SURVIVAL INSTINCT. Kristal Stittle. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kristal Stittle
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958350250
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ich wohl, ja.« Jack rutschte wieder von dem hohen Hocker. »Aber wenn er mich anschnauzt, bist du schuld.«

      »Ich nehm's auf mich.« Jessica stieß ihn leicht an, als er Richtung Flur ging.

      Beim Verlassen der Küche zeigte Jack ein verhaltenes Lächeln, doch aus ihrem Blickwinkel sah Jessica, dass es ihm verging, als er sich abwandte. Auch blieb er auf halbem Wege stehen.

      »Andrew?« Sein Tonfall machte eine angespannte Frage daraus.

      Jessica stand auf und trat hinter Jack, um das Gleiche zu sehen wie er. Andrew stand im Flur und trug nichts außer einem offenen Bademantel über Boxer-Shorts, schwarz mit blauen Herzchen darauf. Sein Kinn ruhte auf der nackten Brust, sein dunkles, struppiges Haar hing nach vorne und versteckte sein Gesicht.

      »Hey, Andrew, du wirst nicht glauben, was heute passiert ist.«

      Jack ging auf ihn zu. Seine Stimme klang nun noch seltsamer.

      Jessica streckte sich aus, um ihn an der Schulter festzuhalten, griff aber ins Leere. Sie wusste gar nicht, weshalb sie Jack hindern wollte, doch irgendetwas stimmte nicht.

      Andrew machte einen schwerfälligen Schritt auf sie zu, wobei er ein wenig schwankte.

      »Andrew? Alles in Ordnung mit dir?« Jack rückte ein Stück weiter. Sie standen nun sehr dicht voreinander.

      Nachdem Andrew noch einen kleinen Schritt getan hatte, sackte er seitlich gegen die Wand. Bevor er hinfiel, schloss Jack zu ihm auf und hielt ihn fest.

      »Andrew?« Er drückte ihn an seine Brust. Jessica konnte es nicht sehen, doch Jack versuchte, ihn umzudrehen und ihm ins Gesicht zu schauen. »Komm schon, Andrew, sprich mit mir.«

      Jessica beobachtete über seine Schulter hinweg, wie Andrew den Kopf anhob. So sah sie seine Augen, bevor Jack es tat. Sie sollte ihn warnen, versuchte es auch, brachte aber nur ein Wispern hervor, das er nicht hören konnte. Andrew riss den Mund weit auf und vergrub die Zähne im weichen Speck von Jacks Hals. Dieser bekam nicht einmal die Gelegenheit zum Schreien, bevor er tot war.

      Andrew reckte seinen Kopf und schaute Jessica mit kalten, leblosen Augen an. Sie hatte schon Leichen gesehen; sie wusste, wie deren Augen aussahen. Sein Unterkiefer klaffte geräuschvoll auf, und ein Brocken von Jacks Fleisch fiel heraus. Rot. Sein Mund war innen grellrot. Er fing an, langsam nach vorne zu kriechen.

      Jessica lief Richtung Tür. Sie rüttelte am Knauf, konnte sie aber einfach nicht öffnen. Warum? Andrew kam immer näher. Jack musste abgeschlossen haben, ohne dass sie es mitbekommen hatte. Sie entsicherte das Schloss und zog wieder: Die Tür ging ein Stück weit auf, bevor sie von ihrer Kette zurückgehalten wurde. Andrew hatte sie gleich! Jessica nestelte hektisch an der Kette und warf die Tür auf. Sie stürzte hinaus und spürte noch Andrews Hand, die ihre Wade streifte.

      Sie platzte so hektisch aus der Wohnung, dass sie gleich gegen die Mauer gegenüber der Tür knallte. Andrew kroch weiter hinterher, verließ das Apartment ebenfalls.

      Abby

      Abby fuhr langsamer auf dem Standrad, als sie in die Entspannungsphase überging. Sie griff zu ihrer Wasserflasche und trank ein paar Schlucke, bevor sie sie wieder in den Halter am Handgriff steckte.

      In der Nähe trat ein übergewichtiger Mann von einem Stepper. Er war schweißnass, obwohl er sich gerade einmal fünf Minuten bewegt hatte. Abby kreidete es ihm aber nicht an; zumindest gab er sich Mühe. Sie sah ihn, wenn sie richtig mitgezählt hatte, nun zum fünften Mal in dem kleinen Fitnessstudio. Zuletzt hatte auch er sich auf dem Rad versucht, aber nicht einmal zwei volle Minuten durchgehalten.

      »Können Sie das bitte abstellen?« Abby zeigte auf den Fernseher in einer Ecke.

      »Hm?« Der Mann schaute sich keuchend um. »Oh, Sie möchten sich nicht das Konzert anschauen?«

      Abby schüttelte den Kopf und verwies auf die Kopfhörer in ihren Ohren.

      »Ah, schon klar.« Der Mann schaltete das Gerät aus und schob sich aus dem überschaubaren Saal.

