Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme. Jodocus Temme. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jodocus Temme
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027238149
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und sprach:

      „Nehmet hin, diese Gabe, lieber Herr

      Sankt Einhard, und helft mir, daß es wahr werd.”

      Endlich beschloß der Priester die Handlung mit der Danksagung:

      „Deo gratias, Gott habe Dank,

      Sankt Einhard gebenedeye Euch diesen Gang

      Zweifelt gar nicht daran,

      Sondern reget Euch zu einem baldigen Kram.”

      Die Zerstörung der Irmensäule

       Inhaltsverzeichnis

      Es sind schon tausend Jahre und mehr verflossen, seitdem einst auf der Halbinsel Jüttland ein Vetter des Dänenkönigs Goddrick, Namens Clodoald, als Statthalter herrschte. In früheren Zeiten war er ein glücklicher Mann gewesen, geliebt von seinem Könige, seinen Unterthanen und seiner Familie. Allein ein Sieg, den er über die Normanen erkämpfte, indem er ihre räuberischen Einfalle in Jüttland mit Gewalt zurückschlug, sollte auf einmal sein Glück und seine Zufriedenheit zerstören. Dieß grausame Volk sann auf eine entsetzliche Rache für den erlittenen Unfall, und führte diese dadurch aus, daß es dem Statthalter seine beyden Kinder, Clodoald, einen Knaben von zehn und Hildegardis, ein Mädchen von acht Jahren, mit List raubte. Der arme Vater ward untröstlich, denn er liebte die Kinder sehr, und sein Herz hing an ihnen. Er rüstete Kriegsschiffe und Heere aus, um sie zurückzugewinnen; er sandte Boten und Gesandten in alle Weltgegenden, in alle Länder. Allein alle seine Bemühungen und Sorgen waren fruchtlos; nicht einmal eine Spur der Geraubten konnte er entdecken. Jahre verschwanden und verschwanden wieder, Ein Bote kehrte nach dem Anderen zurück, aber von den geraubten Kindern brachte Niemand Kunde.

      Die Zeit war wohl im Stande gewesen, das Haar des unglücklichen Vaters zu bleichen, allein seinen Gram konnte sie nicht verlöschen und nicht vermindern. Vierzehn Jahre waren vergangen, der Letzte seiner Boten war zurückgekehrt, umsonst wie die Uebrigen. Da entschloß sich der Greis, der noch Kräfte zu einem solchen Unternehmen in sich spürte, selbst die gefahrvolle Reise anzutreten und seine geliebten Kinder aufzusuchen. Mit seinem, nach dem Raube seiner Erstgebornen, ihm noch nachgebornen Knaben Hyazinth machte er sich auf den Weg, und durchstrich die Länder Europa, Asien und Afrika von Einem Ende bis zum andern, und fragte und forschte überall nach den Geraubten, und bekam nirgends Bescheid und nirgends eine Spur von ihnen. Da erkannte er in Demuth den Willen der Götter, die ihm sein Liebstes nicht zurückgeben wollten, und, wenn auch mit zerrissenem Vaterherzen, doch diesen höheren Willen ehrend, machte er sich auf den Rückweg in die Heimath.

      Sein Weg führte ihn durch das Land Westphalen, wo er bey einem theueren Verwandten einkehrte, um sich einige Tage auszuruhen, und zu dem Ende seiner Reise zu stärken. Der Verwandte nahm ihn mit auf eine große Jagd, die er in den ungeheuren Forsten der Gegend veranstaltet hatte. Auf dieser verirrte sich Clodoald, in der Hitze des Verfolgens, und gerieth in einen unermeßlichen, undurchdringlichen Wald, von dem er kein Ende und keine Grenzen erspähen konnte. Allein er achtete nicht hierauf, und, von Jagdlust getrieben und von seinem Sohne Hyazinth gefolgt, drang er immer tiefer in das Dickicht des Waldes. Bald sah er auch seinen Eifer belohnt, denn ein ungeheurer Eber wurde von ihm aufgetrieben.

      Der Wald aber, in den er gerathen war, war der heilige Hayn der Westphalen, in dem die Altäre ihrer vornehmsten Gottheiten, und die Sitze ihrer obersten Priester und Priesterinnen waren; der Eber aber, dessen Fährte er verfolgte, war der geheiligte Eber des Hayns; das Schlachtbild der Deutschen. Der unglückliche Clodoald wußte dieß nicht; eifriger hitziger verfolgte er das gewaltige Thier, holte es ein, bestand einen schweren Kampf mit ihm und erlegte es.

      Aber wie das Thier seinen Geist aushauchte, da brüllte es fürchterlich, daß der ganze Wald erbebte, und alle Thiere des Waldes brüllten mit ihm, und der Tag wurde zur Nacht, und ein furchtbares Unwetter erschütterte den weiten, unendlichen Forst; Blitz folgte auf Blitz, Donner auf Donner, Krach auf Krach. Menschenstimmen mischen sich darein, und schrieen und wehklagten fürchterlicher, als Thiere und Elemente, und der entsetzliche Ruf nach Rache durchschallte den Wald und hallte tausendfach von allen Seiten wieder.

