ALTE WUNDEN (Black Shuck). Ian Graham. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ian Graham
Издательство: Bookwire
Серия: Black Shuck
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958351257
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Ursprung auf den von Großbritannien kolonialisierten Westindischen Inseln, war maßgeblich an der Erschließung des Gebietes beteiligt gewesen und in Besitz weiter Teile des Landes rings um das Haus, auf dem sich jetzt Wohnsiedlungen erstreckten. Als finanzkräftige Bauträger hatten die Britons zu den Geburtshelfern der Liberty-Universität gehört und bezuschussten deren Projekte auch weiterhin mit hohen Geldsummen. Da die Angehörigen viel Zeit auf Reisen verbrachten, überließen sie ihr Anwesen Abidan Kafni, dem aktuellen Vorzeigedozenten der Hochschule, bis er sich in seine neue Position eingefunden und ortsnah eine dauerhafte Bleibe für seine Familie gefunden hatte.

      In Chris Evans Augen gehörten die Britons zum alten Geldadel, der sich nicht um eine wirtschaftliche Flaute oder Fabrikschließungen sorgen musste. Aller Wahrscheinlichkeit nach zählten sie zu der Sorte Menschen, die selbst Betriebe dichtmachten und die Arbeitsplätze nach Übersee in ein Land verlagerten, wo die Lohnkosten und der Lebensstandard deutlich niedriger waren als in den Vereinigten Staaten.

      Dieser Job war indes leicht verdientes Geld, wie er sich einredete, während er einen Kaffee trank. Im Haus selbst kümmerte sich Kafnis persönliche Leibgarde um alles. Evans und die beiden anderen angeheuerten Wachen mussten nichts weiter tun, als die Grundstücksgrenzen im Auge zu behalten und die Polizei zu verständigen, falls sie etwas Ungewöhnliches bemerkten. Je zwei Wochen Tag- und Nachtschicht am Stück waren ein wenig anstrengend, garantierten ihm aber ein gutes Einkommen, und man hatte ihm eine mehrmonatige Anstellung zugesagt, solange Kafni in der Villa wohnte. Sollte der Vertrag mit Sweat erneuert werden, nachdem der Dozent einen mehr oder weniger festen Wohnsitz in der Umgebung bezogen hatte, dürfe er sich dem Unternehmen zufolge einer fortgesetzten Verpflichtung sicher sein.

      Er schlug die Zeitung zu, unterdrückte ein Gähnen und hob die Füße vom Tisch, um sich aufrecht hinzusetzen, als ihm plötzlich ein paar Scheinwerfer auffielen, welche die Straße heraufkamen. Als er aufstand und seinen Oberkörper durch die Tür streckte, erkannte er einen dunkelfarbigen Geländewagen, der sich von Süden her aus einer Kurve näherte. Er stutzte sofort, weil der Fahrer so schnell unterwegs war, doch dann wurde das Auto langsamer. Während es näherkam, identifizierte Evans es als einen der beiden GMCs von Abidan Kafni und seiner Sicherheitsmannschaft. Er verließ seinen Wachposten mit einer Hand an dem Funkgerät, das an seinem Gürtel eingehängt war. Der Fahrer lenkte nach rechts ein, ließ seine Scheibe hinunter und hielt gleichzeitig an.

      »Tor aufmachen!«, rief jemand aus dem Wageninneren.

      Evans schaute angestrengt in die Finsternis, bis er das Gesicht von Kafnis rechter Hand Levi Levitt erkannte. Daraufhin lief er zurück zur Veranda und drückte den Toröffner.

      »Uns folgt noch ein weißer Sportwagen. Verriegeln Sie danach das Grundstück und lassen Sie niemanden herein, bis die Polizei kommt!«, rief Levitt, während er aufs Gas trat und der Wagen die lange, gerade Auffahrt zum Haus hochschoss. Evans beobachtete, wie die Heckleuchten in der frei stehenden Garage der Villa verschwanden, und griff dann zum Funkgerät, um die beiden anderen Wächter zu verständigen, die entlang der Nord- und Westseite des Anwesens postiert waren. Auf einmal strahlten zwei weitere Scheinwerfer von Westen her auf die Veranda. Ein dunkelroter Chevy Suburban bog links in die Auffahrt ein und beschleunigte, um durch das Tor zu gelangen.

      »Hey, Sie dürfen nicht hier rein!«, rief Evans und rannte mit dem Funkgerät in einer Hand auf den gepflasterten Weg. Als er hörte, dass sich ein drittes Fahrzeug näherte, drehte er sich um: Vor ihm bremste mit quietschenden Reifen ein weiterer dunkelroter Suburban, dessen Frontleuchten verhinderten, dass er die Insassen sehen konnte.

      Evans hörte, wie die Fahrertür aufging, dann folgten forsche Schritte, bis ein kleiner Mann mit dunklem Haar, fliehender Stirn und Vollbart vor ihm stehen blieb. Er schaute den Wächter kurz emotionslos an und hob eine Pistole mit Schalldämpfer.

      »Was? Nein!«, rief Evans, ohne sich von der Stelle rühren zu können.

