Echsenherz. David Dour. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: David Dour
Издательство: Автор
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Год издания: 0
isbn: 9783960082002
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Schmerzen! Trotz all der Qual, den Gottheiten zum Dank! Er dachte weiter: Wenn es Wahrheit sei, was es mir zu schauen hat, dann ist die Wiederkehr Hyrus’ in das Reich der Lebenden, die übrigen Umstände betrachtend, nicht nur unabdingbar, sondern auch unsere geringste Sorge und einzige Hoffnung! Die abtrünnige Gottheit Oraia voller grotesker Boshaftigkeit!

      Azan korrigierte jetzt wieder den Sitz seiner Binde, kratzte sich nachdenklich am Haupt, schüttelte sein Haar zur Seite. Da war auch schon Pyron zurückgekehrt, legte seinem Bruder sachte die rechte Hand auf die Schulter, erkundigte sich förmlich nach seinem Befinden: „Hast du etwas gesehen, Bruder, hattest du eine Vision?“

      Doch dieser verneinte nur mit einem Kopfschütteln und hörte still, was der Drachenartige sprach: „Ich habe für uns etwas Nahrung, getrocknetes Fleisch und etwas Obst erworben, auch ein wenig Futter für die Pferde. Lass uns hier bis zum Abend eine Rast machen, uns etwas ausruhen. Falls du beim Schlafen etwas siehst, etwas gesehen hast, solltest du nicht zögern – wecke mich, selbst dann, wenn dir die Neuigkeit wie unbedeutend erscheinen mag. Hier sind wir sicher.“

      Abermals antwortete der Mittlere der drei Brüder nur durch eine leichte Bewegung seines Hauptes. Der Drachenmann versorgte die Pferde, bereitete die mitgebrachte Nahrung zu, breitete sie anschließend zu Azans und zu seinen Füßen aus und gemeinsam aßen und ruhten sie im Schatten des Baumes. Und tatsächlich, während beide schliefen, träumte Azan von der bereits erwähnten flüchtigen, namenlosen Elfenartigen.

      Mit der hereinbrechenden Abenddämmerung und dem weich aufziehenden Abendnebel weckte der Verwandelte seinen Bruder aus dem Schlaf. Die Vögel zwitscherten bereits ihr Abendlied und auch die Pferde hatten geschlafen. Kaum dass Azan wach war, frug Pyron ihn: „Hatte es dir etwas Wichtiges zu schauen? Vielleicht sogar von der Elfenartigen aus Masir?“

      „In der Tat, Bruder“, entgegnete ihm Azan nach einem kleinen Verweilmoment. „Es macht mir den Eindruck, als seien dunkle Umtriebe zugegen. Sie befindet sich nach wie vor in Masir, jedoch ist sie dort nicht mehr sicher – obwohl sie dieses für eine lange Zeit gewesen. Wir sollten uns demnach sputen, in die Stadt zu gelangen, wer weiß, wie lange sie sich noch zu verstecken in der Lage. Auch meine ich nun ihren Namen zu kennen, er lautet: Anna von Seron.“ Der Blinde stockte.

      „Trotz allem werden wir frühestens übermorgen zum Abend hin Masir erreichen können“, erwiderte Pyron. „Wir sollten also umgehend aufbrechen, ist Anna von Seron wirklich so wichtig, dürfen wir kein Risiko eingehen. Die Rettung unseres Bruders ist oberstes Gebot, hierzu dürfen wir nichts außer Acht lassen!“

      Pyron machte sich langsam an den Pferden und am Gepäck zu schaffen; Azan fing schleppend und träge an sich zu bewegen, nachdem er den Sitz seiner Augenbinde festigte: „Noch etwas, Bruder: Ich meine, dass wir schon zu früheren Zeiten in Loto lebten, existiert hatten!“

      Getrennt von meinem geliebten Weib Nogard, wurde ich schon vor sehr langer Zeit in die Einsamkeit meiner Höhle verbannt, dazu verurteilt, vielleicht für immer dort als Gefangener der Götter zu leben. Nogard, jene Kraft, welche heute einigen als die große Meerhexe bekannt ist, ging damals, vor neun Jahrhunderten, mit ihren Gefolgsleuten ins Exil ins Meer – und auch meine Tochter Auroria habe ich niemals in meine Arme schließen können. Wie kam es zu dieser Tragödie, welcher ich meine Einsamkeit zu verdanken habe?

      Aufgrund der Verstrickungen der Umstände zur Zeit des „Großen Krieges“ wurde Nogard damals das Medium eines mächtigen Dämons der gefallenen Gottheit Mata, doch wurde aus der Gunst des Rates der „Großen Sieben“ heraus ihr Ich und Selbst bewahrt, sie wurde jedoch zur Hexe. Da ich es nicht schaffte, für sie einzustehen, als es am wichtigsten war, kam diese verheerende Strafe über mich: Ich wurde von der Gottheit der Gerechtigkeit, Quoron, dazu verbannt, in dieser Höhle zu verweilen, bis ich ein bestimmtes Rätsel gelöst hätte, welches er mir mit in die Einsamkeit gab: „Welcher Stern fehlt am Himmel?“, so waren die Worte des Gottes, welcher mir dieses als Mysterium für alle Zeiten mitgab, das, sollte ich es lösen, zu meiner Befreiung führen sollte.

