ALTE WUNDEN (Black Shuck). Ian Graham. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ian Graham
Издательство: Bookwire
Серия: Black Shuck
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958351257
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es nicht dringend wäre.«

      »Selbstverständlich«, beteuerte Declan, der nicht auf Kafnis unvermittelten Ernst vorbereitet war. »Ist etwas im Busch? Was verschweigst du mir?«

      »Alles Weitere morgen.« In der Leitung knackte es, als der Israeli die Verbindung trennte.

      Declan drückte gleichsam die rote Taste und steckte das Handy wieder ein. Als er sich gerade aufrichtete und zwischen den Bäumen hindurchschaute, konnte er sich einer finsteren Vorahnung nicht erwehren. Abidan Kafni zählte nicht zu dem Schlag Mensch, der sich von Kleinigkeiten ins Bockshorn jagen ließ. Grund zur Sorge gaben in seiner Welt auf Israel abzielende Atomwaffen im Iran oder russische U-Boote vor der Küste Floridas. Obwohl er sich Jahre zuvor aus der internationalen Spionage zurückgezogen hatte, blieb er dank seines einflussreichen Standes und vieler Freunde bestens informiert.

      Nachdem er sein Training im vollen Lauf wieder aufgenommen hatte, um seinen Puls hochzutreiben, ließ Declan den Schotterweg hinter sich und nahm eine Betonbrücke über einen knöcheltiefen Bach, die das Wohngebiet mit einem größtenteils begrünten Terrain verband. Hinter zwei moosbewachsenen Steinsäulen – die Begrenzung eines ehemaligen Tores – erstreckte sich auf der anderen Seite des Weges, der aus dem Park führte, ein befestigter Straßenabschnitt von einer Viertelmeile: die Auffahrt zu seinem Haus.

      Regennasses Laub, das von den Ahornbäumen ringsum gefallen war, knatschte unter Declans Füßen, während er auf den letzten Metern zum Haus noch einmal alles gab. Als er aus dem Dickicht auf die kleine Lichtung lief, wo das Gebäude stand, bremste er sich, blieb stehen und zog sein durchgeschwitztes T-Shirt aus. Dann neigte er sich nach vorne und stützte die Hände auf seine Knie, um Luft zu schnappen. Kafnis Worte klangen noch in seinem Kopf nach, während er sich wieder aufrecht hinstellte und an seinen nackten Armen hinabschaute. Gedanken an seine Vergangenheit holten ihn ein, als er der vielen Narben gewahr wurde.

      Auf seinem linken Handrücken war die Haut nach einem Unfall mit der chemischen Substanz einer Briefbombe großflächig für immer vernarbt. Der Unterarm darüber hatte einen vier Zoll langen Schnitt davongetragen, verursacht von einer fliegenden Glasscherbe bei der Sprengung eines Gebäudes durch eine improvisierte Bombe, in das er gerade getreten war. Er hatte den Angriff nur knapp überlebt, wenn auch mit einem zusätzlichen runden Brandmal von einem flammenden Stück Holz an der Schulter auf derselben Seite. Es war irgendwo in dem Haus heruntergestürzt, während er erfolglos versucht hatte, einen Freund aus den Trümmern zu ziehen.

      Immer noch angestrengt keuchend wischte er sich die Stirn mit dem Shirt ab und besah seinen rechten Arm. Auch ihn zeichneten zahlreiche Narben, doch eine stach besonders heraus: Sie war seelisch die Schlimmste von allen und gleich unterhalb des Ellbogens an der Innenseite zurückgeblieben, ein Symbol für sein altes Leben, das er gern ausgeblendet hätte. Die drei Furchen, die an Krallen denken ließen, rührten aus seiner Zeit als Mitglied der Provisorischen Irisch-Republikanischen Armee, einer Elite-Terroreinheit mit dem Codenamen Black Shuck.

      Kapitel 2

      Gebell drang durch die feuchte Abendluft und riss Declan aus seinen Gedanken zurück in die Gegenwart. Er bückte sich mit freudigem Lächeln, als ein Hund mit Schlappohren auf ihn zukam. »Hallo, altes Mädchen«, rief er, während der Beagle seine Hände ableckte, mit denen er beide Seiten des Gesichts streichelte. »Bist auf nächtlichem Streifzug, was?« Das Tier reagierte, indem es vergnügt mit den Vorderpfoten trippelte und mit dem Schwanz wedelte. Declan erhob sich und sah zu dem zweistöckigen Haus hinüber, das mit Zedernholz verkleidet auf einem abgerundeten Hügel in der Mitte der Lichtung stand, vor dem sich der Fahrtweg gabelte und ringsherum führte.

      Gedämpftes Licht im Wohnzimmer verhieß, dass seine Ehefrau noch wach war. Leicht federnden Schrittes ging er die Einfahrt hinauf auf den Panoramavorbau zu, wobei er sich auf den Oberschenkel klopfte, damit der Beagle ihm folgte. Während er sich auf der Veranda an den Fenstern vorbei zur Tür bewegte, blickte er hinein. Seine Frau saß alleine da, ein Papiertaschentuch in einer Hand, einen Schwangerschaftstest in der anderen. Obwohl er die Farbe des Streifens nicht sah, wusste er, dass sie es wieder nicht geschafft hatten.

