Von dem Leben und den Meinungen berühmter Philosophen. Diogenes Laertius. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Diogenes Laertius
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Философия
Год издания: 0
isbn: 9783843800181
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Befreiung auf und machte einen Philosophen aus ihm.

      15. (32) Bei Gelegenheit lernte er auch die Leier spielen und sagte, es sei gar nicht unschicklich, dass man das lerne, was man nicht wisse. Er tanzte auch viel, weil er glaubte, dass diese Leibesübung dem guten Behagen des Körpers zuträglich sei, welches auch Xenophon im Gastmahl erzählt.

      16. Er sagte auch, dass ein Dämon ihm das Künftige vorher anzeige, und ein guter Anfang sei zwar nichts Kleines, aber nahe dem Kleinen. Er wisse nichts außer nur dies, dass er nichts wisse. Von denen, welche die Früchte der Jahreszeiten teuer kauften, sagte er, sie wüssten nicht die Zeitigung abzuwarten. Als man ihn fragte, was die Tugend eines Jünglings sei, antwortete er, nicht übers Ziel auszuschweifen. (33) Er sagte, man müsse die Erdmesskunst so weit verstehen, dass man sich sein Land zumessen und es anderen wieder zumessen könne. Als Euripides in seiner Auge von der Tugend sagte:

      Am besten ist’s, sie ohne Preis aufzugeben,

      stand er auf und ging weg mit den Worten: es sei lächerlich, dass man’s der Mühe wert hielte, einen vermissten Sklaven aufzusuchen, und die Tugend so wolle verloren gehen lassen. Als man ihn fragte, was ist besser, zu heiraten oder nicht, antwortete er, du magst tun, was du willst, du wirst es bereuen. Er müsse sich über die wundern, sagte er, welche Bilder aus Steinen verfertigten, wie sie darauf bedacht wären, dass der Stein dem Urbild am gleichsten werde, aber keine Acht auf sich selbst hätten, dass sie dem Stein nicht zu gleichen schienen. Den Jünglingen riet er, sich immer im Spiegel zu betrachten, und wenn sie hässlich wären, die hässlichkeit durch Kenntnisse zu verbergen. (34) Als er reiche Leute zu Tisch gebeten hatte, und Xanthippe errötete, sagte er, sei nur zufrieden, denn wenn sie bescheidene Leute sind, so werden sie sich in uns schicken, sind sie aber schlecht, nun so haben wir uns nicht um sie zu bekümmern. Er sagte, andere Leute lebten, um zu essen, er esse aber, um zu leben. Von einer unnützen Volksmenge sagte er, es sei damit ebenso beschaffen, als wenn jemand ein Vierdrachmenstück für falsch hielte und doch einen Haufen solcher aufgeschütteten Stücke für gut halten wollte. Als Äschines zu ihm sagte, ich bin arm und habe nichts, darum gebe ich dir mich selbst, antwortete er, merkst du denn nicht, dass du mir das größte Geschenk machst? Zu einem, der verdrießlich darüber war, bei der Anordnung der Dreißiger übersehen worden zu sein, sagte er: Hast du schon etwas zu bereuen? (35) Als ihm einer sagte: die Athener haben deinen Tod beschlossen, antwortete er: und die Natur den ihrigen. Einige aber legten dies dem Anaxagoras bei. Als ihm seine Frau sagte: du hast den Tod nicht verdient! sagte er: wolltest du etwa lieber, dass ich ihn verdient hätte? Es kam ihm im Traum vor, dass einer zu ihm sagte:

      An dem dritten Tag gelangst du ins liebliche Phthia.

      Worauf er zu Äschines sagte: ich werde am dritten Tage sterben. Als er den Schierling trinken sollte, gab ihm Apollodor einen schönen Mantel, um in denselben eingehüllt zu sterben. Er sagte aber: Wie? Da mir mein Mantel gut genug war, um darin zu leben, warum nicht auch, um darin zu sterben? Als ihm jemand sagte: es hat einer sehr übel von dir gesprochen, antwortete er, der hat nicht gut zu sprechen gelernt. (36) Als Antisthenes den zerrissenen Teil seines Mantels nach der äußeren Seite hinkehrte, sagte er: durch deinen durchlöcherten Mantel sehe ich deine Eitelkeit, glänzen zu wollen. Als ihm einer sagte: wird dir nicht sehr viel Böses nachgeredet? antwortete er: nein, denn das Böse findet sich nicht an mir. Er sagte, man müsse sich den Komikern bloßstellen; denn wenn sie etwas tadelten, das wir an uns hätten, so könnten wir uns dadurch zurechtweisen lassen und wo nicht, nun so ginge es uns nichts an.

