SURVIVAL INSTINCT. Kristal Stittle. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kristal Stittle
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958350250
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sich zu Jack hinüberbeugte und ihn umarmte, doch unterschwellig machte es sie zutiefst traurig: Nach ihrer Hochzeit hätten Cillian und sie ebenfalls mit dem Versuch starten wollen, selbst Kinder zu zeugen. »Wo ist Andrew? Wollte er sich nicht gemeinsam mit dir hereinschleichen?«

      »Du weißt doch, er hasst solche Musik. Er kennt nur Klassik, sonst nichts.« Jack zuckte mit den Achseln. »Außerdem glaube ich, dass er die Grippe hat. Er sah heute Morgen nicht sonderlich gut aus. Ich wollte bei ihm bleiben und mich um ihn kümmern, aber er bestand darauf, dass ich herkam. Er hat mich praktisch durch die Tür schieben müssen.«

      »Er zeigte noch nie gerne Schwäche.« Jessica lachte.

      »Oh, als wüsste ich das nicht. Neulich hat uns dieser Obdachlose angefallen und ihn gebissen.«

      »Du liebe Zeit.«

      »Dachte ich mir auch. So was Widerliches. Ich musste Andrew fast in die Klinik prügeln, denn er behauptete stur, mit ihm sei alles in Ordnung. Ich glaube, dass er sich bei diesem Vorfall die Grippe eingehandelt hat.«

      »Etwas Anderes schließt du aus, sagen wir, eine Infektion oder so?«

      »Nein, die haben den Dreck ausgewaschen und ihn mit Antibiotika vollgepumpt. Um sicherzugehen, zapften sie ihm Blut ab, und weil wir seitdem nichts mehr von dort gehört haben, bin ich mir sicher, dass es nichts Besonderes ist.« Jack tat alles mit einem Winken ab. »Ich schätze, zu den Annehmlichkeiten, die man als Pfleger in einem Krankenhaus genießt, zählt die Gewissheit, stets mit dem Allerbesten versorgt zu werden. Letztendlich verbrachten wir viel mehr Zeit dort als nötig, da wir uns mit einem von Andrews Kollegen verquatschten.«

      Jessica lachte wieder. »Hm, wieso kommt mir das bekannt vor?« Sie setzte eine wissende Miene auf und tippte sich mit einem Zeigefinger ans Kinn. Daraufhin musste Jack lachen.

      ***

      Die beiden plauderten zur Musik weiter über dies, das und mehr. Jessica gestand Jack, wie sehr sie ihn in Australien vermissen würde, und er beteuerte, sie zu verlieren, zerreiße ihm das Herz. Sie versprachen einander, ständig per E-Mail Kontakt zu halten und sich viele Fotos zu schicken.

      »Irgendwann müsst ihr mich in Australien besuchen, nachdem ihr das Kind adoptiert habt – entweder das, oder ich nehme einen Flug zurück und kidnappe es«, frotzelte Jessica.

      »Hey, vielleicht adoptieren wir ja eines aus Australien. Ich stand schon immer auf den Akzent der Menschen dort.« Jack riss häufig Witze, die ihn viel dümmer dastehen ließen, als er war. Im Gegenteil hatte er eine Menge im Kopf, weshalb sich Jessica nicht erklären konnte, wie er dazu gekommen war, für Linda zu arbeiten. Ihrer Einschätzung zufolge hatte er das Zeug dazu, jemanden wie Linda für sich springen zu lassen.

      »Ob ich diesen Akzent wohl annehmen werde?« Jessica dachte zum ersten Mal daran.

      »Hängt davon ab, wie lange du bleibst, glaube ich. Irgendeine Marotte nimmst du bestimmt an … vielleicht 'nen russischen Akzent.«

      Die Vorstellung, mit einem russischen Akzent zu sprechen, ließ Jessica in schallendes Gelächter ausbrechen.

      »Hey, was ist mit der Musik los?« Jack schaute wieder nach draußen und zog die Augenbrauen ein wenig zusammen. Jessica hörte zu lachen auf und drehte sich ebenfalls zum Fenster um. »Weiß nicht.«

      »Warum verschwinden die alle?« Jack zeigte auf die Ausgänge. »Das soll doch angeblich noch ein paar Stunden dauern.«

      »Vielleicht irgendein Notfall oder eine Bombendrohung. Sieh nur, wie sie rennen. Da muss Gefahr im Verzug sein.« Jessica gab sich gelassen, war aber besorgt. Sie hielten sich in einem der nächsten Gebäude am Park auf, und eine Explosion hätte ohne weiteres auch sie betroffen.

      »Vielleicht.«

      »Am besten besorgen wir uns ein Radio oder einen Fernseher. Dort berichtet man bestimmt darüber.« Jessica stand auf.

      »Stimmt.« Jack folgte ihr sofort. »Hoffentlich ist es nicht so etwas wie 9/11.«

      »Das wäre so schrecklich, dass ich gar nicht daran denken möchte.« Jessica schauderte. Sie befanden sich zwar in Kanada, doch sie alle hatten die Anschläge aufmerksam mitverfolgt und die Opfer betrauert.

