Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme. Jodocus Temme. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jodocus Temme
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027238149
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deine Eltern auch, weil ihr sie verlassen, und zu einem fremden Gott euch hingeneigt habt? O Christina, ihr waret so glücklich, so lange ihr den alten Göttern anhinget; und nur Unglück hat Euch verfolgt, seitdem ihr der neuen Lehre zugethan seyd. Das war der Zorn der Ewigen. Kehre zurück, ehe sie dich ganz verderben. Sey mein, laß uns glücklich seyn.

      Er sprach mit liebevoller, inniger Stimme, und legte seinen Arm um den schlanken Leib der Geliebten, indem er sie sehnsüchtig und bittend ansah. Aber sie, schob ihn sanft zurück, und ihre Augen füllten sich mit Thränen. O warum mußt du so verblendet seyn! rief sie. Warum kann das reine Licht der wahren Gottheit nicht in deinen Busen dringen? Folge mir! Hermann, laß dich taufen, und ich bin dein.

      Das kranke Gesicht des Jünglings glühete fieberhaft, seine Augen starrten finster brütend vor sich hin. Mein? rief er. Mein bist du doch! – Er sah sie mit einem verlangenden, aber noch unentschlossenem Blicke an

      Christina erschrak heftig davor, sie zitterte. Herman, sagte sie. Wenn du mich liebst, so wirst du mich achten, meine Tugend, meine Unschuld ehren!

      Der Jüngling starrte, noch immer mit sich kämpfend vor sich hin. Sey mein, Christina! sagte er noch einmal mit bittender Stimme, aber indem seine Augen sich plötzlich mit dunkler Gluth auf sie hefteten.

      Das Mädchen wurde ängstlicher. O ewiger Gott! rief sie, wende sein Herz zum Guten, zur Milde! – Hermann, wandte sie sich an den Jüngling; sey edel, verdirb ein armes, unglückliches Mädchen nicht.

      Sie weinte große Thränen; aber auf den Jüngling, in dem die Verblendung und das Verlangen der Leidenschaft mit immer furchtbarerer Gewalt Herrschaft gewann, machten sie keinen Eindruck mehr. Sein Gesicht glühete, seine Augen brannten, die heftige Bewegung seines Körpers verrieth das Stürmen seines kochenden Blutes. Ein gewaltsamer Entschluß schien mit jeder Sekunde sich mehr in seiner Seele auszubilden. Christina sah sein Kämpfen; aber die Gluth seiner Blicke ließ sie nicht zweifelhaft, daß die Leidenschaft den Sieg davon tragen werde. In unnennbarer Angst schritt sie in dem Gemache auf und ab. Wie sollte, wie konnte sie sich retten? Kein Mittel bot sich ihr dar. Sie eilte nach dem hohen Fenster, es führte auf den mit spitzen Steinen gepflasterten Burghof, ein kühner Sturz hinunter konnte ihrem Leben ein Ende machen, aber auch ihrer Angst, ihren Leiden. Allein ein starkes eisernes Gitter verwehrte ihr auch dies letzte Rettungsmittel. Sie rüttelte vergebens an den eisernen Stäben, und sah mit Sehnsucht auf den Burghof hinunter. Nur neue Leiden sollten ihr werden, denn unten sah sie auf einmal ihren treuen Lehrer und Hirten, den Mönch Johannes Baptista, wie er von den hartherzigen Heiden verhöhnt wurde.

      Der edle Greis war ihr gefolgt, um, seines eigenen Lebens nicht achtend, noch einen Versuch zu machen, ob er sie nicht retten könne aus den Klauen der heidnischen Tiger. Furchtlos ging er auf die rothe Burg, und stellte dem Räuber Lutz seine große Schandthat vor, und flehete ihn, die christliche Jungfrau wieder herauszugeben. Er belehrte ihn, wie Christus der Herr, auf die Erde herabgekommen, und die Menschen gelehrt habe, gerecht und gottesfürchtig zu leben, und nüchtern und züchtig. Allein Wolf Lutz spottete seiner und rief seinen Knechten zu: Fanget den Windhund des höllischen Schlächters, und werft ihn in die große Wolfsgrube, zu den Kröten und Unken, daß er langsam dahinsterbe, zur Rache der Götter, die er verhöhnt! Doch den Knechten war es noch in frischem Andenken, wie der Greis vor kurzem ihre Arme gelähmt hatte; sie wagten es nicht, ihm zu nahen, und hetzten nur die großen Burghunde auf ihn, daß die ihn zerreißen sollten. Doch auch die Thiere thaten dem Priester nichts, und mit so wüthendem Bellen sie auf ihn zuschossen, so freundlich wedelten sie mit den Schwänzen, als sie in seine Nähe kamen; und ohne daß ihm ein Häärchen gekrümmt wäre, kehrte der Mönch wieder zurück, als er jetzt alle Bitten und Vorstellungen vergeblich sah.

      Dieses sah Christine aus dem Fenster ihres Gefängnisses mit an. Sandte die wunderbare Errettung des frommen Geistlichen auch auf einen Augenblick einen Strahl der Hoffnung in ihre Brust, so mußte dieser doch eben so schnell wieder verschwinden, wenn sie jetzt zurückblickte, und den verblendeten Jüngling, mit der unwiderstehlichen Gluth des Verlangens in den glühenden Augen, auf sich zukommen sah. Der Kampf in ihm hatte aufgehört, die Sinnlichkeit hatte gesiegt, und loderte jetzt mit furchtbarer Gewalt in ihm empor. Mein sollst du seyn! rief er mit vor Verlangen zitternder halb erstickter Stimme, und streckte beide Arme nach dem Mädchen aus, um sie an sich zu reißen, und drückte seine heißen, durstigen Lippen auf ihren Nacken.