      Constance McIver war etwas größer als 1,70m und hatte goldbraunes, schulterlanges Haar, das sie offen trug. Sie stand vom Ledersofa auf und tappte barfuß über den Wohnzimmerteppich, als Declan durch die Haustür eintrat. Während sie ihren schlanken Körper an seinen schmiegte, küsste sie ihn zärtlich und sagte: »Hab dich vermisst.«

      »Ach ja?«, fragte er und erwiderte den Kuss. Die beiden waren seit acht Jahren verheiratet, aber bis vor Kurzem beruflich zu eingespannt gewesen, um sich Gedanken über Nachwuchs zu machen. Im vergangenen Sommer hatten sie beschlossen, dass es an der Zeit sei. Während der letzten acht Monate waren sie mehrmals enttäuscht worden. Ihre grünen Augen füllten sich mit Tränen, als sie ihn fest drückte.

      »Hey, ist ja gut, ist ja gut«, beschwichtigte er sie und wischte eine Träne weg, die an ihrer Wange hinunterlief. Er wusste, was sie dachte. Mit 35 Jahren befürchtete Constance allmählich, dass der Zug für Kinder abgefahren sei.

      Sie lachte und trocknete weitere Tränen, während sich der Beagle beharrlich zwischen ihren und Declans Beinen hindurchzwängte, um in die Wohnung zu schlendern.

      »Oh Shelby, ich könnte dich …«, begann sie, als der Hund auf das Ledersofa hüpfte und das Paar mit offenem Maul über die Rückenlehne hinweg anstierte, sodass man es nur als Lächeln deuten konnte. »Du bist ein nerviger Hund.«

      Declan, der gerade die Tür schloss, lachte kurz auf. »Ich bin unterwegs angerufen worden.« Er ging zu einem Schrank aus Kastanienholz hinüber, der an der Wand zwischen Küche und Wohnzimmer stand, nahm eine Thermoskanne aus Metall heraus und schraubte den Verschluss ab.

      Während er etwas trank, fragte Constance: »Oh, von wem denn?«

      Declan nahm noch ein paar Schlucke. Es war eine spezielle Zusammenstellung von Vitaminen in Mineralwasser und schmeckte furchtbar. »Ekelhaft«, prustete er, nachdem er die Kanne abgesetzt hatte, und fuhr sich mit einem Unterarm über den Mund.

      Constance lachte. »Tja, niemand zwingt dich, das zu trinken.«

      »Soll gesund sein«, entgegnete er und stellte die Kanne zurück in den Schrank.

      »Nichts, was so übel riecht und schmeckt, kann in irgendeiner Weise gesund sein. Jetzt sag schon, wer hat dich angerufen? Spann mich nicht auf die Folter.« Sie stieß ihn sanft an.

      »Kafni«, antwortete er in sachlichem Ton.

      Sie schaute ihn einen Moment lang an, in der Annahme, dass er scherzte. Für sie war Abidan Kafni ein Prominenter, der bei Nachrichtensendungen und Meinungsmachern im Fernsehen gastierte. Sie wusste zwar, dass ihr Mann für ihn gearbeitet hatte, doch das war lange her, und zwischen den beiden herrschte schon seit vielen Jahren Funkstille.

      »Im Ernst«, beteuerte er. »Ihm sind unsere Namen auf der Gästeliste aufgefallen. Einer seiner persönlichen Gehilfen wird uns morgen Abend am Eingang abholen.«

      Constance lächelte und wirkte gleich wieder unbekümmerter, worauf er mit der Neuigkeit auch spekuliert hatte. Er versuchte, sie vom negativen Ergebnis des Schwangerschaftstests abzulenken und aufzuheitern. Seine Entscheidung, die Gala am morgigen Abend zu besuchen, war auch dadurch motiviert, dass er seine Frau endlich in seine Vergangenheit einweihen wollte, welche er ihr so lange gewissenhaft vorenthalten hatte. Sie wusste nichts von seinem früheren Leben in Nordirland. Warum er ihr noch keinen reinen Wein eingeschenkt hatte, war ihm selbst nicht ganz klar, und seine Unaufrichtigkeit in dieser Hinsicht nagte an ihm.

      »Dein Abend beginnt um sechs, Mrs. McIver«, sagte er lächelnd. »Da Dr. Kafni während des Festakts vermutlich nicht viel Zeit haben wird, lud er uns zum Abendessen danach ein. Ich sagte ihm, dass wir versuchen würden, es in unserem eng gesteckten Terminplan unterzubringen.«

      »Tatsächlich?«, hakte sie nach, als sei sie beeindruckt. »Ich wusste gar nicht, dass du ein Mann mit solchen Beziehungen bist. Darf ich dich berühren?« Sie streckte einen Zeigefinger nach ihm aus und grinste dabei wie ein Teenager, der einen Star anhimmelte.

      Er