ALTE WUNDEN (Black Shuck). Ian Graham. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ian Graham
Издательство: Bookwire
Серия: Black Shuck
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958351257
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Er hofft, mit dem American Center for Law and Justice zusammenarbeiten zu können. Hanah hingegen ist seit dem Frühling mit ihrem Examen an der Virginia Tech fertig und beginnt dort an der tierärztlichen Fakultät.« Kafni sprach über die beiden ältesten seiner fünf Kinder. David und Hanah waren diejenigen, mit denen sich Declan während seiner Dienstzeit als Sicherheitsmann der Familie am häufigsten abgegeben hatte. Die anderen drei, zwei weitere Söhne und eine Tochter, waren wesentlich jünger und besuchten noch die Grundschule.

      »Sagt dir der Name Baktayew etwas?«, fuhr der Israeli fort.

      »Könnte man ihn je vergessen?«

      Mit den Baktayews, zwei tschetschenischen Brüdern, war Kafni im Rahmen seines letzten Auftrags als Agent des Mossad in Konflikt geraten. Nachdem er den einen während eines stümperhaften Waffenhandels erschossen hatte, in dessen Zuge der Geheimdienst darauf aus gewesen war, einen iranischen Terrorführer festzunehmen, hatte der Jüngere ihn rächen wollen, als Kafni anderthalb Jahre später nach Amerika ausgewandert war. Declan war dank unfassbar glücklicher Umstände am richtigen Ort gewesen und hatte von dem Mordplan erfahren, woraufhin es ihm gelungen war, diesen zu vereiteln, da ihm der Israeli Jahre zuvor in Irland eine ähnliche Gunst erwiesen hatte. Deshalb durfte man ohne Zweifel behaupten, dass ohne den jeweils anderen keiner der beiden mehr am Leben wäre.

      »Ich dachte, die Brüder hätten ins Gras gebissen, aber mich beschleicht das Gefühl, dass du mir gleich das Gegenteil unterbreiten wirst.«

      »Die beiden ältesten Brüder Vadim und Deni sind tatsächlich tot. Letzteren hast du eigenhändig umgebracht. Aber es gibt einen Dritten: Ruslan Baktayew. Ich erfuhr von ihm, als ich eine Morddrohung von ihm bekam. Gemäß unserer üblichen Verfahrensweisen überwachten wir ihn mithilfe meiner Kontakte sorgfältig. Nach dem Ausbruch des zweiten Tschetschenienkrieges gab er es aber auf, und die Sache verlief sich. Seit Ende des Geiseldramas von Beslan 2004 sitzt er in einem russischen Gefängnis.«

      »Er steckte da mit drin?«

      »Jawohl, sogar als einer der Drahtzieher.«

      »Aber, wenn er hinter Gittern sitzt, warum auf einmal solches Aufheben seinetwegen?«

      »Vor 14 Tagen verließ er das Gefängnis und wurde seitdem nicht mehr gesehen.«

      Declan verzog das Gesicht. »Korruptes Personal, hm?«

      »Oh, davon bin ich überzeugt.« Kafni hob seine Augenbrauen. »Wie du weißt, lässt sich das russische Militär andauernd schmieren, während Moskau macht, was man von Moskau erwartet – lügen wie gedruckt. Angeblich ist Baktayew bei einer Auseinandersetzung mit einem anderen Häftling umgekommen und eingeäschert worden, doch der Mossad hatte einen Sayanim in die Anstalt geschleust – einen Sympathisanten, wenn du es so ausdrücken willst –, also wissen wir aus sicherer Quelle, dass er bestimmt nicht ins Gras gebissen hat.«

      »Und du glaubst, er ist wieder hinter dir her?«

      »Ach, ich habe keine Ahnung«, seufzte Kafni achselzuckend. »Meine Familie und ich, wir sind wohlbehütet. Ich erzähle dir das, weil dieser Mann einen persönlichen Feldzug gegen mich und vermutlich auch dich führt. Obwohl du in meinem Namen gehandelt hast, bist du für Deni Baktayews Tod verantwortlich. Ich hielt es für angemessen, dir das zu sagen, damit du entsprechende Maßnahmen ergreifen kannst, um dich und deine Frau zu schützen. Könnte er in die USA einreisen, würde er bestimmt versuchen, mich zu töten – und dich möglicherweise auch, falls er weiß, wer du bist.«

      »Und das ist ein sehr großes ›falls‹, Abe. Ich halte es für viel wahrscheinlicher, dass dieser Typ jetzt auf der Flucht ist und sich versteckt. Vorstellbar, dass er in irgendeiner heruntergekommenen Zeltstadt im Kaukasus hockt und darum betet, nicht zu erfrieren.«