      Aber die Verzweiflung gab der Jungfrau ungewohnte Kräfte, sie riß sich von ihm los und stieß ihn von sich, daß er rücklings zur Erde stürzte. Dann lief sie mitten ins Zimmer und warf sich auf die Knie und flehete mit heißer Inbrunst zum Himmel um Rettung. O Herr, Herr! rief sie, hoch die gefalteten Hände emporstreckend, sey mir gnädig, errette mich! Vernichte meinen Leib, damit meine Unschuld bewahrt, meine Seele gerettet werde! O Geist meiner Mutter, bitte, flehe für mich! O Himmel, sende deine Blitze.

      Aber es geschah kein Wunder, es kam kein Blitz. Der Jüngling hatte sich von der Erde wieder emporgehoben, der Fall hatte seine Glut nicht abkühlen können; im Gegentheile, immer wilder wurde seine Begierde, immer unbändiger der Aufruhr seiner Sinne. Seiner nicht mehr mächtig, raffte er sich auf und stürzte von neuem auf die knieende Jungfrau, wie der Geyer auf die Taube. Auch ihm hat die Leidenschaft schnell die Kräfte wieder geliehen, die seine Krankheit ihm genommen hatte; so wenig er in diesem Augenblicke ein Mensch war, so wenig war er auch krank oder schwach; er war ein wildes, rasendes Thier. Mit kräftiger Faust riß er die Jungfrau in die Höhe und schleppte sie zu seinem Lager. Mein sollst du seyn! rief er mit lallender Zunge.

      Da geschah plötzlich ein furchtbarer Donnerschlag am Himmel, daß das Gemach erbebte und die Burg, und der Berg auf dem sie stand; und in demselben Augenblicke verschwand das Licht der Sonne, und der Himmel verfinsterte sich, daß Finsterniß des Grabes in dem Gemache herrschte.

      Herr, du bist gnädig! rief das Mädchen frohlockend. Der Jüngling aber starrte entsetzt in die plötzliche Nacht hinaus, und ließ seine Beute fahren. Aber nur einen Augenblick lang; schnell erwachte seine Leidenschaft wieder, und von neuem und heftiger umschlang er das Mädchen.

      Da fiel ein zweiter, furchtbarer Schlag vom Himmel, und zischende Blitze fuhren kräuselnd im Gemache umher, und die ganze Burg erzitterte wieder, wie in ihren Grundmauern erschüttert. Doch den Wüthenden schreckte das nicht. Ich fürchte deinen Gekreuzigten nicht! rief er, meine Götter sind mächtiger. Er umschlang sie heftiger, glühender. Herr! Herr! Sey mir gnädig! rief in Todesangst das Mädchen.

      Da fiel ein dritter Schlag vom Himmel, gewaltig, als wenn er die Erde zernichten wolle, und heftiger zitterte das Gemach, und die Burg wankte, und die Erde öffnete einen weiten, bodenlosen Abgrund, und die Burg sank hinein mit Spitzen und Thürmen, mit Menschen und mit Vieh: und an der Stelle, wo sie gestanden hatte, war ein trüber, schwefelichter Pfuhl, derselbe, der noch jetzt der Krähenpfuhl heißt.

      Dieses geschah aber in der Mittagsstunde des neun und zwanzigsten Tages im Monat Julius und im Jahre des Herrn achthundert.

      Der Himmel war wieder hell und heiter geworden, der Sturmwind, der dieses furchtbare Gericht des Herrn begleitet hatte, hatte nachgelassen. Die Sonne schien wieder lustig und milde auf Feld und Wald, und ein sanfter Wind säuselte durch das Laub der Bäume. Keine Spur, war mehr von dem wüthenden Orkane zu sehen, unter dessen Gewalt noch vor einer Stunde die Erde erbebt hatte; nur der frisch entstandene Teich kochte noch tief unten in seinem Grunde und trieb dicken stinkenden Rauch empor, und schlug mit trüben Wellen an seine verbrannten Ufer.

      Da kam langsam ein hohes Weib den Berg heraufgeschritten; tief eingehüllt war sie in ein weites, dunkles Gewand, wild hingen ihre greisen Haare um Haupt und Nacken; sie blickte lange mit dunkeln Augen in den dampfenden Pfuhl. Dann sprach sie langsam mit hohler, tiefer Stimme: Die Götter sind furchtbar! – und hüllte sich tiefer in ihr Gewand, und ging mit langsamen Schritten in den Wald.

      Nicht lange nachher aber kam der greise Mönch Johannes Baptista von einer andern Seite den Berg herauf. Auch sein Auge war trübe, aber voll Demuth und Vertrauen. Als er an den Pfuhl kam und hinein schaute, verschwand plötzlich der stinkende Rauch von demselben; das Kochen im Grunde hörte auf und der Spiegel des Wassers wurde hell und klar. Und wie mit frommem Erstaunen der Mönch dieß ersah, da tauchte ein weißer Leichnam aus dem Wasser empor und schwamm