Morde zwischen Rhein und Themse. Rita M. Janaczek. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rita M. Janaczek
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783959591270
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      Sie taxierte ihn eine Weile, nahm einen Schluck Wein. „Das ist nicht der Grund.“

      „Sie haben Recht.“

      „Und?“

      „Bei mir waren es zumindest keine fiesen dicken Jungs. Es gab ein paar andere Dinge, die mir das Leben schwer gemacht haben. Ich hab geglaubt, ich würde besser damit klar kommen, wenn ich alles aus einer anderen Perspektive betrachten würde. Das war vermutlich der Grund. Inzwischen ist es allerdings eher das, was ich als erstes sagte. Es ist wirklich spannend.“

      „Also typisch Psychologe. Der Versuch sich selbst zu therapieren.“

      „Wenn Sie es unbedingt so sehen wollen…“

      „Verraten Sie mir, was es war?“

      Er zog die Augenbrauen hoch.

      „Sie wollen es mir nicht sagen?“

      „Stimmt“, antwortete er kurz.

      „Warum arbeiten Sie ausgerechnet an einem Forschungsinstitut? Sie hätten doch genauso gut eine therapeutische Praxis aufmachen können, durchgeknallte Typen gibt es ja schließlich wie Sand am Meer. ... ’Tschuldigung, aber Sie wissen sicher, wie ich das meine.“

      „Ich hatte nie vor, Behandlung anzubieten, von daher passt das, was ich jetzt mache, gut in meine Vorstellungen.“

       „Und warum nicht?“

      Er nahm einen Schluck Wein, stellte das Glas wieder hin und sah sie an. „Warum ich nicht therapeutisch tätig bin? Weil ich mit mir selbst nicht im Reinen bin. Es wäre nicht gut für die Klientel.“

      Sei nicht so neugierig, halt jetzt einfach mal deine Klappe, Evans. Du musst dich nicht wundern, wenn er demnächst einen großen Bogen um dich macht, wenn du ihn schon jetzt derart in die Enge treibst.

      Es regnete noch immer zaghaft auf London herab, als Daniel Fleming Beverly vor ihrem Wohnblock absetzte. Es war fast Mitternacht. „Soll ich Sie morgen früh abholen oder wollen Sie sich lieber in aller Herrgottsfrühe in einem Bus zerquetschen lassen?“, fragte er mit einem Zwinkern.

      „Ich warte hier auf Sie“, antwortete sie ernst. Sie sah seinem Wagen eine Weile nach. Dann blickte sie in den Himmel, spürte den kalten Nieselregen, der sich auf ihrer Haut niederließ. Langsam ging sie hinein, die Treppenstufen hinauf und schloss mit hämmerndem Herzen die Wohnungstür. Mensch, Beverly, das könnte tatsächlich was werden, ... obwohl seine Meinung über Sands, nach ihrem Geschmack, noch leicht korrigiert werden musste.

      Dienstag, 12. März

      Beverly stieg aus dem Wagen. Fleming sollte sich auf Whitefields Anweisung hin ein Bild vom Tatort Sheila Moreno machen. In zwanzig Minuten würde er sich mit einem Polizisten bei Sheilas Haus treffen.

      „Danke fürs Mitnehmen.“ Sie griff ihre Tasche und wollte die Autotür zuschlagen, sie zögerte. Einen Augenblick lang trafen sich ihre Blicke. „Was gibt’s denn?“, fragte sie unwillkürlich.

      „Wie wäre es, wenn Sie die Werkstatt heute noch nicht anrufen? Ich könnte Sie nach Dienstschluss wieder nach Hause fahren.“

      „Ich werd’s mir überlegen.“

       Er zog die Augenbrauen hoch. „War das jetzt ein eindeutiges vielleicht?“

      Sie nickte. „Bis später.“

      Beverly schaute dem Wagen nach. Es hatte sie definitiv schwer erwischt. Aber es wunderte sie, dass sie dieses Gefühl tatsächlich genoss. Denn es gab da ein kleines Problem. Sie war sich nicht sicher, was er wollte. Unter keinen Umständen wollte Beverly wieder als Nebenbuhlerin im Bett eines gebundenen Mannes landen. Sie hatte auch keine Lust mehr auf kleine Abenteuer und kurze Affären, die zu nichts führten. Vielleicht sah Fleming sie nur als nette kleine Abwechslung, als Bonbon, das ihm die Arbeit hier im Yard versüßen würde. Sie durfte sich nicht verschätzen. Sie musste vorsichtig sein. Sie spürte, dass die Wunde, die Edward in ihre Seele gerissen hatte, nicht nur, weil er starb, sondern weil sie sich benutzt gefühlt hatte, noch nicht verheilt war. Auch die unerwiderten Gefühle Sands gegenüber schlummerten schon eine Ewigkeit wie nicht heilen wollende Risse in ihr. Beverly wollte sich nicht noch mehr zumuten.

