Von dem Leben und den Meinungen berühmter Philosophen. Diogenes Laertius. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Diogenes Laertius
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Философия
Год издания: 0
isbn: 9783843800181
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Epikurs Lehre war; (90) denn die Bewegung der Seele lässt mit der Zeit nach. Sie sagen auch, dass weder das bloße Gesicht, noch das bloße Gehör Vergnügen erzeuge, denn diejenigen hören wir mit Vergnügen, die Klagen nachahmen, mit Unlust aber die wahrhaft Klagenden. Einen Mittelzustand nennen sie die Vergnügen- und Schmerzlosigkeit. Die körperlichen Vergnügen wären auch viel vorzüglicher als die geistigen, so wie auch die körperlichen Schmerzen viel heftiger wären; daher die Sünder durch diese vorzüglich bestraft würden. Sie hielten nämlich das Empfinden des Vergnügens für sanfter. Daher bewiesen sie mehr Haushältigkeit mit dem einen als mit dem anderen. Ob daher gleich das Vergnügen um seiner selbst willen wünschenswert ist, so stehen doch einige Dinge, die Vergnügen machen, uns entgegen, daher die Sammlung der Vergnügen, die zusammengenommen Seligkeit geben, die größten Schwierigkeiten zu haben scheint. (91) Daher behaupten sie, dass der Weise so wenig in allen Stücken ein vergnügtes Leben habe, als der Böse ein ganz schmerzenvolles, sondern es fände sich dies nur in Rücksicht auf den größten Teil, denn schon ein einziges Vergnügen sei hinreichend, einen wieder aufzurichten. Klugheit sei zwar ein Gut, sagen sie, doch nicht um ihrer selbst willen wünschenswert, sondern wegen der Folgen, die sie nach sich ziehe. Einen Freund suche man des Nutzens wegen, denn auch der Teil eines Körpers sei, während er vorhanden sei, angenehm. Von den Tugenden fänden sich einige auch bei den Unverständigen. Die Leibesübung trage zur Erlangung der Tugend bei. Ein Weiser werde weder Neid, noch Verliebtheit, noch Aberglauben haben, denn alles dies entstehe aus leeren Meinungen; er werde aber traurig werden und sich fürchten, denn dies bringe die Natur hervor. (92) Auch der Reichtum sei als ein Hervorbringungsmittel des Vergnügens und nicht um seiner Selbst willen wünschenswert. Die Leidenschaften wären begreiflich, nicht aber das, woraus sie entstehen. Sie enthielten sich der Untersuchungen der Natur, wegen ihrer in die Augen fallenden Unbegreiflichkeit, Vernunftbetrachtungen aber berührten sie, wegen ihrer Brauchbarkeit. Meleager indes im 2. Buch von den Lehrsätzen und Klitomach im ersten von den Sekten sagen, sie hätten Natur- und Vernunftspekulationen für unnütz gehalten, denn man könne gut reden, von Aberglauben frei sein, auch der Todesfurcht sich entledigen, wenn man das Verhältnis des Guten und Bösen durchdacht habe. (93) Es sei nichts von Natur gerecht, oder rühmlich, oder schändlich, sondern nur durch Gesetz und Gewohnheit. Ein einsichtiger Mann werde aber nichts Unschickliches tun, um den daraus folgenden Strafen und Meinungen auszuweichen. Ein Weiser aber sei der, der im Fortgang in der Philosophie und in anderen Dingen nicht zurückbleibe. Sie sagen, dass der eine sich mehr betrübe als der andere, und dass in den Sinnen nicht immer Wahrheit sei.

      9. Die sogenannten Hegesiaker hatten dasselbe Endziel, Vergnügen und Schmerz und behaupteten, dass weder Liebreiz, noch Freundschaft, noch Wohltätigkeit etwas sei, das wir um ihrer selbst willen wählten, sondern des Nutzens wegen, und wenn dieser nicht da sei, so fielen jene auch selbst weg. (94) Glückseligkeit im ganzen Umfang sei unmöglich, denn der Körper sei mit vielen Leidenschaften angefüllt, und die Seele nehme teil an den Leidenschaften des Körpers und werde dadurch auch in Unruhe gesetzt. Das Schicksal lege unseren Hoffnungen viele Hindernisse in den Weg, so dass dadurch gar keine Glückseligkeit hervorbringbar sei. Man müsse Leben und auch Tod wählen. Von Natur, nahmen sie an, sei nichts angenehm oder unangenehm. Durch Seltenheit aber, oder Fremdheit, oder Sättigung hätten einige Vergnügen, andere aber missvergnügen. Armut und Reichtum wären, in Rücksicht auf Vergnügen, nichts, denn die Reichen könnten sich auf keine andere Art als die Armen freuen. Gegen das Vergnügen gehalten, sei Knechtschaft und Freiheit nicht verschieden, ebensowenig edle oder unedle Geburt, Ruhm oder Unruhm. (95) Dem Unverständigen sei Leben Gewinn, dem Verständigen sei es gleichgültig. Der Weise werde um sein Selbst willen alles tun, denn er schätze keinen anderen so sehr als sich selbst; denn wenn er auch den größten Nutzen von ihm zu erhalten glaube, so sei doch dieser mit dem nicht zu vergleichen, den er selbst bewirke. Sie leugneten, dass die Sinne irgend eine genaue und verständige Erkenntnis gäben, sondern sie zeigten von allen nur eine Wahrscheinlichkeit. Sie sagten, Sünden wären verzeihlich, denn es werde nicht mit Vorsatz gesündigt, sondern man werde durch eine Leidenschaft dazu genötigt. Man müsse nicht hassen, sondern vielmehr vergessen, und ein Weiser zeichne sich nicht so sehr durch die Wahl des Guten, als durch die Vermeidung des Bösen aus. (96) Er setze sich vor, weder kummervoll noch mühselig zu leben, und dahin brächten es diejenigen, die in Ansehung der Dinge, wodurch Vergnügen hervorgebracht wird, gleichgültig sind.

