»Ich verstehe schon«, meinte Dr. Daniel. »Ich bin aber sicher, daß Karina in diesem Fall überhaupt nicht herkommen würde.« Dabei war er nicht überzeugt davon, daß das tatsächlich der Wahrheit entsprach.
Dr. Metzler überlegte eine Weile. »Sie wird einmal eine ausgezeichnete Ärztin werden – genauso wie du. Karina liegt die Medizin förmlich im Blut.«
»Stefan nicht?« hakte Dr. Daniel sofort nach. Er selbst hatte nämlich den Eindruck, daß sein Sohn schon jetzt ein guter Arzt war, obwohl er erst seine Assistenzzeit absolvierte.
Dr. Metzler mußte lächeln. »Oho, habe ich dich da etwa in deinem Vaterstolz gekränkt? Das wollte ich natürlich nicht, und ich kann dich auch beruhigen. Meiner Meinung nach wird auch Stefan einmal ein erstklassiger Arzt sein, aber ich fürchte, Karina wird seine Fähigkeiten dennoch bei weitem übertreffen.«
»Du hast eine hohe Meinung von meiner Tochter«, stellte Dr. Daniel fest. »Du kennst sie doch kaum.«
Wieder lächelte Dr. Metzler. »Ich kenne sie besser, als du denkst. Weißt du, damals, als die Waldsee-Klinik gerade im Entstehen begriffen war, haben Karina und ich uns oft unterhalten. In ihr steckt dieselbe Liebe zur Medizin, wie sie in dir und auch in mir selbst verwurzelt ist. Aus diesem Grund fühle ich mich ihr auf irgendeine Weise verbunden. Ich mag Karina von Herzen gern, sie ist wie eine Schwester für mich – aber eben nicht mehr.«
Dr. Daniel nickte. »Ich bin sicher, daß sie das inzwischen nicht nur begriffen, sondern auch akzeptiert hat.« Dann warf er einen Blick auf die Uhr. »Ich muß noch in die Gynäkologie hinüber. Wir sehen uns dann morgen wieder – wie üblich so um die Mittagszeit.«
Die beiden Ärzte verabschiedeten sich, dann trat Dr. Daniel auf den Flur und wäre beinahe mit Dr. Scheibler zusammengestoßen.«
»Ich nehme an, Sie sind schon auf der Suche nach mir«, meinte Dr. Daniel.
»Stimmt genau«, entgegnete der junge Oberarzt, dann reichte er Dr. Daniel ein Stück Papier. »Die Auswertung der Blutprobe, die Sie mir gegeben haben.«
Nachdenklich betrachtete Dr. Daniel die Aufzeichnungen. Die Blutsenkung war leicht beschleunigt, der Eisenwert etwas zu niedrig, doch das war nicht so gravierend, als daß es die Ursache für Erikas Beschwerden hätten sein können.
»Aufgrund dieses Befundes habe ich den HCG-Wert noch überprüft, obwohl Sie das eigentlich nicht angeordnet hatten«, erklärte Dr. Scheibler, dann lächelte er. »Ich würde sagen, Ihre Patientin ist schwanger.«
*
Erika Metzler konnte es kaum erwarten, daß ihr Mann endlich nach Hause kommen würde. Gleich nach Dr. Daniels Anruf war sie noch einmal zu ihm in die Praxis gefahren und hatte einen Schwangerschaftstest vornehmen lassen, der eindeutig positiv gewesen war, und nun kannte ihre Freude wirklich keine Grenzen mehr. Jetzt endlich drehte sich der Schlüssel im Haustürschloß, und dann war Wolfgang noch nicht mal richtig in der Wohnung angelangt, als Erika ihm auch schon entgegenlief und ihn stürmisch umarmte.
»Wolfi! Liebling!« stieß sie atemlos hervor. »Stell dir vor, wir bekommen ein Baby!«
Sekundenlang war Dr. Metzler einfach sprachlos, dann wirbelte er seine Frau übermütig herum.
»Ist das wirklich wahr?« vergewisserte er sich noch einmal. »Du bist schwanger?«
Erika nickte eifrig. »Irrtum ausgeschlossen. Robert hat vor einer halben Stunde einen Schwangerschaftstest vorgenommen. Eindeutig positiv.« Glücklich schmiegte sie sich an ihn. »Ach, Wolfi, wir werden ein Baby haben.«
Dr. Metzler fühlte, wie die Anspannung, die er in der Sorge um Erika mit sich herumgeschleppt hatte, von ihm abfiel.
»Ich würde sagen, dieses wichtige Ereignis ist ein Gläschen Sekt wert«, stellte Erika fest.