      17. Als Xanthippe ihn erst ausschimpfte und hernach noch mit Wasser begoss, sagte er; habe ich’s nicht gesagt, dass auf Xanthippes Donner Regen folgen werde? Als Alkibiades zu ihm sagte: Xanthippe ist mit ihrem Geschmähle unausstehlich, erwiderte er: daran bin ich so gewöhnt, wie man das Rollen eines Wagenrads gewöhnt wird. Weiter sagte er: Du hast dich ja auch an Gänsegeschrei gewöhnt? (37) Jener erwiderte: ja, die legen mir Eier und brüten mir Junge aus! Nun denn, gab er zur Antwort, Xanthippe gebiert mir auch Kinder! Als sie ihm einmal auf dem Marktplatz den Mantel weggenommen hatte, so reizten ihn seine Bekannten, dass er sich mit seinen Händen rächen sollte. Beim Zeus, sagte er, wenn wir uns denn mit Fäusten schlügen, so würde der eine von euch rufen: brav! Sokrates! Der andere: brav! Xanthippe! Er sagte, er gehe mit seiner unverträglichen Frau so um wie Reitmeister mit unbändigen Pferden, denn so wie dieselben mit anderen leichter fertig werden könnten, wenn sie diese gebändigt hätten, so würde auch ihm durch den Umgang mit Xanthippe der Umgang mit anderen Menschen leichter.

      18. Da er nun so sprach und auch so handelte, so erhielt er von der Pythia das Zeugnis, das sie dem Chärefon in dem allgemein bekannten Orakel erteilt hat:

      Von allen Menschen ist Sokrat der weiseste.

      (38) Hieraus entstand hauptsächlich der hass gegen ihn, so wie auch dadurch, dass er diejenigen, die sich selbst soviel einbildeten, als unverständige Leute tadelte, wie er unter anderen auch den Anyt, wie Platon im Memon schreibt, getadelt hat. Dieser konnte nämlich die Spöttereien Sokrats nicht ertragen und hetzte zuerst den Aristophanes gegen ihn an und beredete nachher auch den Melit zur Eingebung der Klage gegen ihn, dass er die Götterehrfurcht aus den Augen setze und die Jugend verführe. Melit ward also sein Ankläger. Polyneukt aber trug die Klage im Gericht vor, wie Favorin in seinen vermischten Geschichten erzählt. Der Verfertiger der Rede war, wie Hermipp sagt, der Sophist Polykrat, oder, wie andere wollen, Anyt. Der Volkslenker Lykon hat alles vorbereitet. (39) Antisthenes aber in der Philosophenfolge und Platon in der Schlussschrift sagen, dass er drei zu Anklägern gehabt habe, den Anyt, Lykon und Melit. Anyt habe sich wegen der Volksführer und Staatsleute, Lyon wegen der Redekünstler und Melit wegen der Dichter zu rächen gesucht, die von Sokrates alle bespöttelt worden wären. Favorin aber sagt im ersten Buch der Denkwürdigkeiten, es sei unwahr, dass Polykrat gegen Sokrates eine Rede gehalten habe, denn es komme in derselben die Wiederaufbauung der Mauern durch Konon vor, die erst sechs Jahre nach Sokrats Tod geschehen sei. Und dies verhält sich auch also.

      19. (40) Die Beschwörung des Prozesses aber ist diese; denn, wie Favorin sagt, wird sie noch jetzt im Metroon aufbewahrt: Dies ist die Anklage und Übereinkunft Melits, Melits Sohns, des Pitthers, gegen Sokrates, Sophroniskus Sohn den Alopeken: Sokrates handelt unrecht, da er die vom Staat anerkannten Götter nicht anerkennt, sondern andere, und neue Götter einführt, er handelt unrecht, da er die Jugend verdirbt. Er verdient den Tod.

      20. Als Lysias eine Verteidigungsrede für ihn aufgesetzt hatte, las sie der Philosoph durch und sagte: die Rede ist zwar schön, Lysias, aber sie ist für mich nicht passend, denn sie war sichtbar mehr juristisch als philosophisch geschrieben. (41) Da nun Lysias sagte: Wie? Wenn die Rede schön ist, kann sie da wohl unpassend für dich sein? Erwiderte er: gibt’s nicht auch schöne Kleider und Schuhe, die doch für mich nicht passen? – Justus der Tiberier hat auch in seinem Stemma geschrieben, dass Platon, da er vor Gericht gezogen worden, die Rednerbühne betreten und gesagt habe: Ich bin der jüngste Athener, von denen, welche die Rednerbühne betreten haben – worauf ihm die Richter zugerufen: steig herab.

      21. Da nun 281 Stimmen mehr für seine Verurteilung als für seine Lossprechung waren, und die Richter über die Schätzung des Prozesses sich besprachen, was für eine Strafe er wohl leiden oder was er bezahlen müsse, so schätzte er die Geldbuße auf 25 Drachmen. Eubulides aber sagt, er habe 100 eingestanden. (42) Wie aber die Richter darüber gelärmt hätten, habe er gesagt: Richter, wegen meiner Handlungen verdiente ich die Speisung im Prytaneum. Nun verurteilten sie ihn zum Tode, indem sie noch 80 Stimmen hinzutaten. Er wurde hierauf gefesselt und trank wenige Tage nachher den Schierling, nachdem er noch viele vortreffliche Unterredungen gehalten, die Platon im Phädon verzeichnet hat.

      22. Nach einigen hat er auch einen Lobgesang verfertigt, der so anfängt:

      Seid gegrüßet Apollo und Artemis, Delier, beide

       Hochberühmte Kinder –

      Dionysodor sagt, dass der Lobgesang nicht von ihm sei. Er hat auch eine äsopische Fabel gemacht, die aber nicht sehr glücklich ausgefallen, und sich anfängt: