Morde zwischen Rhein und Themse. Rita M. Janaczek. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rita M. Janaczek
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783959591270
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seiner frühesten Kindheit Klavier. Er bekam besondere Zuneigung von seiner Klavierlehrerin Maggie Hunter. Er hat eine Zeit lang bei ihr gelebt. Es könnte durchaus sein, dass er durch das Klavier seine Verbindung zu den Opfern herstellt.“

      „Wie denn?“, fragte Stanton; seine Stirn kräuselte sich unter den Spitzen seiner wilden Locken.

      „Da bin ich mir nicht sicher. Mir sind da einige Ideen gekommen. Vielleicht besucht er Klavierkonzerte und spricht dort Frauen an. Oder er heftet Aushänge ans schwarze Brett der Musikschulen, um Klavierunterricht anzubieten. Es wäre auch denkbar, dass er in Zeitungen inseriert. Vielleicht wählt er aus den Interessenten ganz bewusst alleinlebende Frauen aus.“

      „Das hieße also, dass er nach Sheila Morenos Tod wieder inserieren würde. Das hieße auch, dass wir sämtliche Zeitungen im Raum London nach Inseraten absuchen müssten“, stellte Stanton trocken fest.

      „Ich glaube nicht, dass er es schon jetzt wieder tun wird. Er wird zumindest einige Tage warten, solange, bis sich die höchsten Wogen geglättet haben“, gab Fleming zu bedenken. Nachdenkliche Stille breitete sich für einige Sekunden im Büro des Superintendent aus.

      „Sie haben zwar Daniel Harwood bei ihren Ausführungen wieder völlig vergessen, Mr. Fleming, aber ihre Überlegungen zu Timothy St. Williams sind ausgezeichnet. Schade, dass sie nicht von mir sind.“ Inspektor Sands lächelte, und Beverly konnte förmlich sehen, wie eine riesige Last von dem jungen Psychologen abfiel.

       Es sah schon wieder nach Regen aus, doch der Wind trieb die Wolken mit derartiger Kraft über den Himmel, dass sie keine Gelegenheit hatten, das Wasser über der Stadt zu verteilen. Beverly riss sich von dem Anblick los und konzentrierte sich wieder auf die Arbeit. Bill Stanton hatte ihr nach der Morgenbesprechung einige Hinweise, diverse Telefonnummern und etliche Termine verschiedener Klavierkonzerte auf den Schreibtisch gelegt. Sie hatte stundenlang telefoniert, Notizen gemacht und versucht, Details aus dem Wust an Informationen herauszufiltern, irgendetwas, das die Ermittlungen weiterbringen würde. Sie war keineswegs zufrieden, nichts hatte den Anschein, als würde es irgendwie nützen. Sie packte die Dossiers zusammen, schob sie in den Aktenschrank und schloss das Büro ab. Sie meldete sich ab, nahm den Aufzug zur Tiefgarage, stieg in den Wagen, und als sie losfuhr, überlegte sie, wie sie es angehen würde.

       London News stand auf dem großen blauen Schild an der Eingangstür. Beverly ging zielstrebig durch die imposante Eingangshalle auf die Anmeldung zu. Sie legte ihren Dienstausweis vor und verlangte Adrian La Vince in einer dringenden Angelegenheit zu sprechen.

      „Er befindet sich in einer dienstlichen Unterredung, wenn sie vielleicht in einer Stunde...“

      Beverly ließ die brünette Frau im türkisfarbenen Kostüm nicht ausreden, sie lehnte sich ein Stückchen über den Tresen und flüsterte mit wichtigem Gesichtsausdruck. „Nein, das kann ich nicht, dann ist es womöglich schon zu spät. Wie ich Mr. La Vince kenne, wird er Sie persönlich verantwortlich machen, wenn ihm diese Sache entgeht, also holen Sie ihn da jetzt besser raus.“

      Sie brauchte nicht lange zu warten.

      Adrian La Vince schien mehr als verblüfft, sie zu sehen. „Na, wenn das keine Überraschung ist, Sergeant Evans!“ Er bat sie in ein Besprechungszimmer und bot ihr eines der kleinen Mineralwasserfläschchen an, die auf dem Tisch gruppiert waren. „Sagen Sie nichts, lassen Sie mich raten! Sie wollen mit mir Essen gehen? Ich bin dabei! Heute Abend zwanzig Uhr, ich hole Sie ab.“ Er grinste und ein kleines Grübchen, das ihr bei ihrer ersten Zusammenkunft nicht aufgefallen war, bohrte sich in seine linke Wange.