      Abby war froh, dass er nicht gefragt hatte, was sie hörte. Hatte sich jemand in der Vergangenheit darüber erkundigt, war sie nicht sicher gewesen, wie sie antworten sollte. Sie hörte nie Musik, außer es ließ sich nicht vermeiden, etwa während eines Kinofilms, einer TV-Show oder Theatervorstellung; ihr iPod war ausschließlich mit Hörbüchern bestückt. Sie verschlang Erzählliteratur jeglicher Art, hielt sich aber beim Trainieren oder auf Reisen an Fachliteratur. Sie musste ihr Wissen fortwährend erweitern, weil sie so viel lernen wollte wie möglich. Obwohl sie nicht immer alles von den Konzepten verstand, mit denen sie sich beschäftigte, vergaß sie nichts. Sie hatte ein fantastisches Gedächtnis, wenn es um Details ging. Momentan begeisterte sie sich für Chemie; davor war es spanische Geschichte gewesen.

      Abby lernte auch weiter, während sie ihr Phasentraining auf dem Rad beendete. Als sie fertig war, nahm sie noch einen kräftigen Schluck Wasser, stieg vom Rad und rieb sich den Hals mit einem Handtuch trocken. Beim Blick hinüber zu den Gewichten rang sie mit sich selbst; sie hatte später noch einen Arzttermin und wusste nicht, ob sie ihre restliche Zeit mit Bankdrücken oder Schwimmen verbringen sollte. Am Ende entschied sie sich für letzteres.

      Sie verließ den Saal und ging über den Flur zur Damenumkleide. Dort war sonst niemand, was ihr stets gelegen kam, aber sie streifte ihren Badeanzug trotzdem in einer Kabine über, nur für den Fall, dass doch jemand hereinkam. Abby schämte sich nicht für ihren Körper; sie trieb viel Sport und wusste, dass sie topfit war, doch in einem Männerhaushalt aufzuwachsen, bedeutete, dass sie sich an niemanden wenden konnte, um über gewisse Dinge zu sprechen – nur ihre Mutter, und das lief nicht gerade prächtig. Sie hatte eine Freundin, ihre beste seit zwei Jahren, die ihr beibrachte, dass man sich in seiner eigenen Haut wohlfühlen durfte, und vermittelte, was man unter einem »normalen« Körper verstand. Bis auf weiteres aber zog Abby vor, sich zu verstecken, wenn sie völlig nackt war.

      Sobald sie umgezogen war, packte sie ihre Sachen zusammen und steckte sie in einen der Mini-Spinde. Sie sperrte ab und klemmte den kleinen Schlüssel an ihren Badeanzug. Zwar hasste sie es, mit diesem Ding am Leib zu schwimmen, aber anders ging es nicht.

      Nachdem sie einen kurzen Blick in den Duschraum geworfen hatte, trat sie ein. Sie war einmal hineingeplatzt, als sich eine Frau nackt gebraust hatte – sehr peinlich für Abby, aber der anderen schien es nichts ausgemacht zu haben. Sie wusch sich den Schweiß ab, der ihr beim Herzkreislauftraining ausgebrochen war, und machte sich auf den Weg zum Becken.

      Der Badebereich war hübsch mit seiner gänzlich verglasten Wand, durch die helles Tageslicht einfiel. Mehrere Mütter saßen auf Stühlen und sonnten sich, während ihre Kinder und deren Freunde im Becken tollten. Abby kannte diese Menschen; sie kamen im Sommer fast jeden Samstag zum Schwimmen.

      »Hi, Abby!« Ein kleiner Junge am seichten Ende des Beckens winkte.

      »Hey, Bobby.« Abby erwiderte die Geste.

      Bobby wohnte mit seiner Mutter, zwei jüngeren Brüdern und einer kleinen Schwester eine Etage über ihr. Er war ein netter Junge. Als seine Mutter Bobbys Gruß hörte, warf sie einen Blick über ihre Schulter. Auch sie winkte Abby kurz, Mrs. Kellermen und die dritte Frau ebenso. Sie fuhren mit ihrer Unterhaltung fort, bevor Abby ihre Hand noch einmal heben konnte. Mrs. Kellermen hatte drei Töchter und lebte mit ihrem Mann im fünften Stock.

      »Spielst du heute mit uns?«, fragte Bobby aufgeregt, als sich Abby ins Wasser ließ.

      Während sie nacheinander alle Kinder im Becken anschaute, ging sie ihre Namen im Kopf durch. Ihr gutes Gedächtnis ließ sie auch in dieser Hinsicht nicht im Stich. Eigentlich hätte sie sich nicht alle merken müssen, aber es gefiel ihr, stets zu wissen, wen sie um sich hatte. Bobby passte im niedrigen Wasser auf seine kleine Schwester Lucy auf, die in einem aufblasbaren Sessel an der Oberfläche trieb. Etwas weiter hinten spielten seine Brüder, die Zwillinge Matt und Frank, gemeinsam mit ihrem Freund Harris. Mary Kellermen stöberte abseits in einer Ecke mit ihrer Freundin Cassy in einem Haufen Wasserspielzeug. Ihre ältere Schwester Claire, das älteste unter diesen Kindern, übte auf der tiefen Seite Tauchen.