ALTE WUNDEN (Black Shuck). Ian Graham. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ian Graham
Издательство: Bookwire
Серия: Black Shuck
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958351257
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neben einer Kaffeetasse, doch ein Wachmann war nicht anwesend. Er drehte sich um und trat wieder hinaus. Während er seinen Blick durch die Umgebung schweifen ließ, machte er im hohen Gras vor einem der Backsteinpfeiler des Tors einen schwarzen Stiefel aus. Schnell lief er hin und kniete nieder. Dort lag ein korpulenter Mann mit braunen Locken in einer der marineblauen Uniformen, die auch das Sicherheitspersonal am Barton Center getragen hatte. Declan nahm seinen Unterarm, um mit Zeige- und Mittelfinger den Puls zu prüfen, obwohl anhand des glasigen Blickes und dreier Einschusslöcher in der Brust offensichtlich war, dass er nicht mehr lebte. Die Haut fühlte sich aber noch warm an, also hatte der Tod ihn erst vor Kurzem ereilt.

      Declan rannte zur Fahrerseite des Nissan zurück und öffnete die Tür. »Hast du wieder Empfang?«, fragte er seine Frau, die ihn mit aufgerissenen Augen anstarrte.

      Sie verneinte, während sie mit einem Daumen übers Display fuhr. »Nichts.«

      »Ich will, dass du die Straße hinunterfährst, bis du Empfang hast, und die Polizei anrufst.«

      »Declan, was ist passiert?«

      »Bitte darum, dass sie sofort jemanden zur Briton-Adams-Villa schicken«, fuhr er fort, ohne auf ihre Worte einzugehen. »Sag ihnen, ein Wachmann ist umgebracht worden.«

      Die Antwort darauf schien ihr im Halse stecken zu bleiben, also schaute sie nur dabei zu, wie er unter den Fahrersitz fasste. Mit dem Abreißgeräusch eines Klettverschlusses zog er eine Ledertasche hervor, öffnete sie und nahm eine Glock-Pistole heraus. Nachdem er das Magazin entnommen und überprüft hatte, steckte er es wieder in den Griff und lud durch.

      »Was hast du vor?«, fragte Constance, während sie abwechselnd in sein Gesicht und auf die Waffe in seiner Hand schaute.

      »Ich werde Abe suchen. Fahr jetzt und komm nicht zurück, bis ich dich anrufe und Entwarnung gebe.«

      Damit steckte er sich die Pistole in eine Tasche, zog die Krawatte aus, die er für den Abend angezogen hatte, und nahm Anlauf aufs Tor. Um darüber zu gelangen, sprang er dagegen, zog sich hoch und schwang die Beine hinüber, wobei er hörte, wie seine Frau den Rückwärtsgang einlegte und die Auffahrt verließ. Nachdem er auf dem nassen Belag gelandet war, griff er die Pistole und lief auf das hell erleuchtete Haus auf dem Hügel zu.

      Kapitel 9

      Als er den Anstieg hinter sich hatte, trat Declan in ein Dickicht aus Hornsträuchern, die auf einem trichterförmigen Hof wuchsen, wo sich die Zufahrt gabelte. Der Hauseingang, vor dem beide Wege wieder zusammenliefen, war jetzt noch 50 Yards entfernt. Regentropfen, dick wie Centmünzen, die von den Baumwipfeln fielen, sickerten durch sein hellblaues Anzughemd, während er im Zickzack über den Platz schlich, wobei er hin und wieder an Sträuchern innehielt. Als er den Rand erreichte, ging er hinter einem breiten Stamm in Deckung und lehnte sich zur Seite, um zu sehen, ob jemand von drinnen herausgekommen war.

      Die Villa wurde von kleinen Scheinwerfern angeleuchtet, die in regelmäßigen Abständen auf dem Klinkerweg zur Tür und entlang der gesamten Vorderseite des Gebäudes aufgestellt waren. Aufgrund der Helligkeit, die es umgab, wirkte die Dunkelheit außerhalb umso finsterer. In Declans Augen hatte hier jemand zu kurz gedacht, was die Sicherheit anging. Man sah die rotbraune Steinfassade des Hauses bis zum zweiten Obergeschoss, doch das steil abgeschrägte, kunstvoll gedeckte Dach lag außerhalb der Reichweite der Lichter. An der senkrecht ebenen Front des Baus reihten sich sechs hohe Fenster pro Geschoss und unten die pompöse Doppeltür, hinter der wohl ein ebenso reizvolles Interieur lag, wie es das Äußere verhieß.

      Er fasste jede der Scheiben ins Auge, um Hinweise darauf zu finden, ob jemand drinnen war. Dann überquerte er den Fahrtweg zum Eingang, wo er sich mit dem Rücken zur Wand lehnte. Indem er sich kurz nach links und rechts neigte, schaute er durch die raumhohen Fenster zu beiden Seiten. Das Haus war abgesehen von einer kleinen Lampe in der prachtvollen Diele dunkel. Alle paar Sekunden leuchtete am Tastenfeld einer Alarmanlage eine LED auf, womit feststand, dass das Sicherheitssystem aktiv war.

