1. Teilnahmelehren
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Die verschiedenen Teilnahmehandlungen von Anstiftung und Beihilfe („Bestimmen“ und „Hilfeleisten“) zeigen bereits, dass Anstiftung und Beihilfe je eigenen Begründungszuammenhängen unterliegen (vgl. hierzu zu den speziellen Begründungsansätzen von Anstiftung und Beihilfe, §§ 53, 54). Sie unterscheiden sich in der Art und Weise ihrer Unrechtsbeteiligung nicht nur quantitativ voneinander, sondern auch qualitativ, was sich auch im unterschiedlichen Strafmaß ausdrückt. Gemeinsam ist aber beiden Formen das Gebundensein an ein begangenes vorsätzliches (versuchtes) Unrecht. Im Rahmen der allgemeinen Teilnahmelehre stellt sich daher insbesondere die Frage, inwiefern und inwieweit die Abhängigkeit der Teilnahme von der Haupttat gegeben sein muss. So wird von manchen Autoren (entgegen der Gesetzesbestimmung) eine strenge Akzessorietät und damit eine schuldhaft begangene Haupttat als Voraussetzung der Teilnahme verlangt (sog. Schuldteilnahmelehre, Jakobs „Theorie der Beteiligung“). Von den sog „reinen Verursachungstheorien“ wird hingegen angenommen, dass die Akzessorietät nur rein „faktischer“ Natur ist bzw. lediglich auf „kriminalpolitischen Zweckmäßigkeitserwägungen“ beruht. Die heute überwiegend vertretene Ansicht hält schließlich das (auch) im Gesetz zum Ausdruck kommende Erfordernis der limitierten Akzessorietät für sachlich und rechtlich notwendig (akzessorietätsorientierte Verursachungslehre, Teilnahme als akzessorischer Rechtsgutsangriff).
a) Schuldteilnahmelehre
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Nach der Schuldteilnahmelehre verwirklicht der Teilnehmer insofern eigenständiges Teilnahmeunrecht, als er den Haupttäter „korrumpiere“:[153] „Jeder Teilnahme ist das Moment einer gewissen Korruption des Vordermannes eigen, sei es, daß der böse Wille des Anstifters sich auf den Handelnden überträgt, sei es, dass der letztere in seinem eigenen bösen Wollen bestärkt wird.“[154] Die Verleitung oder Bestärkung zur bösen Tat trage daher auch immer die Gefahr einer Charakterverderbnis in sich.[155] Das werde insbesondere bei der Anstiftung deutlich. So liege ihr Strafgrund darin, dass der Anstifter den Täter „in Schuld und Strafe“ verstricke. „Mag der Angriff des Anstifters auf das Rechtsgut nicht so intensiv sein, daß man sagen könnte, er hat den Mord gemacht, so hat er doch jedenfalls den Mörder gemacht. Deshalb haftet er gleich dem Täter.“[156] Der Gehilfe hingegen unterstütze die „verbrecherische(. . .) Betätigung eines anderen“. Für die Beihilfe genüge dabei „jede zur Verbrechensförderung bestimmte und nicht schlechthin ungeeignete Tätigkeit“. Nicht erforderlich sei, dass sie sich kausal in der Haupttat niedergeschlagen habe.[157]
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Diesem Ansatz wird vor allem entgegengehalten, dass er mit geltendem Recht nicht zu vereinbaren sei.[158] Aber auch wenn §§ 26 und 29 StGB nach ihrem Wortlaut eine Teilnahme an einer nicht-schuldhaften Tat zulassen, kann ein einfacher Verweis auf den Gesetzestext noch nicht den Grund für das Erfordernis der sog. limitierten Akzessorietät angeben. So hat Hellmuth Mayer zunächst zutreffend kritisch gegenüber den kausalen und instrumental-objektiven Handlungskonzeptionen eingewendet, dass sie den Einzelnen als sittlich urteilendes Sozialwesen nicht zu erfassen vermögen.[159] Es müsse einen Unterschied machen, ob eine vollverantwortliche Person vorsätzlich in das Geschehen trete oder nicht. Der Teilnehmer stehe nach H. Mayer daher objektiv in einem loseren Verhältnis zur Tat als der vollverantwortliche Haupttäter.[160]
