DIVINE - BLICK INS FEUER. Cheryl Kaye Tardif. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Cheryl Kaye Tardif
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958350922
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Ihre Augen fanden wieder in das Gesicht des Mannes zurück. Seine Miene war dunkel und selbstgefällig. Für einen kurzen Moment hätte sie fast die Fassung verloren. Irgendetwas an diesem Mann war nervtötend attraktiv. Doch auf keinen Fall würde ihr Urteil davon getrübt werden. »Brandon Walsh, zu Ihren Diensten.« Mit ausdrucksloser Stimme unterbrach er ihren Gedankengang. »AI Chief Walsh, für Sie.« Jasi ignorierte seine ausgestreckte Hand und fühlte, wie ihre Wut langsam anschwoll, während seine Augen über Natassias hüfthohe Jeans und ihre enge Bluse schweiften. Männer! Als er sich umdrehte, um den Feuerwehrmännern einen Befehl zu geben, konnte Jasi ein Lachen nicht unterdrücken. Der Rücken von Walshs Jacke war abgenutzt. An manchen Stellen waren die Buchstaben von schwarzen Brandflecken überdeckt. Walsh, Chief of Ars In stig tions. »Arsch, allerdings«, flüsterte sie leise. Schroff drehte Walsh sich um und sein eisiger Blick durchbohrte sie. Dann runzelte er die Stirn und nickte abrupt zur Seite. »Hier entlang, Agent McLellan.« »Ist er nicht ein Prachtkerl?«, flüsterte Natassia ihr ins Ohr. »Schau dir mal an, wie groß seine Hände sind.« »Natassia!« Trotzdem musste Jasi zugeben, dass seine Hände gut gebaut waren – so wie alles andere an ihm auch. Neben ihr kicherte Natassia leise. »Du weißt, was man über große Hände sagt –« »Sch! Pass bloß auf, dass er dich nicht hört. Das steigt ihm noch zu Kopf.« Und der ist jetzt schon groß genug! Sie folgte Walsh zu einem Tisch im Schatten des Zelts. Er rückte einen Stuhl neben seinem zurecht und bot ihn ihr an. »Verraten Sie mir, warum Sie diese Maske tragen?« Jasi wandte den Blick nicht ab und entschied sich stattdessen für einen Stuhl gegenüber von Walsh. »Allergie.« Walsh musterte sie eine ganze Weile. »Als AI Chief wurde ich über Ihr… ähm besonderes Team informiert. Allerdings bekam ich nicht gerade viele Informationen.« »Was wissen Sie bisher über das Opfer?« »Bis jetzt haben wir nur ein paar der Berichte bekommen. Dr. Norman Washburn, Alter achtundfünfzig. Er ist das einzige Opfer. Das Feuer brach im Wohnzimmer aus, wo Washburn mit IV-Schläuchen an einen Sessel gefesselt war.« »Zeitpunkt des Todes?« »Geschätzter Todeszeitpunkt zwischen ein und zwei Uhr«, antwortete Walsh. »Wir vermuten, dass er an einer Rauchvergiftung starb. Sicher können wir das erst nach der Autopsie sagen.« »Gibt es Nachbarn? Hat irgendjemand etwas gesehen?« Walsh schüttelte den Kopf. »Die Hütten sind durch Bäume und Gebüsch voneinander getrennt. Er hatte keine direkten Nachbarn.« »Haben Sie herumgefragt?«, fragte sie ungeduldig. »Hören Sie«, konterte er. »Mir ist völlig bewusst, dass wir vom CFBI den Befehl haben, mit Ihrem Team zu kooperieren, aber ich persönlich denke, dass wir die Sache auch gut alleine hinbekommen. Und dieses ganze übernatürliche Zeug hat mich noch nie wirklich beeindruckt.« Sie hörte eine Spur von Verbitterung in seiner Stimme. Frustriert verkniff sich Jasi ihre Antwort. Sie hatte es satt, sich selbst verteidigen zu müssen – und ihr Team. Es passierte nicht zum ersten Mal, dass jemand die Fähigkeiten von PSIs infrage stellte. »Chief Walsh, wir haben zwei Brände, drei Mordopfer und nur wenige Hinweise. Wir sind hier, um die Ermittlungen zu unterstützen, nicht um sie zu behindern. Sie sind doch kein zu großer Macho, um jede Hilfe, die Ihnen angeboten wird, abzulehnen, oder?« Walsh lachte. »Macho? Na, hier haben wir mal einen altmodischen Begriff.« Jasi rückte ihre Oxy-Maske zurecht. Nur zu gern würde sie sie herunterreißen und dem Mann vor ihr an die Gurgel gehen. Seine Einstellung ging ihr auf die Nerven und beunruhigte sie. Walsh zeigte auf einen Qwazi-Laptop und tippte mit einem Eingabestift auf das Display. »Hier sind die Daten von der X-Disc. Setzen Sie sich und lesen Sie sich alles durch. Und ja, wir haben herumgefragt. Niemand hat irgendetwas gesehen. Ich werde mal nach dem anderen Agent sehen. Wo ist er eigentlich hin?« »Agent Roberts arbeitet gerade an einem ersten Profil und kümmert sich um den Transport zum Tatort«, meldete sich Natassia das erste Mal zu Wort. »Lade du die Daten hoch, Natassia«, entschied Jasi. »Ich werde mal nach Ben sehen.« Sie warf dem Chief einen warnenden Blick zu. »Ich verlasse mich auf Sie. Kommen Sie mir nicht in die Quere, Walsh.« Der Mann hob eine Augenbraue. »Ich habe nicht vor, Ihnen in die Quere zu kommen. Solange das gleiche auch für Sie gilt.« Sie biss die Zähne zusammen. »Glauben Sie mir, ich werde liebend gerne Abstand von Ihnen halten.« »Vielen Dank. Glaube ich. Und ich dachte schon, ich wäre unwiderstehlich.« Jasi schnaubte verärgert. Der Mann war unausstehlich. Je schneller sie den Fall hier abschließen konnte, desto schneller konnte sie Brandon Walsh loswerden. Walsh begleitete sie nach draußen und zog sich schnell eine dunkle Sonnenbrille an. »Brauchen Sie sonst noch etwas?«, fragte sie mit gepresster Stimme. »Ja. Welche Funktion hat Agent Prushenko?« »Sie ist eine Opfer-Empathin.« Er starrte sie ausdruckslos an, seine Lippen kräuselten sich ungläubig. »Sie nimmt Schwingungen auf – Bilder der Opfer«, erklärte sie. »Für gewöhnlich sieht sie deren letzte Momente.« »Ja, na klar.« Er lachte. Jasi packte Walsh am Arm, ihre Augen funkelten vor Wut. »Agent Prushenko besitzt empathische Fähigkeiten, ob Sie daran glauben oder nicht. Sie arbeitet seit acht Jahren als PSI, reist um die Welt und hat den Ruf, eine der besten Opfer-Empathinnen beim CFBI zu sein.« Am liebsten hätte sie ihm eine geknallt. Walsh grinste. »Was ist mit Ihnen?« »Ich arbeite seit fast sechs Jahren als PSI. Mehr brauchen Sie nicht zu wissen.« »Was machen Sie?« »Sie liest aus Feuern«, schaltete sich Natassia ein und steckte den Kopf durch das Zelt. Wortlos blitzte Jasi ihre Partnerin an. »Er muss es wissen, Jasi. Sonst ist er für nichts zu gebrauchen.« Brandon Walsh – für nichts zu gebrauchen? Jasi versteckte ein verschlagenes Grinsen. »Ich weiß normalerweise, wo und wie ein Feuer ausgebrochen ist. Manchmal fange ich die letzten Gedanken des Täters ein oder was er zuletzt gesehen hat.« »Sie ist eine Pyro-Empathin«, prahlte Natassia. »Jasi ist die Beste.« »Jasi?«, schmunzelte Walsh. »Für Sie immer noch Agent McLellan!«, blaffte Jasi. Für diesen Ausrutscher würde sie Natassia noch den Kopf waschen müssen. Ups, formte Natassia lautlos mit den Lippen und hob entschuldigend die Hände. »Zeit für Sie, zu gehen, Walsh«, sagte Jasi unverblümt. »Ich bin mir sicher, dass es für den Chief of Arson Investigations noch irgendwo etwas zu tun gibt. Vergessen Sie nur nicht, dass wir hier das Sagen haben.« Sie spürte Walshs warmen Atem an ihrem Ohr. »Das werden wir noch sehen.« Dann eilte er aus dem Zelt. »Bis später … Jasi.« Die Augen weiter auf seinen Rücken geheftet, fluchte Jasi laut. »Nicht, wenn es nach mir geht!«

