Morde zwischen Rhein und Themse. Rita M. Janaczek. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rita M. Janaczek
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783959591270
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sie musste sich zurückhalten. Wenn sie Whitefield jetzt noch jemand anderen auf den Hals schickte, war er wahrscheinlich restlos sauer. Sie würde warten. Sie würde die Gunst der Stunde abpassen, und sie war sich sicher, dass sie schon bald Gelegenheit dazu haben würde.

      Das verdammte Auto! Und niemand mehr da, der dich nach Hause fahren kann. Sands Büro war bereits abgeschlossen, Henderson und Stanton waren weg. Miller? Um Gottes Willen. Also doch der Bus oder die U-Bahn. Seufzend fuhr sie mit dem Aufzug in die Tiefgarage. Ein letzter Versuch mit dem Auto? Sie kramte ihre Sachen aus dem Wagen, warf sich den Mantel über. Riskier es besser nicht, sagte ihr Verstand, also schloss sie den Wagen ab und verließ das Gebäude. Es nieselte, es war windig und kalt. Sie begann auf der Stelle zu frieren, als sie einen Augenblick lang unschlüssig an der Straße stand. Du hättest zwischendurch mal was essen müssen.

      „Hey, Evans, ist dir dein Wagen verreckt?“, Miller hielt neben ihr, grinste in seiner gewohnt frechen Art, während er die Scheibe herunterkurbelte, und sah jetzt im kalten Licht der Straßenlaterne nicht viel besser aus als am Morgen.

      „Ich warte nur auf jemanden“, log sie.

      „Sands ist schon weg, ... Pech, Evans.“ Er spielte mit dem Gas, drehte die Scheibe wieder hoch und fuhr los. Keine zehn Sekunden später hielt der nächste Wagen.

      „Kann ich Ihnen helfen Miss Evans?“

      Sie fuhr herum. „Ach Sie sind’s Fleming. Ja, mein Wagen gibt kein Lebenszeichen mehr von sich.“ Sie blickte kurz in seine Augen, dann auf seinen Wagen. Wieder so ein Typ mit einem schicken, schnellen Zweisitzer. Bist du nicht schon mal auf so was hereingefallen, Beverly?

      „Soll ich Sie nach Hause fahren?“

      „Wenn es Ihnen nichts ausmacht. Ich hasse es, in überfüllten Bussen zerquetscht zu werden oder im U-Bahnschacht verloren zu gehen.“

      „Das kann ich verstehen, ... das kann ich sogar sehr gut verstehen.“ „Eigentlich steige ich nicht in solche Autos.“ Sie gab ihrer Stimme einen vorsichtigen Ausdruck.

      „Darf man fragen warum?“

      „Weil die Fahrer meistens Weiberhelden sind.“

      Er lachte, lehnte sich über den Sitz und hielt ihr die Beifahrertür auf. „Ich werde Sie nicht zwingen. Legen Sie den Schwerpunkt doch einfach auf meistens und steigen Sie ein.“

      Der silberne Wagen fädelte sich in den fließenden Verkehr ein, Beverly lehnte sich zurück. „Ich hatte schon die ganze letzte Woche in der Werkstatt anrufen wollen, aber irgendwie bin ich nie dazu gekommen. Ich hatte einfach keine Zeit. Ich hab’s jedes Mal vergessen.“ Sie blickte auf die Straße und sah Millers Wagen im gelb markierten Halteverbot vor einem kleinen Tabakladen stehen. Er kaufte mit Sicherheit gerade diese widerlichen Zigarillos, mit denen er allen ständig das Hirn vernebelte. Vor der nächsten Ampel staute sich der Verkehr. Beverly sah im Seitenspiegel, wie Miller von hinten aufschloss. Dann scherte er aus und drängte sich neben Flemings Wagen. Mit einem dümmlichen Ausdruck stierte er zu ihnen herüber. Der arrogante Psychologe in einem Roadster und neben sich Evans. Da hat er doch wieder Gesprächsstoff! Fleming warf einen Blick zurück, zog vielsagend eine Augenbraue hoch. Miller wandte sich ab und schoss mit quietschenden Reifen hinter der Autoschlange her, die sich wieder in Bewegung gesetzt hatte.

      „Unangenehmer Typ, dieser Miller ... schwer einzuschätzen.“

      Beverly grinste. „Rechnen Sie immer mit dem Schlimmsten, dann sind Sie gegen seine Attacken gut gerüstet.“

      Er lächelte. „Und was empfehlen Sie mir gegen Sands Attacken?“

      Sie stöhnte demonstrativ auf. „Nehmen Sie das bloß nicht persönlich. Außerdem hatte er recht!“

      „Das sehe ich anders. Sands hat sich auf diesen Harwood eingeschossen, und das ist sein Problem.“

      Sie musterte Daniel Fleming verstohlen von der Seite, während sie antwortete. „Er hält sich beide Optionen offen, das ist beim jetzigen Stand der Ermittlungen auch vernünftig. Sie haben sich festgelegt, nicht er.“ Sie fuhren an Miller vorbei, der eingekeilt auf der anderen Spur stand und nicht weiterkam.

