D. Die Mittäterschaft auf der Grundlage einer personalen Handlungslehre
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In den Ausführungen zur Lehre von der Beteiligung wurden bereits notwendige Grundannahmen für die Möglichkeit des Zusammenwirkens mehrerer Beteiligter herausgearbeitet (näher → AT Bd. 3: Noltenius, § 50 Rn. 51 ff.): Es wurde gezeigt, dass, sobald mehr als ein Rechtssubjekt an der Verletzung mitwirkt, die intersubjektiven Handlungsbedingungen zu berücksichtigen sind.[105] Daraus folgt: Eine Mittäterschaft kann weder allein auf eine bloße Ursachensetzung reduziert noch auf jede Billigung fremder Taten erweitert werden. Die Möglichkeit der Mitzurechnung ergibt sich vielmehr daraus, dass der Einzelne in seiner Handlungsmacht begrenzt ist und seine Handlungsmöglichkeiten dadurch erweitert, dass er sich zur Tatausführung mit anderen zusammenschließt. Die Realisierung seines Vorhabens setzt er in Abhängigkeit zum Handeln anderer, so dass ihm die Tat und damit auch die Tatbeiträge der anderen insgesamt als die seinen mitzugerechnet werden können.[106]
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Bereits der Begriff der Mit-Zurechnung macht deutlich, dass sich die Mittäterschaft dadurch auszeichnet, dass hier der Einzelne nicht das gesamte Tatgeschehen, sondern nur Teile davon beherrscht. Bezogen auf den einzelnen Mittäter hat der Begriff der „Tatherrschaft über das im Tatbestand vertypte Unrecht“ hier insoweit nur eine eingeschränkte Bedeutung. § 25 Abs. 2 StGB, wonach mehrere als Mittäter zu bestrafen sind, wenn sie die Straftat gemeinschaftlich begehen, stellt daher eine notwendige Zurechnungsnorm auf der Ebene des Unrechts dar.
I. Begründung der Voraussetzungen mittäterschaftlicher Begehung
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Grundlage der gegenseitigen Zurechnung von einzelnen Handlungsbeiträgen bildet für die Mittäterschaft die Willensvereinigung freier Subjekte, welche den Unrechtsentschluss des jeweils anderen wechselseitig in den eigenen Willen mit einbeziehen, so zum eigenen Handlungszweck machen und diesen dann mit ihrer je eigenen Tatmacht gemeinsam verfolgen.[107] Dies erlaubt eine wechselseitige Zurechnung des verwirklichten allgemein-rechtsgutsbezogenen Unrechts, nicht aber des besonderen persönlichen Unrechts oder der Schuld (vgl. auch § 29 StGB).[108]
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Die Zurechnung muss daher ein objektives und ein subjektives Element aufweisen, was – zunächst noch unspezifisch – als „bewusstes und gewolltes Zusammenwirken“ bezeichnet und in die Merkmale „gemeinsamer Tatentschluss (Tatplan)“ und „gemeinsame Tatausführung“ gefasst werden kann. Seinen näheren Gehalt erhält die Mittäterschaft nach § 25 Abs. 2 StGB in Beziehung zur Unrechtstat: Der gemeinsame Unrechtsentschluss und die gemeinschaftliche Umsetzung dieses Entschlusses als realisierte Verletzung sind die beiden maßgeblichen Kriterien.[109] „Gemeinschaftlich Begehen“ bedeutet danach das aufgrund eines gemeinsamen Unrechtsentschlusses wechselseitig bestimmende (subjektiv), gemeinsam-gleichwertige Ausführen der Tathandlung (objektiv).
II. Gemeinsamer Tatentschluss
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Der „gemeinsame Tatentschluss“ bildet damit das Fundament der Mittäterschaft. Die Mittäter setzen sich durch ihre gleichberechtige, wechselseitige Willensvereinigung gegenseitig zum Zweck ein und begreifen die Tathandlung des jeweils anderen als Mittel bezogen auf ihre gemeinsam gesetzte Unrechtsrealisierung. Damit bestärken sie sich zugleich gegenseitig in ihrem Unrechtsentschluss und erweitern ihre jeweils eigene Tatmacht um die des anderen.[110] In der Wechselseitigkeit der Willensvereinigung unterscheidet sich die Mittäterschaft von der (täterschaftsgleichen) Anstiftung, welche durch den Missbrauch einer Machtstellung des Anstifters gekennzeichnet ist.[111] Ebenfalls unterscheidet sich die Mittäterschaft durch die gleichberechtigte Willensvereinigung von der Gehilfenschaft, bei welcher der Gehilfe seinen Unrechtsentschluss dem Unrechtsentschluss des Täters unterordnet und daher keine wesentliche Rolle in der Tatausführung übernimmt.