       Brandon Walsh entfernte sich von dem Zelt und grübelte weiter über die Rolle der PSIs nach. In seinem Umgang mit den verschiedenen Polizeibehörden hatte er schon einmal von den Psychic Skills Investigators gehört, aber seine Fälle wurden nur selten vom CFBI bearbeitet. Oder vielmehr behindert, wie er fand.

       Als Leiter der Behörde für Brandursachenermittlung – Arson Investigations – war er gezwungen, das CFBI bei sämtlichen Ermittlungen gegen Serienbrandstifter zu unterstützen. Und das passte ihm im Grunde gar nicht. Überhaupt nicht.

       Er würde Agent Jasi McLellan noch zeigen, wer hier der Chef war. Schließlich war es ja wohl sein Verdienst, dass der Brandstifter der Okanagan Mountain-Waldbrände geschnappt worden war. Er hatte das Team von Brandermittlern geleitet, das den Brandstifter aufgespürt hatte und den Brandbeschleuniger nachweisen konnte.

       Die Presse hatte das Inferno, das einen so wertvollen Teil von British Columbias Wäldern zerstört hatte, auf ein unbeaufsichtigtes Lagerfeuer geschoben. Eine Woche später ging das Gerücht um, dass eine Zigarette den Großbrand verursacht hatte. Das war noch vor dem öffentlichen Rauchverbot – als man sich noch außerhalb der eigenen vier Wände oder ausgiebig gelüfteten Raucherzimmern eine Zigarette anzünden durfte.

       Brandon hatte nie daran geglaubt, dass der Brand einer Zigarette zuzuschreiben war. Eigenhändig hatte er mehrere Kilometer des zerstörten Waldes auf der Suche nach einem Hinweis durchkämmt. Er hatte sich durch das verbrannte Gebiet gekämpft, bis er tief im Wald auf eine verlassene Hütte gestoßen war.

       Dort hatte er Rückstände von flüssigem Methylat und Cymol gefunden, beides leicht entflammbare Chemikalien, die für die illegale Herstellung von Z-Lyte genutzt wurden. Z-Lyte hatte einen süßlichen Moschusduft und galt als beliebter Newcomer unter den halluzinogenen Drogen.

       Als offizieller Eigentümer der Hütte war Edwin Bruchmann verzeichnet. Eine Stunde später saß Bruchmann in Untersuchungshaft. Als der alte Mann von seinem Pfleger in einen Verhörraum begleitet wurde, hatte Brandon enttäuscht feststellen müssen, dass Bruchmann an Alzheimer litt.

       Brandons Spuren hatten sich fast schon in Luft aufgelöst – bis er den Pfleger genauer unter die Lupe nahm. Gregory Lawrence,