Echsenherz. David Dour. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: David Dour
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Год издания: 0
isbn: 9783960082002
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da sie von niemandem außerhalb ihres Hofes Rechenschaft verlangt.

      Im Ödland des Westens sollen sich noch heute gefallene Engel und Geister aus der Zeit des Krieges unter der Gottheit Mata und ihren Anhängern Sklaven befinden; Wagemutige (und Gierige) schürfen dennoch dort nach Erzen, da die Zeit des Schlachtens und der gräulichen Missetaten schon fast in den Rahmen der Legenden gehört. Lediglich kleinere Konflikte hatten Loto seit neun Jahrhunderten heimgesucht. Zur Erklärung: Zur Zeit des „Großen Krieges“ hatte Mata, ein vom Rat der Gottheiten abgefallener Gott, mit seinen Engeln – die geläufig als Dämonen bezeichnet werden – versucht, die Welt Loto in einen alles vernichtenden Kriegsschauplatz zu verwandeln, um die Macht der männlichen und weiblichen Gottheiten im Rat alleine an sich zu binden. Versteckt im Körper eines riesigen Drachens hatte er mit List und Verführung für willfährige Lakaien gesorgt, welche, zahlenmäßig „den Freien“ weit überlegen, nur durch das tapfere Handeln einiger weniger Recken daran gehindert worden waren, diese schöne Welt zu zerstören.

      Die Bewohner von Loto wissen von acht Gottheiten, sieben guten, gütigen und gerechten Wesenheiten, die oftmals zwar streng, doch wohlwollend über die Völker von Loto wachen und Verantwortung tragen – und einem abgefallenen Gott. Dieser Rat der „Großen Sieben“, die guten Götter und Göttinnen, sind in Rang und Namen aufgeführt: Die Gottheit der Sonne, Oras, der Herr über alle weiteren – der Göttervater eben; er soll sehr weitsichtig sein.

      Ores, Sohn von Oras, dem Geist und dem Geistigen zugeordnet, eine beflissene Gottheit, vielleicht etwas eitel.

      Der Bruder Ores’ ist Hamor, Gottheit der Kriegskunst und der Kampfeslust, Befehlshaber über die himmlischen Heere – mutig und stark steht er jenen bei, die bereit sind, für ihre Sache bis zum Tode zu kämpfen.

      Horkat, der Befehlshaber über die Zeit in der gegenwärtigen, vergangenen und zukünftigen Form – über seine Weisheit und über sein Wissen wagt niemand ein Wort zu verlieren!

      Dann gibt es noch das Götterpaar Surayo, Göttin der Liebe, und Quoron, jener der Gerechtigkeit – ihre Bedeutung und ihr Herrschaftsbereich ist die Harmonie. Besonders zu erwähnen ist, dass, selbst wenn diese beiden räumlich voneinander getrennt sind, sie doch immer gemeinsam erscheinen – wie es eben nur bei Gott und Göttin möglich ist.

      Des Weiteren hat es noch Penot, einen Meister der Wortkunst und des Schauspiels, jener Kraft, der alle Wandlungen und Transformationen zu eigen sind – und somit auch die Magie –, sowie zuletzt Oraia, jene abgefallene Göttin, die dreist von sich behauptet, dass sie die älteste der Gottheiten sei, welche einst jenes üble Wesen Mata war und ganz besonders durch den tapferen Einsatz der Recken Matorro, Lotuno, Idrol zur Zeit des „Großen Krieges“ durch den sagenhaften Kristall Loretium von Mata zu Oraia wurde. Mata/​Oraia unterstehen die Schönheit und alles Schöne und stets strebt diese Gottheit, als Einzige und Allerpracht anerkannt zu werden – koste es, was es wolle. Die finstere Kraft ist auch als der „Dunkle Eine“ bekannt.

      Auroria weinte bitterlich am Fuße der Statue ihres Verlobten Hyrus, langte mit ihren Händen nach dem kalten Stein. Die Meerhexe hatte der Meerfrau bei ihrem Gesuch eine Mahnung erteilt, darauf gerichtet, dass sie in ihrer Entschlusskraft, Hyrus zu heiraten, auch auf dessen Einsichtigkeit vertrauen könne. „Du hast dich darüber im Klaren zu befinden, ob zwischen euch – dir und Hyrus – nicht nur Liebe alleine, sondern auch ausreichend Weisheit vorhanden ist!“, so die Worte der Meerkönigin Nogard – ihre tatsächlichen Absichten geheim haltend.

