»Meinen Gruß der Gesellschaft!« sagte er vergnügt und blickte sich lächelnd um.
Niemand antwortete.
»Sind Sie der Herr des Hauses?« fragte er Gerasim, welcher erschreckt und fragend den Offizier ansah.
»Quartier! Quartier!« sagte der Offizier und blickte den kleinen Mann herablassend und mit gutmütigem Lächeln an. »Die Franzosen sind gute Kinder. Zum Teufel! Wir werden nicht zanken, Großväterchen, aber spricht hier niemand Französisch?« Er sah sich um und erblickte Peter bei der Tür.
Wieder wandte er sich an Gerasim und verlangte, er solle ihm die Zimmer des Hauses zeigen.
»Herr nicht da … ich nicht verstehen … das meinige Ihnen …« sagte Gerasim, der sein Russisch dadurch verständlicher zu machen suchte, daß er es wie ein sprachunkundiger Fremder aussprach. Der Franzose lächelte und ging hinkend bis zur Tür, bei welcher Peter stand. Peter wollte sich entfernen, aber in diesem Augenblick sah er, wie sich die Tür der Küche öffnete und Makar mit der Pistole in der Hand herausschlich. Mit der Schlauheit eines Wahnsinnigen betrachtete er den Franzosen, hob die Pistole in die Höhe und zielte.
»Zu den Waffen!« schrie der Betrunkene und suchte mit dem Finger den Drücker der Pistole. Der Franzose wandte sich hastig um, und in demselben Augenblick warf sich Peter auf Makar und schlug die Pistole in die Höhe. Makar hatte endlich den Drücker gefunden, ein betäubender Knall ertönte und alles war in dichten Rauch eingehüllt. Der Franzose erbleichte und stürzte zurück zur Tür.
Peter vergaß seinen Vorsatz, nicht zu verraten, daß er Französisch spreche, und nachdem er Makar die Pistole entrissen hatte, eilte er auf den Offizier zu.
»Sind Sie nicht verwundet?« fragte er französisch.
»Ich glaube nicht«, erwiderte der Offizier und betastete sich, »aber diesesmal war es nahe daran. – Wer ist dieser Mensch?«
»Ach, ich bin wirklich trostlos über das, was vorgefallen ist«, erwiderte Peter hastig. »Dies ist ein unglücklicher Wahnsinniger, der nicht wußte, was er tat.«
Der Offizier ergriff Makar am Kragen, welcher sich schweigend an die Wand lehnte.
»Räuber, das wirst du büßen!« sagte der Franzose. »Wir sind großmütig gegen Feinde, aber Verrat vergeben wir nicht«, rief er mit düsterer Feierlichkeit.
Peter bemühte sich, den Offizier zur Milde gegen den betrunkenen, tollen Menschen zu stimmen.
»Sie haben mir das Leben gerettet!« rief der Franzose, die Hand ausstreckend, »Sie müssen ein Franzose sein!«
Für einen Franzosen war diese Schlußfolgerung unzweifelhaft. Wer etwas Großes vollbrachte, konnte nur ein Franzose sein, und die Rettung des Kapitäns Ramballes vom dreizehnten leichten Regiment war ohne allen Zweifel eine große Tat. Aber Peter hielt es für notwendig, ihn zu enttäuschen.
»Ich bin ein Russe«, erwiderte er hastig.
»Tatata, erzählen Sie das einem anderen«, erwiderte der Kapitän lächelnd. »Nun, Sie werden mir das alles erzählen! Sehr angenehm, einen Landsmann zu treffen! Aber was machen wir mit diesem Menschen?« wandte er sich an Peter wie an einen Genossen. Peter erklärte nochmals, wer Makar war, erzählte, daß man ihm soeben vergebens die Pistole entreißen wollte, und bat schließlich, sein Verbrechen unbestraft zu lassen. »Sie haben mir das Leben gerettet, Sie sind ein Franzose«, sagte der Kapitän mit einer gebieterischen Gebärde. »Sie wollen, daß ich ihm verzeihe? Gut, ich verzeihe ihm! Führt diesen Menschen fort!« rief er energisch den Leuten zu, nahm den für die Rettung seines Lebens zum Franzosen beförderten Peter unter den Arm und trat mit ihm ins Zimmer.
Der Bursche, welcher während dieser Zeit sich in der Küche umgesehen hatte, trat auf den Offizier zu.