      10. Die Annikerier stimmen in den übrigen Stücken diesen bei, sie lassen aber im Leben die Freundschaft, den Dank, die Ehre der Eltern und den Patriotismus Platz finden. Wenn daher auch der Weise sich hierdurch einige Beschwerden des Lebens zuzieht, so kann er nichts desto weniger glückselig leben, sollte er auch weniger Annehmlichkeiten haben. Das Glück des Freundes sei an sich selbst nicht zu wählen, denn es sei [auch] dem nahe Befindlichen nicht empfindbar. Die Vernunft allein sei nicht hinreichend, um Mut zu haben und sich über die Meinung der vielen hinauszusetzen, sondern man müsse sich gewöhnen, wegen der von jeher an uns befindlichen Verderbtheit. (97) Man müsse einen Freund nicht bloß des Nutzens willen wählen und wenn dieser aufhöre, ihn drum nicht aufgeben, sondern auch wegen seiner guten Gesinnung; um deren Willen müsse man auch Beschwerden aushalten, ob man gleich das Vergnügen sich zum Endziel setze. Wenn uns auch die Entstehung desselben Kummer mache, so müsse uns doch die Liebe gegen unseren Freund zum Ausharren geneigt machen.

      11. Die sogenannten Theodorier haben ihren Namen von dem vorhergenannten Theodor bekommen und auch dessen Lehrsätze angenommen.

      12. Dieser Theodor aber verwarf alle Meinungen von den Göttern. Uns ist sein Buch Von den Göttern betitelt, zufällig in die Hände gefallen und dies ist nicht zu verachten; man behauptet auch, dass Epikur das meiste daraus genommen habe. (98) Theodor hat auch Annikeris und den Dialektiker Dionys gehört, wie Antisthenes in der Philosophenfolge schreibt.

      13. Er nahm Freude und Traurigkeit als das Endziel an; die erste wegen der Klugheit, die andere wegen der Unklugheit. Güter nannte er Klugheit und Gerechtigkeit, Übel, was diesen entgegen ist; und zwischen beide in die Mitte setzte er Lust und Unlust. Er verwarf auch die Freundschaft, weil sie weder bei Unverständigen, noch bei Weisen statt habe, denn jene gäben die Freundschaft auf, wenn der Nutzen derselben aufhöre, die Weisen aber bedürften keiner Freunde und hätten an sich selbst genug. Er behauptete auch, dass es vernünftig sei, dass ein rechtlicher Mann sich um des Vaterlandes willen nicht Gewalt tue, denn er müsse um des Vorteils der Unverständigen willen seinen Verstand nicht wegwerfen. (99) Die Welt sei das Vaterland. Stehlen, Ehebrechen, Gottesschändereien richten sich nach Zeit und Umständen, und nichts davon sei der Natur nach schändlich, sobald die Meinung davon beiseite gesetzt werde, die nur zur Einhaltung der Unverständigen bestehe. Ein Weiser folge seinen Neigungen frei und ohne alle Scheu. Daher tat er folgende Fragen: Ist eine gelehrte Frau als gelehrte Frau nützlich? – Ja. – Ist auch ein Knabe und Jüngling, insofern er ein gelehrter ist, nützlich? – Ja. – Ist nun auch ein schönes Weib, insofern sie ein schönes Weib ist, nützlich? Und ist ein schöner Knabe und Jüngling, insofern er schön ist, nützlich? – Ja. – (100) Er ist aber nützlich, um sich ihm zu nähern. Wenn dies zugestanden war, so fuhr er weiter fort: Also wird derjenige nicht fehlen, der sich der Näherung bedient dazu, wozu sie nützlich ist, so wie der nicht fehlen wird, der die Schönheit dazu gebraucht, wozu sie nützlich ist. In Fragen dieser Art hatte er bei seinen Unterredungen eine große Stärke.

      14. Er scheint den Beinamen Der Gott davon bekommen zu haben, dass Stilpon ihm diese Frage vorlegte: Sag einmal, Theodor, bist du das wirklich, wofür du dich ausgibst? Da er nun ja sagte, fuhr jener fort: Sagst du denn, dass du ein Gott seist? Da er wieder ja sagte, erwiderte jener: So bist du denn also ein Gott. Wie er dies gerne zugestand, fragte jener lachend: Auf diese Art würdest du Schurke auch eingestehen, dass du eine Dohle seist, und noch tausenderlei mehr! (101) Dieser Theodor saß einmal bei dem Oberpriester Euryklides und sagte zu ihm: Sag mir, Euryklides, was sind das für Leute, welche die Ehrfurcht gegen die heiligen Geheimnisse verletzen? Da jener sagte, diejenigen, welche sie den Uneingeweihten ausplaudern, erwiderte er: So verletzt du ja auch diese Ehrfurcht, da du mit Uneingeweihten davon sprichst!

      15.