DIVINE - BLICK INS FEUER. Cheryl Kaye Tardif. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Cheryl Kaye Tardif
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958350922
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McLellan. Dieselbe Marke, die bei einem Brand in Victoria letzten Monat gefunden wurde.«

       Sie warteten, bis Ben und Natassia alle Sicherheitsüberprüfungen durchlaufen hatten, und zwängten sich dann zu viert in einen Aufzug. Als sich die Aufzugtüren öffneten, informierte sie eine Computerstimme, dass sie sich jetzt auf dem PSI-Stockwerk befanden, wo sich ein umfangreiches Labyrinth aus Gängen und Arbeitsinseln in dezentem Violett vor ihnen erstreckte.

       »Alles Gute, Agent McLellan«, begrüßte sie ein Kollege.

       Jasi stieß Ben in die Seite, und zwar kräftig.

       Sie schlängelten sich durch ein Labyrinth aus Gängen, vorbei an Agents und Technikern, die gänzlich in ihre Arbeit vertieft waren. Über den besetzten Arbeitsplätzen brannte künstliches Licht; leere Schreibtische lagen in völliger Dunkelheit.

       An den Wänden hingen abstrakte Gemälde – ein Versuch, das Höhlenflair hier unten etwas wohnlicher zu gestalten. Auf einem Bild war ein Fenster zu sehen, das sich zu einem Garten hin öffnete. Das Foto daneben zeigte ein Labyrinth aus Holz, in dem sich zwei Ratten verirrt hatten.

       Wir sind doch alle nur ein Haufen Laborratten, dachte Jasi. Wir leben unter der Erde und rennen jeden Tag durch dieses irrsinnige Labyrinth.

       Ein Teil von ihr trauerte ihrem Urlaub hinterher. Andererseits waren zwei Wochen künstlicher Normalität in ihrem leeren Apartment in North Vancouver so ziemlich das Höchste, was sie sich selbst abverlangen konnte. Nicht mal ihre Pflanzen hatten es mit ihr ausgehalten. Der letzte Efeu war einen langsamen, grausamen Tod gestorben; die vertrocknete Erde hatte schon lange kein Wasser mehr gesehen. »Warum haben wir von dem Brand in Victoria nicht schon vor einem Monat erfahren?«, erkundigte sie sich bei Divine. »Die Polizeibehörde in Victoria ging von einem Einzelfall aus, deswegen hat es uns bisher nicht beschäftigt. Bis es heute Morgen zu dem Feuer in der Nähe von Kelowna kam. Das letzte Opfer ist Dr. Norman Washburn. Er war der Chef der Chirurgie im Kelowna General Hospital. Er ist auch der Vater von Ministerpräsident Allan Baker.« Daher wehte also der Wind. Divine führte sie in das Command Office. Sie nahmen um den Konferenztisch Platz, während Jasi bereits den braunen Umschlag öffnete und aus einem Stapel Bilder eine Aufnahme herauszog. Ein blonder Mann blickte selbstbewusst in die Kamera. Premier Allan Baker. Allan Baker war der bislang jüngste Ministerpräsident einer kanadischen Provinz. Er war zweiunddreißig und galt als Vorbild für viele junge Politiker. Baker war einer der vielversprechendsten Kandidaten für das Amt des kanadischen Premierministers. Sie reichte Ben das Foto und sah sich das Bild einer Überwachungskamera aus dem letzten Jahr genauer an, auf dem der Ministerpräsident von British Columbia und Dr. Washburn sich offenbar heftig stritten. Jasi erinnerte sich an die heiklen Schlagzeilen von damals, als herauskam, dass Bakers Mutter von einem prominenten, verheirateten Doktor geschwängert worden war. Der Skandal hatte Baker fast seine Karriere gekostet. Washburn hatte es seine Ehe gekostet.

      Divine legte einen Schalter um, der vor ihm in den Tisch eingelassen war. Die Eichenholztäfelung vor ihnen öffnete sich langsam und ließ eine große Vid-Wall zum Vorschein kommen. Er drückte auf die Fernbedienung und die Aufnahme eines Sees erschien vor Ihnen.

       »Dr. Washburns Überreste wurden heute Morgen in der Nähe des Loon Lake gefunden. Loon Lake liegt weniger als eine Stunde außerhalb von Kelowna.«

       Er zoomte näher heran, um ihnen die schwelenden Überreste einer Hütte zu zeigen, die früher jemandem als Ferienhaus gedient hatte.

       »Wer hat das Feuer gemeldet?«, fragte Jasi.

       »Der Notruf ging kurz nach vier Uhr heute Morgen durch einen anonymen Anrufer ein, um den Brand einer Ferienhütte nahe des Sees zu melden. Die Feuerwehr rückte sofort aus, zehn Minuten später war die Polizei von Kelowna vor Ort und sicherte den Tatort.«

       Jasi sah Divine eindringlich an. »Wie sicher?«

       Divine wechselte zu einer Luftaufnahme, auf der neongelbe Signallichter zu sehen waren, die den Tatort umgaben.

