Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme. Jodocus Temme. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jodocus Temme
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027238149
Скачать книгу
Onkel.«

      »So haltet Euch bereit, in einer Viertelstunde aufzubrechen.«

      »Warum?«

      Der Domherr teilte die Erzählung des Zollbeamten mit.

      »Und wohin nun, Onkel?«

      »Ihr werdet dem Bernhard folgen, wohin er Euch führen wird, ins Gebirge, zu Fuße. So findet niemand Eure Spur. Ich werde Euch den Burschen schicken. Von ihm werdet Ihr auch erfahren, wo wir andern bleiben. Darüber muss ich vorher mit dein General sprechen.«

      Er ging zu dem General.

      »Vetter Steinau, wir sind verraten.«

      Er erzählte auch ihm, was er von dem Grenzbeamten erfahren hatte.

      »Und was nun, Vetter Aschen?«

      »Der Schilden ist ein frecher Bursche; er wird sich nichts daraus machen, selbst in Ihr Zimmer zu dringen, Vetter Steinau.«

      »Ah, ah!«

      »Sie würden ihn zwar hinauswerfen —«

      »Das würde ich.«

      »Aber es gäbe Eklat. Ich wollte Ihnen daher einen andern Vorschlag machen: wir reisen von hier ab.«

      »Vetter Aschen, was denken Sie? Ich sollte vor dem Federfuchser mich zurückziehen, die Flucht, das Hasenpanier ergreifen?«

      Der alte General war dunkelrot geworden.

      »Das wird eine schöne Geschichte werden!« sagte der Domherr für sich.

      Es wurde ihm schlecht zumute bei dem Mute des Generals.

      Aber er wusste sich aus jeder Verlegenheit zu reißen.

      »Alle Wetter, Vetter Steinau, so bleibt nichts übrig, als dass Sie allein hier bleiben und ich mit der Frau Mahlberg weiterreise.«

      Der General ging auch darauf nicht ein.

      »Sie haben einmal die Frau unter meinen Schutz gestellt, Vetter Aschen.«

      »So kündige ich Ihnen den Schutz.«

      Dagegen war nichts mehr einzuwenden.

      »Aber ich bleibe!« verschwur sich der stolze und zähe General.

      »Wie lange, Vetter Steinau?«

      »Bis ich den Federfuchser ans dem Hause geworfen.«

      Dem Domherrn lachte jetzt das Herz im Leibe.

      »Ah, Vetter Steinau, ich wünsche Ihnen viel Vergnügen dabei. Und wenn Sie fertig damit sind, finden Sie uns in der Sägemühle bei Hofgeismar.«

      »Dahin wollen Sie?«

      »Da ist die Frau am sichersten. Ich habe mir die Sache näher überlegt. Im ersten Schreck denkt man nicht an alles. Was hat die Frau denn zuletzt getan? Sie hat ihren Mann befreit. Es ist ein altes Recht, dass jeder Gefangene ungestraft sich selbst befreien kann, und Mann und Weib sind ein Leib. Wenigstens werden die Hessen sie nicht ausliefern, und die Sägemühle liegt in Hessen. Also auf Wiedersehen in der Sägemühle, Vetter Steinau.«

      »Auf Wiedersehen, Vetter Aschen.«

      Fünf Minuten später saß der Domherr mit der Verwundeten und dem Arzte im Wagen auf dem Wege nach der Dahlheimer Sägemühle.

      Den Burschen Bernhard hatte er vorher zu seinem Neffen geschickt.

      »Du führst die beiden Herren«, hatte er dem Burschen befohlen, »in irgendein sicheres Versteck in der Nähe der Dahlheimer Sägemühle. Zu dieser bringst Du mir Bescheid.«

      Im Wirtshause hatte er den Befehl zurückgelassen:

      »Im Laufe des Tages wird ein großer, vornehmer Herr hier eintreffen. Sagen Sie ihm nicht, dass die kranke Dame fort ist. Führen Sie ihn zu dem Herrn General, bei dem er alles erfahren werde.«

      Im Wagen hatte er dann doch einen Verdruss.