      „Ich denke, Mr. La Vince, ich habe noch was gut bei Ihnen. Ich habe Arbeit für Sie.“

      Er schlug die Beine übereinander und drückte die Fingerspitzen der rechten Hand auf seine Schläfe. „Sie sind knallhart, wie halten das nur Ihre Kollegen aus?“

      „Es geht um den aktuellen Fall; ich setze Ihr Stillschweigen über unsere Ermittlungen voraus.“

      „Ist das alles?“

      „Nein, obwohl Ihnen das sicher schwer fallen wird. Ich möchte Sie bitten, uns bei der Suche nach dem Täter zu unterstützen.“

      Er grinste. „Prima. Kann ich mir gut vorstellen. Sie und ich auf gemeinsamer Mörderjagd. Bekomme ich eine Waffe? Bringen Sie mir das Schießen bei?“

      „Ganz langsam, Mr. La Vince. Nichts von alldem. Sagen wir es mal so: Ich habe eine Aufgabe für Sie, die mit Ihrem Job zu tun hat. Ich werde Sie in die notwendigen Details einweihen, aber Sie halten den Mund, wir wollen schließlich den Täter nicht warnen. Sollte dennoch irgendetwas an die Öffentlichkeit dringen, dann werde ich Sie, Mr. Clark und Mr. Darryl samt ihrem Ohr ans Messer der Justiz liefern. Können Sie mir folgen?“

      „Unschwer, und wenn ich mich weigere?“

      „Ich habe nicht vor, Sie in irgendeiner Weise unter Druck zu setzen. Wenn Sie nicht dazu bereit sind, dann lassen Sie es sein. Ich komme auch so an meine Informationen, allerdings geht uns wertvolle Zeit verloren.“

      „Wie schnell muss ich mich entscheiden?“

      „Sofort. Ich habe nicht vor, schon wieder meine Zeit mit Ihnen zu verschwenden.“ Sie wusste, er würde ja sagen. Seine Neugier trieb ihn.

      „Ich würde anschließend gern mal mit Ihnen...“ Er hielt inne, als er das ungeduldige Funkeln in Beverlys Augen sah. „Gut, ich werde Ihnen helfen. Sagen Sie mir, was ich tun soll.“

       Beverlys Blick wanderte mit ungutem Gefühl immer wieder in den Rückspiegel. War das ihr Auto, das wie der Teufel qualmte? Sie hielt am Kreisverkehr, um eine Lücke im fließenden Verkehr zu finden, der Gestank von schmorendem Gummi stieg ihr in die Nase. „Nur noch die paar hundert Meter“, bettelte sie den Wagen an. Sie schaffte es noch gerade bis zum Yard, dann schoss mit einem heiseren Husten eine schwarze Rauchwolke unter der Haube hervor, verteilte sich wie ein flacher Teppich unter der Decke der Tiefgarage und der Motor erstarb. Selbst schuld, Evans. Sie wartete einen Moment, um sicher zu gehen, dass der Wagen nicht noch Flammen werfen würde, dann stieg sie in den Aufzug, eilte den Korridor entlang und stürmte ins Büro. Es war niemand da. Wo schwirren die schon wieder rum? Dann eben nicht, dann eben keine Informationen zum Thema Zeitung. Beverly führte ein paar Telefonate, doch es gab keine neuen Hinweise aus Coventry. Es wurmte sie. Timothy St. Williams konnte sich schließlich nicht in Luft aufgelöst haben, er hatte vermutlich jahrelang bei Maggie Hunter gelebt. Irgendjemand, der sie gekannt hatte, musste auch von ihm wissen. Er war ja schließlich nicht unsichtbar. ... Oder doch? Daran hatte sie noch gar keinen Gedanken verschwendet, daran, das St. Williams bereits tot sein könnte. Sie seufzte. So kamen sie nicht weiter. Möglicherweise würden Recherchen vor Ort doch noch den ein oder anderen Hinweis zu Tage fördern. Aus West Bromwich war sie schließlich auch nicht mit leeren Händen zurückgekehrt. Der Gedanke reifte, dass sie in Coventry selbst den Schlüssel finden könnte, einen Hinweis darauf, wo St. Williams untergetaucht sein könnte. Zielstrebig lief sie den Korridor entlang zu Whitefields Büro.

      Er blickte aus einem Stapel Papier zu ihr auf, schob eine Mappe beiseite und blickte auf die Uhr. „Evans, machen sie Feierabend. Sie verpulvern schon wieder Ihre Energie.“

      „Ich muss mit Ihnen reden, Superintendent. Es geht um die Spur in Coventry, Maggie Hunter. Wir sollten dort unbedingt vor Ort ermitteln, alles andere hat keinen Zweck.“ Sie räusperte sich, versuchte seine Reaktion abzuschätzen. Er schwieg, ein schlechtes Zeichen. Sie musste es trotzdem versuchen. „Ich wäre bereit, nach Coventry zu fahren, aber...“ sie stockte einen Moment, „ich würde ungern mit Miller...“ Sie ließ den Rest des Satzes unausgesprochen verhallen und blickte Superintendent Allister Whitefield an.

      Er grübelte, aber allem Anschein nach schien er zu keinem Entschluss zu kommen. „Wir sind hier kein Reisebüro. Es gibt hier genug zu tun, Sie wissen schon.“

      Sicherlich hatte er die Enttäuschung in ihrem Gesicht gesehen, aber es änderte nichts. Es brachte auch nichts, ihn überreden zu wollen, so etwas machte ihn abweisend. Es war ratsamer, es zu gegebener Zeit noch einmal zu versuchen. Sie sah ihn an, er fuchtelte ungeduldig