      Bis auf die seltenen Besuche des Phönixes Syphur, der mir – obwohl ich weder zu essen noch zu trinken brauche – bisweilen Speis und Trank bringt, mich an seinem warmen und weichen Gefieder erfreuen lässt, lebe ich in vollständiger Einsamkeit und ein Ausweg oder eine Flucht – gar mit Syphurs Hilfe – sind ausgeschlossen, bis zur Lösung der Kopfnuss.

      Eine Freude ist mir jedoch verblieben, denn ich, Lamag, sehe in jedem einzelnen Tropfen, welcher von den Stalaktiten meiner Höhle herabfällt, die Geschicke einer jeden Kreatur Lotos und auch die meines Weibes Nogard, ebenso weiß ich von den Verwandlungen aller drei Brüder, den Absichten des Fürsten Serktat und der wiedererstarkenden, bösen Kraft Oraias, jener Gottheit, die einst als Mata nahezu die ganze Welt Lotos vernichtete. Im Kommenden sichte ich in den winzigen Wassertropfen, die gleich in Zeitlupe zu Boden hinabtropfen, die Begegnung des Verwandelten Pyron und seines Bruders mit der Elfenartigen Anna von Seron, inwiefern sie unter der Gottheiten Gunst stehen und welchen Niederrungen sie auf den zukünftigen Wegen zu trotzen haben. Dies alles lehrte mich eines, nämlich, dass die Geschicke der Leben Lotos verwoben sind wie die Fäden des Netzes einer Spinne. Und ich weiß auch, dass der Rat der „Großen Sieben“ seit jeher gerade die schwierigsten seiner Angelegenheiten den Bewohnern der Welt Lotos auferlegt hat. Für den einen oder anderen mag solches Handeln von den Seiten der Götter schwer verständlich sein, doch gerade durch diese Bürde sind in Loto auch viele Weise und Verständige groß geworden – auch viele Heiler –, sowohl unter den Mannen als auch unter den Frauen.

      Leider ist es so, dass die Gefahr, die Bedrohung, welche Loto und den Seinen heutzutage angekündigt, mitnichten weniger vernichtend und grausam ist als damals, vor neun Jahrhunderten, zum „Großen Krieg“.

      Der einst als Mata Bekannte, die heutige Oraia strebt in ihren Formen nach wie vor die Unterjochung des Rates der „Großen Sieben“ an. Und gerade da es lediglich einige wenige sind, die davon wissen, so beziehen doch schon die Kräfte der Zerstörung nach und nach ihre Positionen. Das erstarkende Ungleichgewicht wird, sofern es nicht unterbunden wird, für ein „Jeder gegen jeden, Mann gegen Mann“ sorgen, wenn es nicht innerhalb des nächsten Mondes grundlegend verhindert wird – ähnlich wie damals, zur Zeit des „Großen Krieges“. Die Gottheit Mata in ihrer neuen Seinsform hat bestimmt an Macht gewonnen, und ob und wie die Bewohner Lotos diese Lektion erfassen – dieses wird allein die Zeit zeigen können. Die finsteren Mächte trumpfen mit verwandelten, bösartigen Lebensformen, von ihrer Beschaffenheit Pyron ähnlich, sie sind nahezu nicht zu töten und beinahe die größte Gefahr für die Bewohner Lotos, die Brüder, meine Tochter Auroria und … Anna von Seron.

      Und noch etwas vermögen mir die wie in lebendiger Sprache sich mir gegenüber formulierenden Wassertropfen zu verstehen geben: Wie damals, als das mythische Drachenwesen zur Verwandlung gebracht, gezwungen wurde, wird auch dieses Mal der sagenhafte Kristall Loretium allein die nötige Rettung herbeiführen können, und: Wird es den Freien, jenen, die des Lichtes sind, nicht gelingen, den Machenschaften des Abtrünnigen, des Verräters Serktat, ein Ende zu setzen, so werden in diesem Handlungsfeld die Kräfte des Guten höchstwahrscheinlich verlieren.

      In der grauen Einsamkeit meiner Höhle warte ich darauf, dass die Geschickverflechtungen zu der lange erhofften Begegnung mit den Brüdern führen, jenen beiden, welche schon vor neun Jahrhunderten zur Befreiung der Gerechten beitrugen. Ich meine, die Lösung des Rätsels und somit meine Losung zur Freiheit zu kennen, denn: Löste ich eben dieses Rätsel, so hieß es, dann würde ich aus meiner Verbannung entlassen, ein Versprechen, welches mir wert war, des Tages und der Nacht über der Frage des Gottes der Gerechtigkeit zu sinnen.

      Sogar meine einstige Geliebte, jene, die heute als die machtvolle Meerhexe bekannt ist, hat nicht die Macht, mich zu befreien, bis des Rätsels Lösung offenbar. Ich weiß, nähere ich mich der Losung des Rätsels, nähert sich mir meine Befreiung.

      Seine königliche Majestät seufzte etwas genervt: Auch wenn der höfische Magier