      »Wer dabei sein könnte, wie der Herr Geheimrat von Schilden von dem braven Vetter Steinau aus dem Hause geworfen wird!«

       Zweites Kapitel.

       Ein Deus ex machina? Oder der alte Domherr? Oder doch der alte Gott?

       Inhaltsverzeichnis

      Der Monat Juli hatte einen besonders schönen Morgen in die Bergschlucht gesandt, in der die Dahlheimer Sägemühle lag. Die Sonne war erst spät über den Bergen emporgestiegen. Sie hatte einen kurzen Kampf gehabt mit dem kühlenden Tau der Wiesen und mit den Nebelschatten, die auf den leichten Wellchen des Diemelflusses dahinschwammen. Dann herrschten ihre Strahlen überall zwischen den Bergen, klar und mild und erwärmend.

      Die Vögel in Berg und Wald brachten ihnen ihren Gesang, und der Gesang der Vögel war fast der einzige Laut, der die Stille des Tals durchdrang.

      Aus dem Wirtshause der Sägemühle trat ein Herr in den schönen Morgen.

      Er konnte im Anfange der fünfziger Jahre stehen.

      Es war eine hohe, stattliche Gestalt. In seinen Gesichtszügen herrschte ein Ausdruck der Milde vor, einer milden Schwermut, hätte man vielmehr sagen können. Sein ganzes Wesen zeigte Einfachheit; dennoch sah man den vornehmen Mann.

      Ein Herr in den vierziger Jahren war ihm aus der Tür des Hauses gefolgt. Der ältere Herr sah sich nach ihm um und winkte ihm mit der Hand, dass er zurückbleiben möge.

      Jener kehrte in das Haus zurück.

      Der ältere Herr ging ein paarmal vor dem Hause, in dem Garten neben dem Hause auf und ab. Man sah, wie der erwärmende und erfrischende Morgen ihm wohltat. Er begab sich dann in eine Laube des Gartens.

      Ein Diener brachte ihm bald daraus den Morgenkaffee hinein. Es schien der eigene Diener des Herrn zu sein; wie ein Kellner sah er nicht aus.

      Aber ein Kellner folgte ihm, ein hübscher, gewandter junger Mann, mit blühendem Gesichte, mit schwarzen krausen Haaren.

      Der Bediente trug das Kaffeebrett, der Kellner Tischtuch und Serviette.

      Sie traten beide zugleich in die Laube.

      Der Herr saß auf einer Bank.

      Der Bediente — er war etwas vornehm — wollte dem Kellner das Kaffeebrett zu halten geben, um unterdes den Tisch zu decken; er gab es dem Kellner nur durch Zeichen zu verstehen; es sah fast aus, als wenn er in Gegenwart des Herrn nicht wage zu sprechen.

      Der gewandte Kellner hatte aber schon mit seiner eigenen Kellnerserviette, die er unter dem Arme trug, den Tisch abgestaubt, dann das Tischtuch ausgebreitet, die reine Serviette vor den Platz des Herrn gelegt.

      Die Leinwand war so untadelhaft glänzend weiß.

      Der hübsche Kellner verrichtete alles so gewandt, so schnell, so geräuschlos.

      Der Bediente sah ihm mit einem leisen Verdrusse zu, fast als wenn es sich wieder nicht schicke, dass der fremde Kellner und nicht er den Tisch für seinen Herrn decke.

      Dem Herrn schien das leichte und gewandte Wesen des Kellners zu gefallen.

      »Haben Sie gedient?« redete er ihn an.

      In jener Zeit war jeder junge Mann im deutschen Lande Soldat gewesen; das Wort dienen hatte demnach seine so natürliche Beziehung. Vielleicht hatte auch der junge Mann in dem Äußern des älteren Herrn etwas bemerkt, das ihn die Frage in dessen Munde nur auf den Militärdienst beziehen ließ.

      »Zu Befehl!« antwortete er.

      »Auch die Feldzüge mitgemacht?«

      »Zu Befehl, beide.«

      »Unter den Hessen?«

      »Unter