       »Die Polizeibehörde garantiert uns, dass der Tatort in keiner Weise kontaminiert worden ist – abgesehen von den Löscharbeiten, versteht sich. Als die Feuerwehr eintraf, hatte sich der Brand fast schon gelegt.«

       Ben räusperte sich lautstark. »Das haben wir ja schon öfter gehört. Woher wussten die, dass in dem Haus eine Leiche liegt?«

       »Die Polizei hat eine X-Disc verwendet«, erklärte Divine. »Wie Sie alle wissen, haben nur wenige Behörden außerhalb von Vancouver und anderen großen Städten Zugriff auf X-Discs. Und die PSI-Einheit ist die einzige, die mit der Pro-Version arbeitet. Kelowna besitzt einen der ersten Prototypen.«

       »Wann ist der ungefähre Todeszeitpunkt?«, fragte Ben.

       »Zeitpunkt des Todes etwa zwischen ein und zwei Uhr gestern Nacht.«

       Als nächstes zeigte Divine ihnen ein schwarzweißes Foto von Dr. Washburn. Der Mann posierte auf dem Mitarbeiterfoto für das Krankenhaus als wäre es eine schmerzhafte Erfahrung für ihn. Mit hochgezogenen Augenbrauen blickte er finster in die Kamera. Sein dünnes weißes Haar sah drahtig und störrisch aus.

       Genau wie der Mann selbst, dachte Jasi.

       Sie hatte Dr. Washburn vor einigen Jahren auf einem Symposium zum Thema Kinderheilkunde kennengelernt. Der Mann hatte keinen guten Eindruck bei ihr hinterlassen. Etwas an ihm konnte sie nicht leiden, wenn sie auch nicht genau wusste, was es war.

       Divine wandte sich an Natassia. »Die Forensiker haben Washburn anhand von Gebissabdrücken eindeutig identifiziert. Ich möchte, dass Sie sich den Fall genau ansehen, Agent Prushenko.«

       Jasi sah, wie Natassia zustimmend nickte.

       »Wir benötigen sämtliche Informationen über das Opfer. Sein Leben, seine Karriere – alles«, sagte Divine.

       Jasi rieb sich das Kinn. »Wenn das schon das zweite Feuer des Brandstifters war, wo liegt dann die Verbindung zwischen den Opfern? Was wissen Sie über den Fall in Victoria?«

       Divines Datakom klingelte plötzlich.

       Er warf einen kurzen Blick auf das Display und schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Agent McLellan. Ich habe in einer halben Stunde ein Meeting mit dem Ministerpräsidenten. Sie müssen sich diese Informationen selbst auf Ihren Datakom herunterladen.« Auf dem Weg zur Tür blieb er kurz stehen. »Je früher Sie Ihre Ausrüstung zusammenhaben, desto schneller sind Sie mit Ihrem Team einsatzbereit. Ich möchte, dass Sie sich unverzüglich auf den Weg zum Tatort in Kelowna machen. Allan Baker wird Antworten wollen – und zwar sehr bald.« Divine sah sie fest an. »Beschaffen Sie mir diese Antworten.«

       Dann verließ er den Raum.

       Jasi schloss ihren Datakom am Ops Hauptrechner an und las die Akte schon einmal laut durch, während der Computer die Datei vollständig herunterlud. »Fall H081A. Zwei Opfer. Charlotte Foreman, dreiundsechzig, und Samantha Davis… vier Jahre alt.«

       Das arme Kind. Mit belegter Stimme las sie weiter. »Zeitpunkt des Todes von Charlotte Foreman ist 21:05 Uhr. Sie wurde im Krankenhaus für tot erklärt. Das Kind starb kurz vorher. Rauchvergiftung.« »Wer hat angerufen?«, fragte Ben. »Ein Nachbar. Als die Feuerwehr eintraf, hatte der Regen den Brand bereits weitgehend gelöscht. Die Spuren führten für die Polizei in Victoria allesamt ins Leere. Die Ermittlungen wurden eingestellt. Bis jetzt.« Ihre Augen funkelten entschlossen. »Wir sind also für beide Fälle zuständig, jetzt, da es sich um einen Serienbrandstifter handelt.«

       In der nächsten halben Stunde sichtete Jasi die Beweise, inklusive der Aussagen der Brandermittler und der forensischen Berichte zu den beiden Leichen aus Victoria. Viel gab es dazu nicht. Zu dem Van einer Kabelfirma war noch genauer ermittelt worden, doch abgesehen davon hatte niemand in der Nachbarschaft irgendetwas auch nur ansatzweise Verdächtiges gesehen.

       »Fangen wir bei Washburn an und arbeiten uns von dort zurück«, schlug Ben vor. »Jasi, ich rufe schon mal in Kelowna an, damit alles für dich bereitsteht.«

       Er verschwand den Flur hinunter.

       In der Zwischenzeit überflog Natassia die Fotos zu dem Washburn-Mord.

       »Hast du etwas entdeckt?«, fragte Jasi und stellte sich neben die