DIVINE - BLICK INS FEUER. Cheryl Kaye Tardif. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Cheryl Kaye Tardif
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958350922
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»Wann war Mr. Bruchmann zum letzten Mal an seiner Hütte am See?«, hatte Brandon den Pfleger gefragt.

       Über Lawrences Gesicht war ein Hauch von Verwirrung gehuscht. Dann hatte er, ohne darüber nachzudenken, herausposaunt: »Ihr Idioten! Edwin Bruchmanns Hütte liegt nicht an einem See! Na also! Ich hab Ihnen doch gesagt, dass Sie den Falschen haben. Mr. Bruchmanns Hütte liegt mit Blick aufs Tal.«

       Da hatte Brandon lächeln müssen. »Ich dachte, Sie wüssten nichts über die Hütte?«

       »Ich, ähm …«, stotterte der Pfleger. »Na ja, ich h-hab vielleicht einmal was darüber gehört. Aber das beweist noch gar nichts!«

       Ein Klopfen an der Tür unterbrach das Verhör und ein Detective reichte Brandon ein toxikologisches Gutachten.

       »Das vielleicht nicht«, stimmte Brandon zu. »Aber das hier schon.«

       Er hatte zuvor den süßlichen Körperduft bemerkt, den der Pfleger verströmte und der typisch war für Z-Lyte-Konsumenten. Auf diesen Verdacht hin, hatte er Lawrence eine Cola angeboten. Die leere Dose hatte Brandon in eine Plastiktüte gepackt und zur Analyse ins Labor geschickt.

       Die Tests hatten Spuren von Z-Lyte nachgewiesen.

       Der Fall wurde sofort abgeschlossen, Gregory Lawrence weggesperrt, Bruchmann in ein Pflegeheim verlegt und Brandon zum AI Chief befördert.

       All das hatte er ganz alleine erreicht.

       Vor allem ganz ohne irgendwelche PSIs!

       Dieser Fall war genau das gleiche, beschloss Brandon. Was sollte Agent Jasi McLellan schon groß ausrichten?

       Übernatürlichen Psycho-Hokuspokus?

       Darüber musste er plötzlich lachen und seine Sonnenbrille zurechtrücken.

       Die Frau glaubte doch nicht ernsthaft, er würde ihr abnehmen, dass sie die Gedanken eines Killers lesen könnte?

       Das glaube ich erst, wenn ich es sehe.

      Kapitel 4

      Jasi schäumte vor Wut, während sie auf Natassia wartete.

       »Ich hab alle relevanten Infos von Walshs Laptop hochgeladen«, grinste ihre Partnerin. »Und zur Sicherheit noch ein paar zusätzliche Dateien.«

       »Ich will davon gar nichts hören, Agent Prushenko«, schimpfte Jasi, beide Hände auf ihren Ohren. »Du solltest es besser wissen, als dich illegal in den Computer eines anderen Ermittlers zu hacken.«

       Auch wenn er ein Arsch ist! »Hacken?« Natassia musste grinsen. »Hey! Chief Walsh hat mir die Erlaubnis erteilt, die Daten herunterzuladen. Ist ja nicht mein Fehler, wenn sich da ein paar zusätzliche Dateien auf meinen Datakom mogeln. Ist ja nicht so, als würde er das bemerken.« Jasi seufzte. Eines Tages würde sich ihre Freundin an den Daten der falschen Person vergreifen. Und dann würde die Hölle losbrechen. Ein dunkelgrüner Van kam neben ihnen zum Stehen. Ben saß am Steuer. »Der Rechtsmediziner hat die Leiche schon wegbringen lassen«, erzählte er, während die beiden einstiegen. »Natassia wird ihre Lesestunde auf später verschieben müssen.« Jasi saß vorne und linste vorsichtig auf dem Fenster zum Zelt. Brandon Walsh stand gegen einen Holzpfosten gelehnt, seine Beine waren an den Füßen verschränkt. Sein abwesender Blick wirkte ehrlich nachdenklich und traf sie unvorbereitet. Mit ein bisschen Glück brechen die Pfosten vielleicht zusammen und schlagen ihn bewusstlos.