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Von der Schuldteilnahmelehre wird auch zutreffend erkannt, dass das Entscheidende die Mitwirkung an fremdem Unrechtsentschluss ist. Hinsichtlich der Beihilfe gerät die Schuldteilnahmelehre jedoch insofern in Erklärungsnot, als der Gehilfe zu der Haupttat nur einen unterstützenden Beitrag leistet.[161] Auch ist der Begriff der „Schuldteilnahme“ verfehlt, denn im subjektiven Unrechtswillen (Schuld) kommt das individuelle Moment des Einzelnen zum Ausdruck, an dem eine Teilhabe nicht möglich ist. Der innere Prozess der Selbstbestimmung ist nicht von außen angreifbar. So ist selbst eine Handlung unter Zwang von Autonomie (mit-)geprägt. Der Gezwungene ist insoweit frei, als er sich zwingen lassen kann. Das schließt es aus, eine „Verschuldensverstrickung“ anzunehmen, lässt sich doch der Wille selbst nicht korrumpieren. Möglich ist es lediglich, an äußeren Bedingungen mitzuwirken oder Einfluss auf die Entschlussfassung eines anderen auszuüben.[162] Die Schuld bestimmt sich dagegen individuell für den jeweiligen Beteiligten. Sie gründet in der Autonomie des Einzelnen und ist damit abhängig von den subjektiven Bedingungen der potentiellen und aktuellen Einsichtsfähigkeit.[163]
b) Unrechtsteilnahmelehre
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In einer kritischen Auseinandersetzung mit der Schuldteilnahmelehre vor allem hinsichtlich der im geltenden Recht zu findenden limitierten Akzessorietät sieht die Unrechtsteilnahmelehre das Unrecht des Anstifters in der Gefahr der „sozialen Desintegration“ des Haupttäters; jener sei dafür verantwortlich, dass dieser eine Straftat begehe. Indem er bewusst Einfluss auf den Haupttäter nehme, sei sein Handeln gegen den Täter selbst gerichtet. Der Anstifter setze den Haupttäter der Strafverfolgung aus bzw. bei schuldlos Handelndem möglicher Maßregeln der Besserung und Sicherung.[164] Das Unrecht des Gehilfen liege hingegen nach dem geltenden Recht darin, dass dieser „eine untergeordnete Mitverursachung der Haupttat“ leiste.[165]
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Hinsichtlich der Anstiftung berücksichtigt diese Lehre zu einseitig das Verhältnis zwischen Anstifter und Angestiftetem und verliert damit das Verhältnis des Anstifters zum Unrecht der Haupttat aus dem Blick. Auch wird sie der Verantwortlichkeit des Angestifteten nicht gerecht, der schließlich selbstbestimmt zur Rechtsverletzung übergeht. Handelt der Angestiftete schuldhaft, hat er die Gefährdung seiner „sozialen Desintegration“ selbstverantwortlich bewirkt.[166] Dem Anstifter kann dann insofern möglicherweise ein ethischer Vorwurf gemacht werden, nicht jedoch ein rechtlicher.[167] Schließlich kann die Lehre mit ihrer Begründung der „Gefahr der sozialen Desintegration“ nur das Unrecht der Anstiftung, nicht hingegen das Unrecht der Beihilfe begründen. Dieses zeichnet sich gerade dadurch aus, dass der Gehilfe selbst den Haupttäter nur unterstützt und damit nur einen untergeordneten Beitrag hinsichtlich der Haupttat leistet.[168] Daher macht die Unrechtsteilnahmelehre dessen Unrecht allein anhand seines „Kausalbeitrags“ bezogen auf die Begehung der Haupttat fest. Eine bloße Ursächlichkeit bezogen auf die Tat eines anderen und der von ihm bewirkten Rechtsverletzung kann aber nicht genügen, um das Unrecht der Beihilfe hinreichend zu erfassen.
c) Verursachungslehren
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Die (reinen) Verursachungslehren sehen das Teilnahmeunrecht als ein von der Haupttat unabhängiges Unrecht an. Der Teilnehmer verwirkliche durch die Leistung seines kausalen Beitrages zur Rechtsgutsverletzung selbst tatbestandliches Unrecht. Die Akzessorietät der Teilnahme sei daher „rein faktischer Natur“ (Lüderssen) oder lediglich aus kriminalpolitischen Zweckmäßigkeitsgründen erforderlich (Schmidhäuser).[169]
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Nach Lüderssen sei eine Akzessorietät der Teilnahme zur Haupttat deshalb abzulehnen, weil sie dem Grundsatz widerspreche, dass jeder nur für sein eigenes Unrecht verantwortlich sei.[170] In den Deliktsbeschreibungen des Besonderen Teils sei tatbestandliches Unrecht vertypt, so dass die einzelnen Tatbestände zugleich die Strafbarkeit des Teilnehmers begründeten.[171] Die Rechtsgüter seien gegenüber jedermann geschützt und damit auch vom Teilnehmer unantastbar.[172]