      »Wenn Sie uns bitte entschuldigen würden«, erwiderte der Mann, feuerte dreimal und ging schließlich auf die Veranda zu.

      Evans spürte, wie die Kugeln in seine Brust schlugen und das Gerät aus seiner Hand glitt. Er stand einen Moment lang still und wollte einatmen, während sich die Umgebung wie in Zeitlupe bewegte. Dann fiel er aufs nasse Pflaster, wo er weiter nach Luft rang. Neuerliche Schritte und ein Knall, als die Fahrertür des Geländewagens zugeschlagen wurde, waren die letzten Geräusche, die er hörte, während er kriechend auf dem Weg zu seinem Posten starb. Er blieb im Gras neben der einspurigen Einfahrt liegen, die zu bewachen man ihm aufgetragen hatte.

      Kapitel 8

      19:04, Eastern Standard Time – Freitag, Cottonwood Road, Forest, Virginia

      Declan schaltete wild hinunter und hinauf, während er rechts abbog und auf der Cottonwood Road beschleunigte. Sie rasten an den beiden Einkaufszentren an der Ecke vorbei, wo der Highway die Straße kreuzte, auf eine Brücke über Eisenbahnschienen. Nachdem die Fahrbahn einen Bogen nach links beschrieben hatte, sah er endlich das Gebäude, das er suchte.

      Die Briton-Adams-Villa stand auf der Kuppe eines hohen Hügels und war ein lokales Wahrzeichen.

      »Was ist das für ein Geräusch?«, fragte Declan und schaute in den Fußraum.

      »Mein Handy«, antwortete Constance, da es leise piepte. Ihre Wimperntusche war beim Weinen verlaufen und um die Augen verschmiert; sie tupfte mit einem Papiertaschentuch daran. »Das ist das Signal dafür, dass es den Empfang verliert oder sich neu mit dem Netz verbindet.«

      Sie lehnte sich zur Seite, um das Samsung-Smartphone aus ihrer Handtasche zu holen, und schaltete den Bildschirm mit einem Fingerdruck ein. »Siehst du?« Sie hielt es ihm vor. »Kein Signal.«

      »So nahe an Lynchburg? Das ist merkwürdig.«

      »Denk daran, dass der nächste Sendemast in Bedford steht. Hier fährt man immer mehrere Meilen durch ein Funkloch.«

      »Schon, aber bis dorthin sind es auf dieser Straße nur noch 20 Meilen«, hielt Declan dagegen und tastete nach seinem Mobiltelefon, bevor ihm bewusst wurde, dass es in dem Jackett war, das er im Barton Center gelassen hatte.

      Der Motor des Cabriolets heulte auf, als er herunterschaltete und in die Auffahrt einlenkte. Vor dem geschlossenen Tor blieb er stehen. Mit einem Zeigefinger auf dem elektrischen Fensterheber wartete er bei leisem Summen, bis sich die Scheibe der Fahrertür gesenkt hatte.

      »Wo sind die Wachleute?« Er sah sich um. »Levi sagte, drei Mann würden das Grundstück absichern.«

      Constance folgte seinen Blicken. »Niemand da. Bist du sicher, dass hier jemand postiert sein sollte?«

      Declan antwortete nicht. Vor dem Zentrum hatte er den Gedanken nicht abschütteln können, dass Kafni noch immer in Gefahr schwebte. Auch wenn er nicht belegen konnte, dass der Israeli hatte sterben sollen, ließ ihm sein Bauchgefühl keinen Zweifel daran. Sicherlich hatten mehrere Vertreter der US-Regierung zu den Gästen gezählt, doch niemand unter ihnen war so berühmt wie der Festredner der Veranstaltung, geschweige denn das Ziel von sechs vorigen Mordanschlägen gewesen, respektive Gegenstand einer Handvoll Fatwas, die seinen Tod forderten. Declan hatte schon vor langer Zeit gelernt, sich auf seine Instinkte zu verlassen. Wenn ihm etwas faul vorgekommen war, so hatte er oft genug auf die harte Tour erkennen müssen, dass er mit ziemlicher Sicherheit richtig lag.

      Er öffnete die Tür, stieg aus und drehte sich auf dem nassen Pflaster neben dem Wagen einmal um sich selbst. Das Erste, was ihm auffiel, waren Reifenspuren zehn Fuß vor ihm in der aufgeschwemmten Erde. Bei näherer Betrachtung wurde deutlich, dass sie von einem Fahrzeug stammten, das in hohem Tempo von rechts aufs Anwesen eingebogen sein und beim Schneiden der Ecke nasses Gras mitgerissen haben musste. War es Levi Levitt hinterm Steuer des Geländewagens gewesen? Anhand dessen, was Declan über die Gegend wusste, glaubte er es nicht. Zwar hätte der Sicherheitsmann einen Umweg durch eine der Siedlungen südlich der Villa nehmen können, doch das hielt er für unwahrscheinlich. Dort hätte Levitt sehr oft abbiegen müssen, und das Risiko, sich zu verirren, da er sich erst seit wenigen Tagen in der Stadt aufhielt, war insbesondere bei Nacht zu hoch.

      Declan