      Im Gebäude mochte es zwar dunkel sein, aber Declan spürte, dass sich hier jemand herumtrieb. Wessen Auto hatte das Reifenprofil hinterlassen, auf das er am Tor gestoßen war? Wer hatte den Wachmann ermordet? Zudem war es einer der Wagen des Sicherheitsdienstes gewesen, der die Explosion vor dem Barton Center verursacht hatte. Zählte das Personal selbst zu den Attentätern? Falls ja, hatte Levitt diesen einen vielleicht unschädlich machen müssen, als Kafni und er zur Villa gekommen waren.

      Declan hielt sich die Pistole vor, während er zügig zur Seite des Hauses ging. Als er um die Ecke bog, sah er immer noch niemanden, also setzte er seinen Weg fort. Vorsichtig näherte er sich einem gleichfalls dunklen Wintergarten, der die Nordostseite des Gebäudes einnahm. In dem vollständig verglasten Raum standen Korbmöbel, doch ansonsten war er leer.

      Durch die Scheiben fiel Declan ein Auto auf. Aus einer Garage stach das Heck eines dunkelroten Geländewagens heraus. Declan ging um den Wintergarten herum und dann über einen gepflasterten Streifen, der von der eigentlichen Fahrspur abzweigte, auf das Nebengebäude zu, aber nicht ohne sich wiederholt hinter hohen Büschen zu verstecken.

      Es war tatsächlich eine Garage, die wie die Villa aus Ziegelsteinen bestand und von ihrer Größe her genug Platz für mindestens drei Limousinen bieten musste. Da ihre Seite weder mit Fenster noch einer Tür ausgestattet war, stellte sich Declan auch hier mit dem Rücken gegen die Mauer und pirschte sich ans Tor, wo der dunkelrote Wagen ein Stück weit auf den Weg ragte. Er konnte nicht Kafni gehören, da dessen Modell schwarz war. Beim Näherkommen hörte Declan Wasser zischen, das vom Fahrwerk auf den heißen Auspuff tropfte – ein verlässlicher Beleg dafür, dass der Wagen noch nicht lange dort parkte.

      Als er um die Ecke bog und die Garage einsehen konnte, bemerkte er, dass die Fahrertür offengelassen worden war, die Scheibe daran ebenfalls. Das Licht der gelben Deckenleuchte mutete grell an im Dunkeln und schimmerte auf dem glänzenden Lack des Wagens. Declan drehte sich um etwa 90 Grad und trat ein. Da sah er den schwarzen GMC-Suburban, mit dem Levitt Kafni hergebracht hatte … und seine Befürchtungen bestätigten sich, denn sein Blick fiel auf eine kleine Blutlache vor der Fahrertür. Für ihn war offensichtlich, was geschehen sein musste: Der rote Geländewagen – wer auch darin gesessen haben mochte – hatte das Tor hinter den Israelis passiert, bevor der Wachmann imstande gewesen war, es zu schließen, und die beiden beim Aussteigen angegriffen. Declan sah sich in den anderen Winkeln der Garage um, bevor er zur Fahrerseite von Kafnis Auto stürzte und hineinschaute. Der Innenraum war leicht mit Blut bespritzt, doch sollte ein Schuss gefallen sein, so hatte die Kugel getroffen, ohne wieder auszutreten, sonst wäre es mehr Blut gewesen. Die befleckten Stellen ließen darauf schließen, dass Levitt der Angeschossene war, doch wo steckten er und Kafni jetzt? Declan blickte über den glatten Betonboden der Garage hinaus. Inmitten von Staub und dunklen Ölspuren ließen sich ein paar weitere kräftig rote Spritzer erkennen, deren Spur ums Auto nach draußen führte. Er folgte ihr.

      »Hey!«, rief plötzlich jemand von der Einfahrt her, gerade als er heraustreten wollte, also zog er sich rasch geduckt zurück. Zwei gedämpfte Schüsse fielen. Einer traf die Motorhaube des dunkelroten Wagens, der andere prallte von der gemauerten Außenwand der Garage ab. Declan drückte sich innen dagegen und lauschte mit hochgehaltener Waffe.

      »Was hast du gesehen?«, fragte eine eindeutig ausländische Stimme.

      »In der Garage ist jemand mit Pistole, ein Kerl in blauem Hemd«, antwortete eine zweite Stimme, die rauer oder heiser klang.

      Declan glaubte, sie sprachen mit slawischem Akzent. Er horchte weiter, während Schritte auf dem Pflaster verhießen, dass sich die Männer bewegten, um ihn zu suchen. Verborgen in einer Ecke zwischen dem Garagentor und der äußeren Mauer wartete er ab, bis die beiden in seine Schusslinie geraten mussten, wenn sie zu ihm kommen wollten. Obwohl er sie nur flüchtig wahrgenommen hatte, ehe er in Deckung gegangen war, glaubte er mit ziemlicher Gewissheit, dass es sich nur um zwei Personen handelte. Die Männer gingen zu leisem Getuschel in einer fremden Sprache über, dann stürmte einer unvermittelt vorwärts und feuerte in die Garage. Die Heckscheibe von Kafnis Wagen zerbrach, und Declan schälte sich mit einer Drehung aus seinem Versteck, um zurückzuschießen. Dreimal