      Aber sie wünschte sich jemanden, der ihre verletzte Seele streichelte, der mit ihr lachte, der sie liebte und mit ihr schlief. Ob Fleming mehr als das letztere wollte, war wohl mehr als ungewiss.

      „Chief Superintendent O’Brian rückt uns auf die Pelle, er macht mächtig Druck. Er wartet auf Ergebnisse. Die Sache mit den Annoncen ist zu aufwendig. Verdammt, es geht nicht voran.“ Whitefield schnaufte, sein rechtes Augenlid zuckte nervös. „Vorschläge!“ Der Tonfall war schroff, seine rechte Hand ballte sich, als wolle er auf den Tisch schlagen. In dieser Atmosphäre würde Beverly nicht noch einmal auf Coventry zurückkommen.

      „Ich glaube, dass es notwendig ist, in Coventry vor Ort zu ermitteln, um die Spur von Timothy St. Williams wieder aufzunehmen“, bemerkte Sands, und Beverly sah ihn mit einem erstaunten Lächeln an. „Es ist denkbar, dass Maggie Hunter Nachbarn oder Freunde hatte, die ihn kannten, auch wenn er dort offiziell nicht gemeldet war. Wir sollten diese Möglichkeit zumindest ins Auge fassen.“

      Der Superintendent sah Beverly scharf von der Seite an, es war der abstrafende Blick des Vorgesetzten, der in seinen Augen lag.

      „Ich hab nichts damit zu tun.“

      Sie hob die Hände, so, als wolle sie nicht erschossen werden und sah amüsiert Harolds irritierten Blick.

      „Evans hatte gestern den gleichen Vorschlag“, warf Whitefield erklärend ein. Ein Hauch von Erheiterung huschte plötzlich über sein Gesicht. Er stapelte einige lose Zettel, brummte dabei unverständlich vor sich hin und blickte dann auf. „Also fahren Sie in Gottes Namen nach Coventry. ... Aber kommen Sie nicht mit leeren Händen zurück.“

      Miller versperrte Beverly im Korridor den Weg. „Das habt ihr ja mal wieder geschickt eingefädelt, du und Sands, eine nette kleine Dienstreise. Whitefield, dieser Idiot, fällt auch auf jeden Schwachsinn rein. Sands muss ja ganz schön Respekt vor seiner Alten haben, wenn er mit dir bis nach Coventry fährt, nur um dich flachzulegen.“ Er wartete auf eine Reaktion, doch Beverly schaute ihn betont gleichgültig an. „Weiß er eigentlich, dass Fleming dich gestern schon vorgewärmt hat?“, grinste er.

      „Ich kann es nicht mehr hören, Miller. Kümmere dich doch einfach um deinen eigenen Kram.“ Sie blickte zum Kopfende des Flurs, wo Sands, Stanton und Henderson noch mit Whitefield vor seiner Bürotür standen.

      „Treffer versenkt, Evans. Er wird sicher begeistert sein, wenn er hört, in welchem Bett du dich gestern vergnügt hast. Die Suppe versalz ich dir.“ Er drehte sich um und lief auf die Gruppe zu, während Whitefield in seinem Büro verschwand.

      Es dauerte keine Minute, bis Hank ihr wieder entgegenkam. Ohne ein weiteres Wort ging er an ihr vorbei; seine Miene verriet ihr, dass er anscheinend nicht den gewünschten Erfolg gehabt hatte.

      Beverly saß entspannt neben Sands im Wagen. Sie hatten London hinter sich gelassen und fuhren über die M1 in Richtung Northampton. Besser hatte sie es eigentlich nicht treffen können. Vermutlich würde Fleming enttäuscht sein, wenn er mitbekam, dass sie nach Coventry unterwegs war. Insgeheim wünschte sie sich, er würde eifersüchtig sein, wenn er hörte, mit wem sie dorthin fuhr. Hank würde sicher dafür sorgen, dass er es brühwarm erfuhr. „Was hat Miller eigentlich von dir gewollt, Harold?“

      Er seufzte. „Die üblichen geistlosen Sprüche über dich und unsere angebliche Affäre.“

      „Was hat er gesagt?“

      „Mm.“

      „Ich will das jetzt wissen, Harold!“

      „Er wäre um meine Gesundheit besorgt.“

      „Er