Liebevoll lächelte er sie an. »Und ob es das wert ist.« Dann wurde er ernst. »Was hat Robert sonst gesagt? Ist alles in Ordnung mit dir? Ich meine… du warst ein bißchen blaß in letzter Zeit.«
Erika schmunzelte. »Das haben schwangere Frauen gelegentlich so an sich.« Dann schüttelte sie den Kopf. »Keine Sorge, Wolfi, mit mir ist alles in Ordnung. Robert wird mich morgen noch einmal ganz gründlich untersuchen, aber ich denke, ich werde eine völlig normale Schwangerschaft haben. Wenn die Beschwerden der ersten drei Monate erst mal überstanden sind, dann bin ich mit Sicherheit die glücklichste werdende Mutter von ganz Steinhausen und Umgebung.«
*
Dr. Harald Stein war am Boden zerstört. Da hatte er sich seine Zukunft bereits so schön ausgemalt und alles perfekt eingefädelt, und dann mußte ihm so ein dummes Feuerzeug alles zerstören. Doch er würde nicht einfach kampflos aufgeben!
Zuerst mußte er Gabriela wieder für sich gewinnen, obwohl er wußte, daß das nicht so einfach sein würde. Für Gabriela ging Treue über alles. Daneben war sie aber auch romantisch, und aus diesem Grund begann Harald, ihr täglich einen Strauß roter Rosen zu schicken. Das war für ihn zwar ein teurer Spaß, aber wenn sich Gabriela ihm dadurch wieder zuwenden würde, dann wäre es die Ausgabe allemal wert!
Harald mußte sich jedoch in keine großen Unkosten stürzen, denn bereits am folgenden Tag betrat Gabriela das Arztzimmer, in dem er gerade über einer Krankenakte saß.
»Hör auf, mir Rosen zu schicken«, erklärte sie knapp. »Damit kannst du das, was du getan hast, nicht ungeschehen machen.«
Rasch stand Harald auf und kam ihr entgegen, um sie in die Arme zu nehmen, doch Gabriela wich ihm geschickt aus.
»Gabi, ich will dir damit doch nur zeigen, wie sehr ich dich liebe« beteuerte er. »Bitte glaub mir doch…«
Gabriela sah ihn ernst an. »Wie soll ich noch einem Mann glauben, der mich betrogen hat? Damit drehte sie sich um und ging hinaus, aber sie schaffte es nur bis um die nächste Ecke, dann ließ sie sich kraftlos gegen die Wand sinken.
Vor Harald tat sie so, als wäre jegliches Gefühl für ihn in ihr erloschen, doch die Wirklichkeit sah völlig anders aus. Gleichgültig, was zwischen ihm und dieser anderen Frau tatsächlich vorgefallen war – sie liebte ihn, und wenn er ihr noch länger zusetzte, dann würde es wohl nur noch eine Frage der Zeit sein, bis sie ihm verziehen und seinem unwiderstehliche Charme erliegen würde.
»Na, Harry, ist dir das Täubchen entwischt?«
Die Worte ihres Kollegen, Dr. Werner Förster, ließen Gabriela erschrocken hochfahren. Anscheinend hatte Werner sie beim Betreten des Arztzimmers nicht bemerkt, dafür konnte Gabriela das Gespräch zwischen ihm und Harald unschwer mitverfolgen.
»Was soll das heißen?« entgegnete Harald unwirsch.
Werner lachte auf. »Ach komm, Harry, tu doch nicht so unschuldig. Sämtliche Ärzte und Schwestern tuscheln doch schon darüber. Du wolltest dir Gabi angeln und mit ihr die ganze Klinik, aber nun bist du offenbar bei diesem Versuch ausgerutscht.« Er schwieg kurz. »Soll ich ehrlich sein? Es geschieht dir ganz recht. Gabi ist ein viel zu nettes Mädchen, um nur wegen ihres Erbes geheiratet zu werden.«
»Was erlaubst du dir?« brauste Harald wütend auf.
»Ich spreche nur aus, was alle denken«, entgegnete Werner gelassen. »Außerdem brauchst gerade du mir nichts vorzumachen. Ich habe dich mit deinem Liebchen gesehen – und das mehr als einmal. Sie ist ja eine ausgesprochene Schönheit, hat aber wohl nur Stroh in ihrem bezaubernden Köpfchen.«
Gabriela hörte, wie ein Stuhl umfiel. Offensichtlich war Harald verärgert aufgesprungen. Jetzt rannte er wie von Furien gehetzt aus dem Zimmer und an ihr vorbei. Im nächsten Moment blieb er so abrupt stehen, als wäre er gegen eine Mauer geprallt. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er Gabriela an.
»Davon ist kein Wort wahr«, brachte er mühsam hervor. »Gabi, ich schwöre dir…«
Da