      „Sie sind nicht irgendwie ein bisschen voreingenommen?“

      „Genau das bin ich“, betonte Beverly. „Ich kenne Sands seit vier Jahren, und wenn es jemanden gibt, der bei den Ermittlungen Weitblick beweist, dann ist er das.“

      Fleming warf ihr einen kurzen Blick zu. Sein Kommentar zu ihrer Aussage war kurz: „Aha.“

      Beverly verschränkte wütend die Arme. „Was soll denn das jetzt heißen?“

      „Sie scheinen, was Sands angeht, nicht besonders kritikfähig zu sein.“

      Sie sog die Luft hörbar durch die Nase. „Und Sie könnten eine Menge von ihm lernen, wenn Sie nicht so halsstarrig wären.“

      Miller tauchte hupend neben ihnen auf, zog an dem Roadster vorbei, machte einen scharfen Schwenk auf ihre Spur und trat voll auf die Bremse. Beverly sah, vom Nieselregen verschwommen, die Bremslichter aufblinken, binnen Bruchteilen von Sekunden wurde sie vom Gurt gehalten, während Fleming den Wagen nur um Haaresbreite zum Halten brachte. Hank Miller drehte sich triumphierend zu ihnen um, die Ampel beleuchtete ihn mit einem roten Heiligenschein.

      „Und so was ist bei der Kripo“, brachte Fleming mit betretenem Blick hervor.

      „Sagen Sie nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt. Rechnen Sie immer mit dem Schlimmsten.“

      „Das werde ich ab jetzt.“ Er warf ihr ein Lächeln zu. Die Ampel schaltete auf grün. „Hätten Sie Lust, noch eine Kleinigkeit essen zu gehen? Ich hab’ den ganzen Tag noch nichts Vernünftiges zwischen den Zähnen gehabt.“

       „Gute Idee, mir geht’s auch nicht besser.“ Er bog in eine Querstraße, steuerte eine schmale Seitenstraße an und hielt vor einem kleinen italienischen Restaurant.

      Sie setzten sich an einen Tisch nahe der Tür, der direkt am Fenster stand und während Beverly ihn ansah, fragte sie sich, wann sie das letzte Mal mit einem Mann essen war, für den sie sich ernsthaft interessierte, der weder verheiratet noch verlobt war und der nicht gerade in irgendeiner Trennungsmisere steckte. Ja, wann, Beverly? Und sie musste sich eingestehen, dass die Antwort schlicht ...Noch nie! ... lautete. Jetzt hatte sie Bauchschmerzen und das ungute Gefühl, dass irgendetwas einfach schief gehen musste. Reiß dich zusammen!

      „Was bewegt eine Frau wie Sie dazu, bei der Mordkommission zu arbeiten?“

      Sie lehnte sich zurück. „Ich hab diese Frage, seit ich bei der Polizei bin, bestimmt schon hundert Mal gehört. Was glauben Sie?“

      Er zuckte mit den Schultern. „Ich hab keine Ahnung. Na ja, ich will Ihnen ja nicht zu nahe treten, aber...“

      „Aber was?“

      „Es liegt wohl an ... an Ihrem Aussehen. Wenn ich Sie so ansehe, könnte ich mir alles Mögliche vorstellen, aber auf die Idee, dass Sie bei der Kripo sind, würde ich als allerletztes kommen.“

      „Das heißt im Klartext, zu klein, zu schmal, zu weiblich.“ Sie nippte an ihrem Weinglas.

      Er lächelte. „Das ist es vermutlich.“

      „Wissen Sie, Fleming, ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals etwas anderes wollte. In den ersten Jahren an der Schule gab es eine Gruppe fieser dicker Jungs, die mir das Leben zur Hölle gemacht haben. Schon damals hab ich mir vorgestellt, wie schön es sein würde, sie irgendwann zu verhaften und ihnen Handschellen anzulegen. Rache ist süß, wenn man sie kalt genießen kann.“

      „Und, … haben Sie die fiesen dicken Jungs verhaftet?“

      Sie lachte. „Nein. Einer arbeitet bei einer großen Bankgesellschaft; was aus den anderen geworden ist, weiß ich nicht.“ Der Ober brachte die Pizza, schenkte Wein nach und zog sich hinter seinen Tresen zurück.

      „Jetzt