ONE TO GO - Auf Leben und Tod. Mike Pace. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mike Pace
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958351271
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Fuß, dann winkte er ein Taxi heran.

      »Zur Kreuzung Florida und Benning Road.«

      »Ach, zum 3-D?«, erkundigte sich der Fahrer, ein älterer Schwarzer.

      »Ins Kino? Nein.« Wer hätte gedacht, dass es in dem rauen Viertel ein Kino gab, das Filme in 3-D zeigte?

      »Nicht ins Kino. 3-D. Dritter Distrikt, die Polizeistation.«

      Wunderbar. Sein sorgsam ausgearbeiteter Plan würde mit einem Besuch bei den Bullen beginnen. In seinem Kopf tauchten die Bilder einer spät in der Nacht ausgestrahlten Sendung auf, die den Namen trug: »Die dümmsten Verbrecher«. Dieser Typ hier, Tom Booker – Sie werden es nicht glauben –, also, er beginnt seinen Feldzug des Mordens damit, dass er sich zu einer Polizeistation fahren lässt! Bwahaha. Sieht aus, als wäre der Ausflug unseres Anwalts auf die andere Seite des Gesetzes reichlich kurz gewesen. Bwahaha.

      »Fahren Sie einfach in die Gegend dort, ich lasse Sie dann wissen, wo Sie mich absetzen können.« Der Fahrer zuckte mit den Schultern und erweckte damit den Eindruck, er habe alles schon gesehen und es kümmere ihn nicht sonderlich.

      Tom setzte seine Sonnenbrille und den Hut auf, dann wies er den Taxifahrer an, zur Kreuzung von Florida Avenue und Maryland Avenue zu fahren. Er stieg aus und ging dann auf der Florida entlang nach Norden, wo er nach dem Gebrauchtwagenhändler Ausschau hielt, den er am Abend zuvor ausgespäht hatte. Auf einem heruntergekommenen Schild stand: »Happy Cals, wir mieten Autos aus auch.« Offensichtlich gehörte Grammatik nicht zu den Stärken von Cal.

      Nach ein paar Blocks erkannte Tom die Lichterkette, die von verbogenen Stangen hing, welche Happy Cals Gebrauchtwagenhandel von den verlassenen Lagerhäusern zur Linken und zur Rechten seines Geschäfts abgrenzte.

      Als Tom dort ankam, schien aus, als sei niemand da. Er begab sich zu dem schäbigen Wohnwagen im hinteren Bereich des Platzes, atmete tief durch und ging hinein.

      Ein Schwarzer mittleren Alters saß hinter einem winzigen Schreibtisch und sah auf einem tragbaren TV-Gerät fern, das vielleicht unter der Regierung Carters neu gewesen war. Ein trübes Namensschild auf dem Tisch stellte vor: Happy Cal Smith.

      Sobald Cal ihn sah, zuckte er zusammen. Wahrscheinlich ließen sich nicht viele junge Weiße mit Sonnenbrillen um diese Zeit hier blicken. Die Augen des Mannes waren rot und er schien von etwas anderem als nur dem Leben high zu sein.

      »Wie läuft's?«, grüßte Tom. »Sie vermieten Autos?«

      Cal entspannte sich und offenbarte mit einem breiten Lächeln zwei Goldzähne. Er reichte Tom die Hand. »Da sind Sie bei mir goldrichtig. Ich bin Happy Cal.«

      Tom verschwieg seinen Namen absichtlich.

      »Was haben Sie denn zu vermieten?«, erkundigte er sich.

      »So ziemlich alles, was draußen herumsteht«, erläuterte Cal. »Suchen Sie etwas Bestimmtes?«

      »Ich habe da einen schwarzen Lincoln Town Car draußen gesehen. So ungefähr zehn Jahre alt.«

      »Oh, der ist klasse, nicht wahr? Sehen wir ihn uns an.«

      »Läuft er denn?«

      »Natürlich läuft er. Wie gesagt, ein Klassefahrzeug.«

      »Ansehen nicht nötig. Wie viel für einen Tag?«

      Cal tat so, als sehe er einen Stapel Unterlagen durch. »Na ja, wissen Sie, da der Wagen ja in so großartigem Zustand ist … ich glaube, für einen Hunderter kann ich Ihnen den für vierundzwanzig Stunden überlassen.« Seine Stimme hob sich am Ende und signalisierte, dass diese Preisangabe mehr so als Frage gedacht war und durchblicken ließ, dass man über den Preis durchaus noch reden konnte, falls es zu teuer war.