      »Unter normalen Umständen würde ich dir zustimmen, doch was mich besonders stutzig macht, ist die Art und Weise, wie er entwischte. Er konnte das Gefängnis ungehindert verlassen, und Moskau streitet es rigoros ab. Auch wenn das russische System notorisch korrupt ist: Bist du dir im Klaren darüber, welche Beziehungen und Gelder man bräuchte, um so etwas zu schaffen? Es gibt jemanden, der ihn aus gutem Grund herausholen wollte.«

      »Hat er irgendwelche Bekannte mit entsprechenden Mitteln?«

      »Terrornetzwerke wie al-Qaida haben den Tschetschenen im Lauf der Jahre oft geholfen, aber meines Wissens kennt Baktayew niemanden mit genug Geld, um eine solche Nummer abzuziehen. Die Brüder standen Mitte der 1990er mit einem iranischen Finanzgeber in Kontakt: Sa'adi Nouri, der jedoch schon seit 10 Jahren tot ist, und dessen Organisation ihn nicht überlebt hat.« Kafni fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. »Pass auf, niemand kennt den genauen Grund, und eventuell hat es auch gar nicht mit uns zu tun, aber ich fand trotzdem, du solltest Bescheid wissen.«

      »Danke.«

      Nachdem Kafni auf seine Uhr geschaut hatte, klopfte er Declan auf die Schulter. »Ich bin gleich mit meiner Rede dran. Wir sehen uns hinterher wieder. Dann widmen wir uns den schönen Zeiten und guten Freunden, denn das alles gehört einer finsteren Vergangenheit an.«

      Declan lächelte und wandte sich ab, um wieder nach vorne zu gehen. Auf dem Weg zurück zu den Gästen, die langsam zur Ruhe kamen, hoffte er, Ruslan Baktayew und seine finsteren Absichten welcher Art auch immer würden tatsächlich der Vergangenheit angehören.

      Kapitel 6

      »Worum ging es?«, wisperte Constance, als Declan im nunmehr abgedunkelten Saal neben ihr Platz nahm. Sie saß bei Michael Coulson und einer Frau, die wohl seine Gattin war, sowie zwei weiteren Paaren. Vier Plätze waren noch frei, Declans Stuhl nicht mitgezählt. Einen der Männer erkannte er als amtierenden Kongressabgeordneten seines Wahlbezirks. Er nickte ihm höflich zu, bevor er sich Constance zuneigte und sie schnell auf die Wange küsste. »Nichts Wichtiges«, behauptete er. »Hab mich nur auf den neusten Stand gebracht, was einen alten Freund der Familie angeht.«

      »Hast du ganz bestimmt«, entgegnete sie trocken mit kritischem Blick.

      Declan lächelte. »Könnte ich dich belügen?«

      Constance antwortete gleichsam mit einem kurzen Lächeln, obwohl augenfällig war, dass sie sich davon nicht überzeugen ließ.

      »Abgeordneter Mark Alley«, sagte der Mann neben ihr, während er Declan eine Hand entgegenstreckte. Er war jünger als die meisten Politiker, hatte dichtes blondes Haar, kantige Züge und eine einnehmende Art, zu lächeln.

      Declan packte beherzt zu und erwiderte: »Hi, alles gut bei Ihnen? Declan McIver.«

      »Lassen Sie sich mit der Runde bekannt machen«, fuhr Alley fort. »Das ist meine Frau Sherry, diese beiden netten Menschen hier sind George und Sharon Barton; daneben Botschafter Bartons Sohn und Schwiegertochter, Dr. Michael Coulson und Elizabeth. Außerdem mit uns am Tisch, aber noch nicht eingetroffen: Senator David Kemiss mit seiner besseren Hälfte Mary Ellen, und Kanzler Jerry Falwell Jr. mit Ehefrau Becki.«

      Als er die Namen und Titel der Verspäteten hörte, kam sich Declan empfindlich deplatziert vor. Was sollte ein irischer Einwanderer und Immobilienhändler zu einer Tischgesellschaft von weit höherem Stand sagen? Hi, ich bin ein Wähler?

      Michael Coulson warf einen nervösen Blick auf seine Uhr.

      »Stimmt etwas nicht, Doktor?«, fragte der Abgeordnete.

      »Kanzler Falwell sollte mittlerweile hier sein. Er ist gleich mit seiner Rede dran und muss Dr. Kafni vorstellen«, erklärte der Dekan mit gedämpfter Stimme, wobei er sich nach vorne neigte, damit nur seine Tischnachbarn in hörten.

      »Nun ja, rufen Sie ihn doch mal an«, schlug Alley vor.

      Coulson nickte und stand auf, ging zur rechten Seite der Bühne und verschwand hinter dem Vorhang.

      Declan schaute sich um, da Getuschel unter den Anwesenden laut wurde und ein merkliches Gefühl der Ungewissheit den dämmrigen Saal in Beschlag nahm.

      Wenige Augenblicke später erschien Coulson hinter dem Vorhang auf der Bühne und trat ans Rednerpult, wobei er sein Anzugjackett