»Kapitän, in der Küche gibt es Suppe und Hammelbraten«, sagte er, »befehlen Sie, davon etwas zu bringen?«
»Ja, und auch Wein«, sagte der Kapitän.
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Der Franzose war so höflich und liebenswürdig und wirklich dankbar für die Rettung seines Lebens, daß Peter seine Absicht, sich zu entfernen, auf das dringende Verlangen des Franzosen aufgab. Er wollte nichts davon wissen, daß Peter kein Franzose sei, und konnte nicht begreifen, wie man ein so schmeichelhaftes Prädikat ablehnen konnte. Achselzuckend meinte er, wenn Peter durchaus für einen Russen gelten wolle, so möge es so sein, aber er sei ihm für seine Lebensrettung dennoch sehr dankbar. Wenn dieser Mensch auch nur im geringsten Grad die Fähigkeit besessen hätte, die Gefühle anderer zu begreifen, die Empfindungen Peters zu erraten, so hätte dieser ihn wahrscheinlich verlassen, aber die Naivität und Verständnislosigkeit dieses Menschen in allem, was nicht er selbst war, besiegte Peter.
»Franzose oder russischer Fürst inkognito«, sagte der Kapitän, indem er die schmutzige, aber feine Wäsche Peters und den Ring an seiner Hand bemerkte, »ich bin Ihnen Dank schuldig und biete Ihnen meine Freundschaft an. Mehr sage ich nicht! Ein Franzose vergißt niemals, weder eine Beleidigung noch einen Dienst!« In dem Ton und in der Miene des Franzosen lag so viel Gutmütigkeit, daß Peter lachend die ihm entgegengestreckte Hand drückte.
»Kapitän Ramballes vom dreizehnten leichten Regiment, Ritter der Ehrenlegion«, stellte er sich mit selbstzufriedenem Lächeln vor. »Haben Sie die Güte, mir jetzt zu sagen, mit wem ich die Ehre habe, mich so angenehm zu unterhalten.«
Peter erwiderte verlegen, er könne seinen Namen nicht nennen.
»Gut, gut«, erwiderte der Kapitän, »ich verstehe, Sie sind Offizier, vielleicht Stabsoffizier, Sie haben gegen uns gekämpft! Das geht mich nichts an. Ich bin Ihnen Dank schuldig, das genügt mir. Nennen Sie mir nur einen Namen. Monsieur Pierre, sagen Sie? Gut, das genügt!«
Sie speisten und tranken Wein aus einem russischen Keller, den der Franzose mitgebracht hatte. Peter war hungrig und nahm mit Vergnügen Anteil an dem Mittagsmahl. Der Bursche stellte eine Flasche Rotwein in warmes Wasser und brachte auch eine Flasche Quas mit, die er in der Küche gefunden hatte. Dieses Getränk war den Franzosen schon bekannt, sie nannten es »Limonade de ochon« (Schweinelimonade). Der Kapitän überließ sie dem Burschen und goß für sich und Peter zwei Gläser Wein ein. Bald wurde der Kapitän lebhaft und sprach unaufhörlich. »Ja, mein liebenswürdiger Monsieur Pierre, ich werde Ihnen eine Kerze in der Kirche weihen, weil Sie mich vor diesem Tobsüchtigen gerettet haben. Sehen Sie, ich habe ja schon genug Kugeln im Leibe. Diese da erhielt ich bei Wagram, die andere bei Smolensk.« Er deutete auf eine Narbe an der Wange. »Und diese da, hier im Bein, erhielt ich in der großen Schlacht am siebenten an der Moskwa. Oh, das war wunderbar! Sie können sich rühmen, uns schwer zu schaffen gemacht zu haben, ich bedauere die, die nicht dabei waren.«
»Ich war dabei«, bemerkte Peter.
»O, wirklich?« fuhr der Franzose fort. »Um so besser! Die große Redoute hat sich gut gehalten, beim Teufel! Ich war dreimal darin, wie Sie mich hier sehen, und dreimal wurden wir hinausgeworfen wie Papiersoldaten. Ihre Grenadiere waren wundervoll, wie auf der Parade! Hahaha! Sie sind also auch ein Soldat! Umso besser, um so besser, Monsieur Pierre! Schrecklich in der Schlacht, liebenswürdig gegen schöne Damen, so sind die Franzosen, Monsieur Pierre! Nicht wahr? Aber sagen Sie, ist es wahr, daß alle Frauen aus Moskau davongelaufen sind? Sonderbare Idee! Was befürchten sie denn?«
»Wären die französischen Damen etwa