      Die beiden suchten in den Bürowaben nach einem Radio. Jessica stieß auf weitere Familienfotos, noch mehr Urkunden und Scherzartikel – alles Bestrebungen, die Stimmung an diesem trostlosen Ort zu heben. Jack wurde zuerst fündig und rief Jessica zu sich. Er schaltete das Radio ein und wählte einen Sender, der rund um die Uhr Nachrichten ausstrahlte. Alles, was sie hörten, war statisches Rauschen.

      »Sicher, dass du die richtige Frequenz erwischt hast?« Jessica wollte die Anzeige sehen, doch Jack fummelte weiter an dem Gerät herum.

      »Natürlich bin ich mir sicher.« Er zog die Brauen noch weiter zusammen. »Andrew hört sich den Kanal die ganze Zeit über an.« Er drehte das Einstellrad langsam weiter, um alle Mittelwellensender abzusuchen, doch nirgendwo kam etwas.

      »Versuch' UKW.« Jessica hoffte, dass lediglich der Mittelwellenempfänger defekt war. Jack legte einen Kippschalter an der Seite des pinkfarbenen Plastikgehäuses um. Erneut durchsuchte er alle Kanäle, doch auch das führte nicht zum Erfolg. » Irgendetwas muss doch ausgestrahlt werden.«

      »Mag sein, dass das Radio hinüber ist.« Jessica fing an, sich nach einem anderen umzusehen. »Ach, da hat jemand seinen Computer angelassen.«

      Sie nahm davor Platz, während Jack herüberkam. Nachdem sie die Maus geschüttelt hatte, um den Bildschirmschoner zu deaktivieren, erschien prompt ein Foto zweier strahlender Kinder, wahrscheinlich die des Schreibtischinhabers. Jessica brauchte nur eine Sekunde, um das Icon des Webbrowsers zu finden und doppelt anzuklicken. Statt einer Startseite erschien der Hinweis, die Verbindung sei nicht möglich, da etwas mit ihrem Zugang im Argen lag.

      »Mist, soviel dazu«, seufzte Jessica. »Sollen wir nicht doch nach einem anderen Radio suchen?«

      Jack schüttelte den Kopf. »Ich habe ein ungutes Gefühl. Was auch immer da vor sich geht, es ist wahrscheinlich sicherer, von hier zu verschwinden. Ich würde mich nicht unbedingt gerne in einem hohen, verglasten Gebäude aufhalten, in dem sich die Büros eines bekannten Konzerns befinden, du etwa?«

      »Nein, du hast wohl Recht.« Jessica rollte mit ihrem Stuhl von dem Computer weg. »Trotzdem würde ich es noch gern mit meinem Laptop probieren. Ich kann mich drahtlos verbinden.«

      Die beiden holten ihre Tasche neben dem Stuhl am Fenster und stellten ihn auf einen Schreibtisch. Das Gerät brauchte einen Moment, um hochzufahren, aber da Jessica ein relativ neues System benutzte, dauerte es nicht allzu lange. Sie versuchte sofort, sich mit dem Internet zu verbinden, erhielt aber die gleiche Fehlermeldung wie zuvor. Sie probierte noch zwei andere Browser, doch auch mit diesen ließ sich keine Verbindung herstellen. Jack bat sie, nach einem anderen Router-Signal zu suchen, das der Computer allerdings nicht fand. Seufzend fuhr Jessica ihn herunter und packte ihn wieder ein.

      Sie gingen hinüber zu den Aufzügen, wo Jessica die Ruftaste drückte. Sie bemerkte, dass Jack den Klappstuhl zurückgelassen hatte, und als sie ihn darauf hinwies, winkte er ab und erklärte, der Stuhl sei billig gewesen und falle sowieso bald auseinander.

      »Wir benutzen besser die Treppen«, dachte er laut.

      »Du bist ziemlich paranoid wegen dieser Sache, was?«, fragte Jessica scherzhaft. Als ihr Laptop nicht funktioniert hatte, hatte er eine besorgte Miene aufgesetzt, die sie so nicht kannte. Jack schaute selten so besorgt drein, etwa wenn bei der Arbeit etwas katastrophal schiefging, beispielsweise ein wichtiges Meeting, bei dem jemand eine Stunde zu spät kam, oder eine Rede, deren Skript eine Minute, bevor sie gehalten werden sollte, verlorenging.

      Jack ging nicht auf den Witz ein. »Ich habe einfach ein mieses Gefühl dabei, das ist alles. Komm, nehmen wir das Treppenhaus.« Er ging vor.

      Jessica seufzte wieder, folgte ihm aber. »Wir sind im 21. Stockwerk. Weißt du, wie viele Stufen das sind?«

      »Geht doch abwärts, das ist nicht so wild.« Jack betrat das Treppenhaus