      Entsetzt schmiegte der Knabe Hyazinth sich an den Vater, und suchte Hülfe gegen diese Schrecken; allein der Greis stand selbst schwankend und zitternd, denn alle Kraft der Sehnen und Muskeln fühlte er urplötzlich aus seinem Körper entweichen, und seine Augen waren mit ewiger, undurchdringlicher Nacht bedeckt. Das Rachegeschrey kam unterdeß immer näher und näher, und füllte schauerlicher den Wald, und in wenigen Minuten waren der Greis und Knabe von einem zahllosen Haufen Priester und Krieger umringt, deren Augen Wuth, Rache und Mordgier sprüheten. Von neuem wehklagten sie, und zerrissen ihre Kleider, zerrauften ihre Haare, zerschlugen ihre Waffen, als sie den heiligen Eber starr, in seinem Blute schwimmen sahen. Dann fluchten sie dem Frevler, der dieses gethan, und unter Androhung der entsetzlichsten Martern ergriffen sie Clodoald und seinen Knaben.

      Es geschah dieses gerade zu einer Zeit, als der große Carl auf dem Reichstage zu Worms die Vertilgung der Heiden und die Einführung des Christenthums in Sachsen beschworen hatte, und zur Lösung seines Schwurs ein gewaltiges Kriegsheer jetzt rüstete und im Begriffe stand, mit demselben in das Herz des Sachsenlandes einzufallen. Der Herzog Wittekind und die Priester hatten wohl Kunde davon bekommen, und während jener im Lande umherzog, um Vertheidiger des väterlichen Heerdes zu werben, verkündeten die Priester und ihre Orakel schwere Beleidigung der Götter und entsetzliches Unheil der Völker, das daraus folgen werde, und feuerten durch Gesänge und Wunderzeichen den Muth des Volks zur rasenden Wuth an. Was Waffen tragen konnte, versammelte sich in dem heiligen Hayne, am Altare der Irmensäule, und brannte vor Begierde, den beleidigten Göttern zahlreiche, blutige Opfer zu bringen.

      Daher kam es, daß das Wehklagen der Priester und Krieger, die den armen Clodoald umringt hielten, bald verstummte, und eine wilde Freude dafür den Wald erfüllte. Man schlachte sie als Opfer des erzürnten Gottes, den Greis und den Knaben! riefen laut die Priester, und Knechte stürzten herbey, die Unglücklichen in Fesseln zu schlagen und sie an den Altar Irmins zu schleppen. Doch der blinde Clodoald strengte seine letzten Kräfte an, um sich und sein Kind zu retten, und einem so entsetzlichen Tode zu entgehen. Allein er hatte nur Ohnmacht der wilden Kraft entgegenzustellen. Da bat und flehete er. Er stellte sein Alter, und die Jugend seines Knaben vor, und seine Verwandtschaft mit dem Könige Goddrick und mit dem Herzog Wittekind, der sein Vetter war.

      Wirklich legte sich die Wuth der Priester, sie wurden ruhiger und traten berathschlagend zusammen; nach einer Weile aber verkündeten sie dem Greise, der, von den Göttern mit plötzlicher Blindheit gestraft, kein untadeliges Opfer mehr seyn konnte, seine Freyheit; den Knaben Hyazinth aber nahmen sie mit, am Fuße der Irminsäule ihn der beleidigten Gottheit zu schlachten. Vergebens flehete der elende Greis, vergebens bat er, ihn anstatt des unschuldigen Knaben zu opfern; umsonst füllten seine erloschenen Augen sich mit Thränen, der Wald sich mit seinem Wehklagen. Unter wilden Gesängen zogen die Heiden mit dem Kinde fort, und ließen den Greis allein in dem dunkeln Walde.

      Lange noch irrte er hier einsam umher und weinte und wehklagte, und forderte umsonst von den Göttern sein Kindlein zurück. Endlich begegneten ihm zwey fremde Ritter, die des Weges kamen, und die sein Jammern in seine Nähe lockte. Sie erkundigten sich nach seinem Elende, er theilte es ihnen mit, und schnell waren die Ritter entschlossen, den Knaben zu befreyen und ihn dem armen Vater zurückzugeben.

      Früh am anderen Morgen wurde der Knabe Hyazinth aus den Wohnungen der Priester zum blutigen Opferaltare geführt. Er war festlich geschmückt mit weiten, glänzenden Kleidern, eine goldene Binde umgab seine bleiche Stirne, frische Blumen hingen in sein blasses Gesicht. Haufen von Priestern führten ihn in ihrer Mitte und sangen Lieder zum Lobe der Götter. Schon nahen sie sich dem furchtbaren Altare, schon sieht der Knabe auf hoher Säule den kolossalen Gott mit Helm und Rüstung, in der rechten Hand die wehende Fahne, in der linken den gewaltigen Speer; schon erblickt er zu den Füßen desselben der furchtbaren Henker, Mordlust in allen Zügen, hoch das Mordbeil emporschwingend. Die Gesänge der Priester werden wilder, als sie sich dem Gotte nahen, das Herz des Knaben schlägt ängstlicher, lauter. Da stürzen auf hohen