Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme. Jodocus Temme. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jodocus Temme
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027238149
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sind verraten, Witzleben.«

      »Wahrscheinlich wieder einmal durch den übergroßen Eifer eines Landrats.«

      »Landräte in der Regel dumm!«

      Witzleben widersprach nicht.

      Der König liebte keinen Widerspruch zumal wenn er verdrießlich war. Witzleben wusste das. Der König war verdrießlich.

      Aber nicht ganz. Er dachte auch an etwas anderes.

      »Hat Pläne gemacht, das Mädchen«, fuhr er fort.

      »Als sie von meiner Ankunft hörte. War eine wichtige Nachricht für sie — und für den Kellner. Ist ihr Geliebter. Was für Pläne? Warum ich wichtig für sie? Witzleben, warum antworten nicht?«

      Witzleben wollte antworten — wohl, dass er keine Antwort habe.

      In demselben Augenblicke hörte man draußen an dem Fliederbusch die höhnische Stimme des Offiziers: »He, Bursche, bedient man so seine Gäste?«

      »Was ist das?« sagte der König, und als er weiter gehört hatte, las man in seinem stillen Gesichte mehr und mehr den Ausdruck einer großen Entrüstung.

      »Einer meiner Offiziere benimmt sich so? Ungesittet! Ungesittet! Ich will gesittete Offiziere in meiner Armee haben. Wie heißt der Offizier, Witzleben?«

      »Seine Kameraden nannten ihn Graf Thalhausen, Majestät.«

      »Den Namen sich notieren. Ist Graf und benimmt sich so! Und gegen einen Kameraden!«

      »Majestät wollen aber gnädigst erwägen, dass er ihn für einen Kellner hielt.«

      »Einerlei! Offiziere sollen sich gegen jedermann anständig betragen. Oder meinen, weil nur Landwehroffizier sei?«

      »Gott behüte mich! Majestät wissen, wie sehr ich die Landwehr hochachte.«

      »Ich auch! Landwehr hat Vaterland gerettet. Kellner soll Satisfaktion haben. Und nicht mehr Kellner sein. Zu ihm gehen, Witzleben! Mit ihm sprechen. Auch fragen nach den Plänen des Mädchens wegen meiner Ankunft.«

      Da hatte der Herr von Witzleben doch einen Widerspruch.

      »Es würde das Inkognito Eurer Majestät verraten.«

      Der König hatte in seiner Gutmütigkeit nicht daran gedacht.

      »Später also. Aber nicht vergessen!«

      Dann fiel ihm etwas anderes ein.

      »Aber den Leibarzt zu der kranken Frau schicken! Wird zwar wohl die Frau sein, die den Demagogen aus Köpenick befreit hat, und Herr von Kamptz sagt, Demagogen seien Hochverräter. Aber glaube nicht recht daran und fürchte sie nicht. Und Frau ist brave Frau; hat ihr Leben für ihren Mann eingesetzt; muss gerettet werden. Kommen, Witzleben!«

      Sie verließen die Laube.

      Sie verließen sie ungesehen. Die Offiziere waren gerade im eifrigen Gespräch über das Renkontre des Grafen Thalhausen mit dem Kellner.

      Auf zwei Seiten der Dahlheimer Schlucht war es unterdes lebendig geworden.

      Vom Bade Hofgeismar her war eine Equipage angekommen, in der ein stattlicher Herr und eine schöne junge Dame saßen. Der Herr sah etwas missmutig aus, die Dame desto glücklicher.

      An ihrer Seite neben dem Wagen ritt ein junger Offizier in der reizenden, knappen Uniform eines Husarenrittmeisters. Die schöne Dame unterhielt sich angelegentlich mit ihm.

      Der Wagen hielt einige Schritte vor dem Wirtshause an einem kleinen Gebüsch.

      Der Offizier war vom Pferde gesprungen, hob die Dame aus dem Wagen und gab ihr seinen Arm.

      »Sie haben hier Geschäfte, lieber Schilden, wie mir Ihre Frau Gemahlin sagt?«

      Der Herr von Schilden wagte nicht, einen zornigen Blick ans seine Frau zu richten.

