und Thürme der Stadt Cöln, die drüben vom Rhein her ihn so einladend anschaueten, und die nun sein werden sollten, und ohne sich länger zu bedenken, bot er dem Hick seine ganze Heerde zum Tausche gegen die Bischofsmütze an.

      Wer war froher als Hick! Augenblicklich sagte er ja, forderte den Hirten auf, den Boden der Tonne loszuschlagen, sprang, als dieser das gethan, heraus, und ließ jenen wieder hinein. Dann schlug er schnell den Boden wieder zu, und trieb nun leicht und fröhlich mit seiner Heerde Schafe gen Lieberhausen zurück.

      Bald nachher kamen die Lieberhäuser aus dem Wirthshause, voll des genossenen Biers und Brandteweins, und lärmend und jubelnd; mit wildem Geschrei naheten sie sich der Tonne, und wälzten sie, das Gejammer des armen Hirten übertönend, in den Rhein. Dann kehrten sie, froh über die glücklich vollzogene Rache, in ihr Dorf zurück.

      Aber wie erstaunten sie, als sie hier den Hick wohlbehalten mit seiner Heerde Schafe fanden! Die Hände schlugen die guten Leute über den Köpfen zusammen. Wir haben ihn doch jammern hören! sprachen sie untereinander, und wir haben doch vor unseren Augen die Tonne untersinken sehen! Sie konnten den Hick nicht genug fragen, wie er beim Leben geblieben, und wo und wie er an die Schafe gekommen sey?

      Da stellte sich Hick treuherzig und berichtete ihnen: die Schafe habe er im Rheine gefunden; dort seyen Schafe genug, für ganz Lieberhausen: man müsse es nur recht anzufangen wissen, um sie zu bekommen.

      Als das die Lieberhäuser hörten, vergaßen sie plötzlich allen ihren Groll, und baten Hick, er möge doch auch ihnen zu dem Besitze so herrlicher Heerden verhelfen. Dazu war Hick gern bereit, denn er wollte Rache nehmen dafür, daß sie ihn hatten umbringen wollen. Er forderte sie daher auf, mit ihm an den Rhein zu ziehen, wo er ihnen dann Schafe genug verschaffen wolle.

      Ganz Lieberhausen wallfahrtete jetzt zum dritten Male zum Rheine, Hick mit seinen Schafen an der Spitze; Niemand, keine Seele, blieb in dem Dorfe zurück, jung und alt, Weiber und Kinder machten sich auf