1. Willensübereinstimmung der Mittäter
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Der gemeinsame Tatentschluss fordert danach zunächst eine Willensübereinstimmung zwischen den Beteiligten, der sich auf die gemeinsame Ausführung der Tat richten muss.[112] Ein solcher Tatentschluss ist aber nur dann ein gemeinsamer, wenn er sich als Vereinbarung der Beteiligten darstellt, was einen geistigen Austausch zwischen den Handelnden über den Tatentschluss voraussetzt.[113] Dieser geistige Kontakt verlangt keine ausdrückliche Abstimmung, sondern kann sich auch aus den Umständen ergeben, nicht aber aus einer bloßen Verkehrserwartung, weil es sich bei der Mittäterschaft gerade um kein redliches Geschäft handelt.[114] Maßgeblich ist also stets nur, welche Bedeutung beide „Mittäter“ einer nonverbalen Kommunikation zugemessen haben, nicht hingegen, was der Erklärungsempfänger unter dem Schweigen des anderen verstehen durfte. Ferner müssen sich zwar die Beteiligten nicht untereinander persönlich kennen, zu verlangen ist aber, dass sie sich der einzelne Beteiligte bewusst ist, mit einem anderen überhaupt zusammen-wechselseitig zu agieren.[115]
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Der gemeinsame Tatentschluss muss nicht notwendigerweise vor Versuchsbeginn getroffen werden. Möglich ist auch eine während der Tat entstehende Willensübereinstimmung, sofern diese kommuniziert wird und dazu führt, dass die Mittäter sich gegenseitig in ihrem Unrechtsentschluss bestärken.[116] Ein solcher Entschluss führt jedenfalls hinsichtlich des später verwirklichten Unrechts zur Mittäterschaft (zur sukzessiven Mittäterschaft Rn. 65 ff.). Ein bloßer „Einpassungsbeschluss“, mit dem sich der eine Beteiligte dem Tatplan des anderen anschließt, genügt aber entgegen Jakobs[117] nicht. Eine bloß einseitige, sei es auch noch so wesentliche Unterstützung, von der der andere keine Kenntnis hat, reicht daher für mittäterschaftliches Handeln nicht aus.[118] Die Mittäter müssen sich vielmehr gegenseitig in ihrem Unrechtsentschluss bestärken, den eigenen Tatbeitrag mit Rücksicht auf die Unterstützung durch den anderen erbringen wollen und sich so wechselseitig zum Tatmittel machen.[119] Erst das wechselseitige Zusammenwirken (nicht dagegen die einseitige Mitwirkung) begründet die Einbeziehung des jeweils anderen in die eigene Tatmacht, welche erst die wechselseitige Zurechnung erlaubt.
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Eine gemeinsame Ausarbeitung des Tatplans ist nicht erforderlich, der Tatplan als solcher kann also auch der Tatplan nur eines Mittäters oder sogar eines Dritten sein, der nur als Teilnehmer auftritt.[120] Die Bezeichnung als „gemeinsamer Tatplan“ ist in diesem Sinne ungenau, da sich die Mittäter auch den Plan eines anderen zu eigen machen und diesen so zum gemeinsamen Tatplan erheben können. Der gemeinsame Unrechtentschluss muss jedoch zu einer wechselseitig bestimmenden Einflussnahme der Mittäter aufeinander führen. Diese bestärkt den jeweils eigenen Unrechtsentschluss und stärkt zugleich die Tatmacht. Aus diesem Grund reicht es nicht aus, wenn dem Haupttäter der Tatbeitrag des anderen gleichgültig ist,[121] denn eine solche Tätigkeit mag die Tatbegehung fördern und eine Beihilfe begründen, sie vermag es aber nicht, in tatmächtiger Weise den Unrechtsentschluss des Haupttäters zu bestärken. Eine solche Bestärkung wird indes zumeist durch eine Zusage im Hinblick auf die Ausführung der Tat gegeben sein.
2. Der Inhalt des Tatentschlusses
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Der gemeinsame Tatentschluss muss sich auf die (konkrete) gemeinsame Tatausführung hinsichtlich des in den Tatbeständen des Besonderen Teils „vertypten Unrechts“[122] (vgl. hierzu → AT Bd. 3: Noltenius, § 50 Rn. 53) richten. Daher reicht es, unabhängig