      Als sie sich dem Tatort näherten, machte sich Jasi bereit. Die ungeteerte Straße war voller Schlamm und Pfützen. Der Van schlingerte durch Schlaglöcher und kam immer wieder plötzlich zum Stehen, um unebene Stellen vorsichtig zu umfahren. Sie fuhren einen schmalen Weg entlang in dichtes Unterholz. Das Auto war umgeben von Fichten und Zedern, lange Äste kratzten unnachgiebig am Lack. Ben folgte der Straße vorsichtig und unter lautem Fluchen, immer wenn die Räder durchdrehten. »Das hier ist das Schlimmste. Da vorne kommt schon wieder Gras.« Und tatsächlich mündete der morastige Weg in eine offene Lichtung. Der Boden wurde fester und sie parkten einige Meter entfernt von der ehemals rustikalen Sommerhütte. Jasi stieg aus dem Wagen und musterte die Umgebung. Die Leere traf sie direkt, überfiel ihre Sinne. Die Gegend war bar jeglichen Lebens – abgesehen von ihrem PSI-Team. An einer Seite lagen verkohltes Holz und klumpiger schwarzer Schlamm auf einem Betonfundament. Washburns Hütte. Im Abstand von fünf Metern waren Signallampen aufgestellt worden. Die Lampen strahlten eine zwei Meter hohe Lichtwand aus, die den Bereich absicherte. Sobald jemand den Lichtstrahl passierte, wurde automatisch ein Alarm ausgelöst, der dann ein GPS-Signal mit dem Standort und der Identität des Eindringlings sendete. Jasi trat näher an die Hütte heran und untersuchte den Schaden. »Okay, in diesem Sinne: Knack und Back.« Das war ihr Ritual – etwas, das sie immer sagte, bevor sie einen Tatort betrat. »Natassia, du kümmerst dich um die Daten. Vergiss nicht: Ich will nichts von den Ergebnissen der X-Disc hören. Je weniger ich weiß, desto besser.« Jasi wandte sich an Ben. »Während wir innen sind, kannst du die X-Disc Pro reinschicken. Vielleicht haben wir ja Glück – Fingerabdrücke, Faserrückstände. Im Moment würde uns wirklich jede noch so mickrige Spur weiterhelfen. Wir brauchen was, irgendwas.« Natassia holte ihren Datakom heraus und stellte ihn auf automatische Sprachaufnahme ein. Auf einen kurzen Sprachbefehl hin würde der Datakom jedes Wort festhalten. Jasi öffnete ihren Rucksack und griff nach dem OxyBlast. »Nur noch einen Moment.« Sie zog die Maske aus und nahm ein paar tiefe Züge Sauerstoff. Dann schnappte sie sich die Klammer aus ihrer Tasche und steckte sie sich auf die Nase. Nachdem sie die Maske mit einem Band seitlich an ihrer Jacke befestigt hatte, steckte sie das OxyBlast ein. Ben zupfte Natassia am Ärmel. »Sie kann die Maske nicht benutzen, wenn sie liest, also –« »Ich weiß«, unterbrach ihn Natassia. »Pass auf sie auf.« »Hört auf so zu reden, als wär ich nicht da«, stöhnte Jasi. »Ich bin nicht taub, wisst ihr. Und ich brauche keine Babysitter. Komm schon, Natassia.« Als sie sich dem Rand des Tatorts näherten, tippte Jasi den Code in die zentrale Lampe ein, um den Alarm zu deaktivieren. Die verkohlten Ruinen der Hütte lockten sie zu sich. Asche tanzte in der Luft und sie lief behutsam weiter, als wollte sie die Vorstellung nicht stören. Der Qualm aus dem gelöschten Feuer waberte ihr entgegen. Sie konnte den beißend bitteren Geschmack wahrnehmen. Ein Mann ist hier gestorben, dachte sie. Bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. »Sprachaufnahme an!«, befahl Natassia. Jasi schloss die Augen. Sie musste den Kopf freikriegen. Sie stand am Rand des Tatorts und hatte die Arme über dem Kopf ausgestreckt. Sie versuchte sich zu entspannen, indem sie die Hände langsam zur Seite wandern ließ. Konzentriere dich. Tief einatmen … und ausatmen. Der Wind bäumte sich auf. Sie konnte Vögel in der Ferne zwitschern hören. Atme. Der Rauch legte sich auf ihre Haut und wirbelte um ihren Körper. Er drang in ihren Mund, überfiel ihre Sinne. Vor ihrem inneren Auge sah sie Washburns Hütte. Sie sah den Ort, wie er einst war. Rauch stieg aus dem Schornstein, die Vorhänge bewegten sich im Wind. Ein Körper an einen Sessel gefesselt, bewegungslos. Jasi ging einen Schritt weiter, einen Schritt näher. Die Dunkelheit zog sie hinein, tiefer …

       Der Mann fluchte leise. Seine Angel war schon wieder verschwunden. Vielleicht wurde er einfach langsam zu alt.

       Vielleicht hatte er inzwischen schon Alzheimer.

       »Verdammter Mist! Wo hab ich sie nur wieder hingelegt?«

       Ich beobachtete ihn vom Gebüsch aus und amüsierte mich köstlich über die völlige Unachtsamkeit des alten Doktors. Er war leichte Beute. Ich wickelte den IV-Schlauch um meine Hand und bewunderte, wie robust er war. Ich sah, dass der alte Mann die Angelrute entdeckte, die ich gegen das Geländer gelehnt hatte. Ich schlich mich näher an ihn heran und verschwand hinter einer Art Trennwand, die einen Teil der Terrasse abschirmte.

       Dann hielt ich den Atem an.

       Dr. Washburn, mit seinen schneeweißen Haaren und seinem Dickwanst, stelzte durch die Tür auf die Terrasse.

       Das Schicksal hatte ihn zu mir gebracht.

       Ich zog mir eine schwarze Skimütze über mein Gesicht. Dann schlich ich mich von hinten an ihn heran, griff über seinen nach unten gebeugten Kopf und legte ihm den Schlauch um den Hals. Ich konnte spüren, wie er sich unter meinen Händen wand und krümmte.

       »Lassen Sie es einfach geschehen, Doktor«, flüsterte ich ihm ins