      »Wie wäre es mit 500 Dollar und wir schenken uns dafür den Papierkram?«

      Cal schluckte. »Fünfhundert, ja, das ginge vielleicht schon. Aber woher weiß ich, dass Sie ihn zurückbringen?«

      »Zwei Dinge. Erstens, wenn ich ihn nicht zurückbringe, melden Sie, dass er von Ihrem Platz gestohlen wurde, kassieren die Versicherungssumme und kommen damit besser weg als so. Zweitens, ich gebe Ihnen mein Wort.«

      Cal dachte einen Augenblick nach, dann nickte er. »Bar?«

      »Natürlich.«

      ***

      Happy Cals Vorstellungen von einem Klassefahrzeug deckten sich nicht unbedingt mit denen von Tom. Der Lincoln fuhr schwammig in die Kurven, sodass man quasi vor jedem noch so leichten Abbiegen erst einmal fast vollständig stehenbleiben musste. Innen stank es nach Zigaretten, vielleicht noch Gras, und auf dem grauen ledernen Beifahrersitz befand sich ein verdächtig aussehender dunkler Fleck. Andererseits hatte der Wagen auch positive Eigenschaften, wie extrem dunkel getönte Scheiben, und auf gerader Strecke fuhr er ziemlich zügig.

      Tom fuhr nach Southeast und parkte in einer dunklen Straße unter einer kaputten Straßenlaterne, dann stieg er aus und kratzte etwas Schlamm aus dem Rinnstein. Nachdem er den feuchten Dreck über beide Nummernschilder geschmiert hatte, stieg er wieder ein und fuhr langsam an der Jabazz-Grundschule vorbei. Er hatte tolle Erinnerungen an seine Zeit als Lehrer dort. Das Kollegium war warmherzig und die Kinder eine Freude. Zwar kamen die meisten aus den als Section 8 bekannten Sozialwohnvierteln und hatten bedauerlicherweise häufig mit Teenager-Schwangerschaften zu kämpfen, mit Armut, Drogen und Gewalt; im Grundschulalter jedoch waren sie noch voller Leben und Verheißung.

      Er bog nach rechts in die E Street, vorbei am Marion Park, dann näherte er sich der Washington Terrace, einer heruntergekommenen Reihe dreckiger Klinkergebäude mit Vorgärten. Tom wusste, dass die Dealer auf der Straße waren – sie gehörten genauso zur Szenerie wie die abgestorbenen Bäume und die kaputten Straßenlaternen. Kleine Fische, die, so nahm er an, von den Bullen größtenteils in Ruhe gelassen wurden.

      Drei Typen saßen vor dem ersten Gebäude auf einer niedrigen Mauer neben einer Treppe, die zu einem schlammigen Platz hinaufführte, der wohl einmal ein Rasen gewesen sein musste. Sie tranken irgendeinen Schnaps aus einer Flasche in einer zerknitterten Papiertüte und reichten einen Joint in der Runde herum. Hoffentlich waren sie so high, dass ihre Reflexe nicht mehr die allerbesten waren.

      Tom parkte über einen halben Block entfernt und zog seine Handschuhe an. Verdammt, die Finger waren dick; er hoffte, sein Zeigefinger – Abzugsfinger? – würde durch den Abzugsbügel passen. Warum hatte er sich keine neuen Handschuhe gekauft? Warum hatte er die Handschuhe nicht vorher anprobiert, um zu prüfen, ob er die Waffe damit bedienen konnte? Scheiße.

      Er holte die Ruger hervor und probierte den Finger im Handschuh aus. Er passte, aber erst, nachdem er ihn fest durch den Bügel gepresst hatte. Tom steckte die Waffe halb unter seinen rechten Schenkel. Ich muss auf der Stelle umkehren. Das ist Wahnsinn. Er dachte an Janie. Eine weniger. Seine Nackenhaare richteten sich auf. Er zitterte am ganzen Leib.

      Dann atmete er durch, zog den Hut tief ins Gesicht und fuhr langsam vorwärts.

      Als er vor den drei Männern anhielt, regten sie sich nicht. Ein Teil von ihm hoffte, dass sie einfach still sitzenbleiben würden. Ein großer Teil von ihm. Sobald sich einer von ihnen nähern würde, würde er das Fenster öffnen, dem Mann eine Kugel in den Kopf jagen und dann die E Street hinunter abhauen, noch bevor die anderen reagieren konnten. Er hoffte, dass die Freunde des zukünftigen Toten davon ausgehen würden, dass er ein Auftragskiller war, der einen Racheakt für eine Beleidigung in der Vergangenheit ausführte. Während diese Annahme auf einer langen Reihe von Filmen und TV-Serien statt auf persönlichem Wissen beruhte, war er sich aber nicht ohne Grund ziemlich sicher, dass die zwei Kumpels nicht die Bullen rufen würden. Zumindest nicht sofort.

      Geschützt durch die getönten Scheiben, studierte er die Gesichter der drei Männer. Sie hatten alle Kapuzenshirts an, aber Tom war nahe genug dran, um ihre Gesichter auszumachen. Zwei von ihnen waren wohl in ihren frühen Dreißigern, der dritte schien am Ende des Teenageralters zu sein. Hatte es einer von ihnen verdient, zu sterben? Tom redete sich selbst ein, dass sie, wenn sie mit Drogen handelten, wahrscheinlich entweder auch jemanden umgebracht hatten oder zumindest