      »Ich werde sehr bald fertig sein«, sagte er.

      »Übereilen Sie sich nicht.«

      Damit ging der Graf Westernitz mit der schönen Frau nach dem Hause hin und ließ den Herrn von Schilden allein.

      Der Geheimrat ließ jetzt seinem Zorne den Lauf; er stampfte die Erde.

      Und er hatte eine kleine Armee aus der Erde gestampft.

      Aus dem Gebüsche sammelten sich vier preußische Gendarmen und ein hessischer Wachtmeister der Landdragoner um ihn.

      Sie erwarteten seine Befehle.

      Der Geheimrat erteilte ihnen diese.

      »Sie vier«, sagte er zu den Gendarmen, »stellen sich an den vier Seiten des Hauses auf und bewachen die Ausgänge. Einen Verdächtigen, der hinaus will, halten Sie an. Sie stellen sich so auf, dass Sie alles beobachten können, aber selbst gar nicht oder möglichst wenig gesehen werden. Sie, Herr Wachtmeister, begleiten mich in das Haus.«

      Die Gendarmen wollten sich verteilen.

      »Halt!« befahl ihnen der Geheimrat plötzlich.

      Am andern Ufer der Diemel, oben nach der Fährstelle hin, war etwas laut geworden.

      »Hol’ über!« rief leise eine Stimme.

      Der Herr von Schilden stutzte; es wurde so geflissentlich leise gerufen; die Stimme schien ihm bekannt zu sein.

      »Warten wir ab, wer da kommt«, sagte er zu seiner Umgebung.

      Noch ein anderer hatte die Stimme drüben gehört, und er hatte sie bestimmt erkannt.

      Der Bursche Bernhard eilte zu der Fährstelle, sprang in den Kahn, ruderte zum andern Ufer.

      Zwei Herren stiegen dort in den Nachen.

      Der Bursche ruderte mit ihnen zurück, stieg mit ihnen ans Land.

      In dem Gesichte des Herrn von Schilden glänzte die helle Freude.

      Wie mancherlei Freude hebt die Brust des Menschen und glänzt hell in seinen Augen!

      »Der Hochverräter selbst!« sagte der Herr von Schilden zu seinen Leuten. »Er läuft uns gerade in die Hände!«

      »Wer von den beiden ist es?« fragte der hessische Wachtmeister.

      »Der Größere, mit dem etwas lahmen Fuße. Aber der andere ist sein Komplize. Wir verhaften sie beide. Sie gehen auf das Haus zu. Wenn sie hineingehen, haben sie sich uns überliefert. Sie gehen hinein! Wir haben sie. Unser Plan bleibt derselbe. Auf Ihre Posten, Gendarmen! Herr Wachtmeister, folgen Sie mir!«

      Die Gendarmen begaben sich auf ihre Posten. Der Geheimrat von Schilden, von dem hessischen Wachtmeister gefolgt, ging nach dem Hause.

      Der Herr Mahlberg und Gisbert von Aschen waren in das Haus gegangen.

      Der Domherr trat ihnen entgegen. Er hatte sie ankommen sehen.

      »Sie dürfen in diesem Augenblicke nicht zu Ihrer Frau, Herr Mahlberg. Sie wacht, aber sie ist sehr schwach. Ihr Anblick könnte eine Katastrophe herbeiführen.«

      Dann wandte er sich an seinen Neffen.

      »Wolltest Du mit Herrn Mahlberg in das Krankenzimmer?«

      »Es war meine Absicht, Onkel.«

      »Gisbertine ist da.«

      »Weiß sie, dass ich hier bin?«

      »Nein.«

      »Würde sie bleiben, wenn ich eintrete?«

      »Ich weiß es nicht. Ich habe kein Wort mit ihr über Dich gesprochen. Aber ich habe einen Auftrag an Dich.«

      »Von wem?«

      »Von Deinem alten Kameraden Louis Becker. Er ist Kellner hier und hat einen Ehrenhandel bekommen, in dem er Deines Rates und Beistandes bedarf. Er hatte sich an mich gewandt, aber die Kirche verdammt das Duell, und zum Duell wird es vielleicht kommen.

      Da