      Hier und jetzt hallte der gellende, kurze Entsetzensschrei Hyrus’ noch in Aurorias Ohren. Die große Königin der Meere, obwohl angeblich weise und gerecht, ward auch sehr gefürchtet – dies war es, das nun auch die vormalige Bittstellerin schmerzlich erkennen musste. Die Abenddämmerung wich jetzt geschwind der langsam einkehrenden Dunkelheit der aufziehenden Nacht. Innerlich zerrüttet saß Auroria kniend vor der Versteinerung Hyrus’ im feuchten Sand und fröstelte. Mit ihrem leichten Gewand aus Tang bekleidet, hörte Auroria, wie die Abendmöwen leise in der Ferne pfiffen, auch wie sich das Meer in seichten Wellen am Sandstrand brach, Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Erst recht jetzt, da sie die Prüfung der Meerhexe Nogard nicht bestanden hatten, würde sie nicht mehr zurückkehren können. Waren sie wirklich so einfältig gewesen?

      Weiterhin versunken in Wehklagen, bemerkte Auroria nicht sofort, dass keuchend zwei Männer hinter sie getreten waren: Pyron und Azan waren von ihrem Heim, nachdem sie der Gottheiten Botschaft erhalten hatten, sofort zu der Stelle am Strand geeilt, welche ihnen Hyrus bereits vor seinem Abschied beschrieben hatte.

      „Auroria?“, frug Pyron, der älteste der drei Brüder, zaghaft, vorsichtig bei der im Sand knienden Frau nach.

      Diese erschrak, blickte hastig vom erstarrten Hyrus nach oben, wandte sich um. Die Brüder scheu musternd, antwortete Auroria zögernd zur Bestätigung, bevor sie ihren Mut zusammennahm und unter Tränen weiterfrug: „Ihr seid wohl die Brüder meines geliebten Hyrus?!“

      Pyron und Azan hatten zuerst nicht bemerkt, dass ihr Bruder versteinert war, und so antwortete ein jeder der Meerfrau zuerst mit einem Kopfnicken, bevor ihnen dann richtig gewahr ward, was geschehen: Und klagevoller Zornesschrei verließ die Münder der beiden Brüder.

      „Bei den Göttern! Das kann doch nicht wahr sein, was ist mit unserem Bruder geschehen?!“

      Nicht wissend, an wen er sich in seinem Leide zu wenden hatte, setzte Azan Auroria mit dieser Frage, ohne es zu wollen, zu – Anklage schwang in seinen Worten mit. Doch Pyron legte beschwichtigend seine Hand auf seines Bruders Schulter, deutete auf Auroria und mahnte ihn an, zu schweigen.

      „Ich bin mir sicher, Auroria kann nichts für den Zustand unseres Bruders. Was immer hier geschehen ist, sie wird uns mehr helfen als schaden können. Sie war die Lebensliebe Hyrus’! Was ist Euch und ihm widerfahren, werte Auroria?“

      Zuerst öffnete die Meerfrau ihren Mund, um ihn wieder zu schließen, ohne etwas gesagt zu haben, dann aber, wenn auch zögerlich, begann Auroria den beiden Brüdern zu berichten, was vorgefallen war. Und wie sie mit ihrer Verbindung von vor vielen Monden anfing, ihrer gemeinsamen Liebe, da wurde es über ihre Erzählung hinweg finster, und wie die Meerfrau zu dem Bann, ihrer Prüfung und zu der großen Hexe der Meere Nogard kam, da ward es mittlerweile Nacht und sie schloss ihren Bericht mit der Versteinerung ihres geliebten Hyrus sowie der Begegnung mit ihnen, den beiden Brüdern Pyron und Azan. Hilflos und mutlos schauten sich die drei durch das Dunkel hinweg an. Am klaren Himmel über dem Meer prangte ein prachtvoller, blauer Mond. Obwohl es auch ihn an diesem späten Herbstabend fröstelte, entschied sich Pyron, seinen Mantel auszuziehen und ihn Auroria mit den Worten „Das wird euch guttun!“ über die Schultern zu legen.

      „Unser Bruder ist versteinert, Euer Gemahl somit vielleicht nicht zu erreichen. Auch wir teilen Euren Schmerz, holde Maid, doch wir müssen einen Weg finden, ihn zu heilen, damit der Fluch gebrochen wird und Hyrus nicht für immer ein Fels bleibt! Ist die Meerkönigin Nogard Euren Worten nach nicht auch für ihre Weisheit bekannt? Versteht Ihr vielleicht den tieferen Sinn dieser grausamen Prüfung?“

      Es war nicht nur für Auroria offensichtlich, dass Pyron sich an jeden Halm an Hoffnung zu klammern suchte, ein Empfinden, welches auch in seiner Stimme mitschwang und rauszuhören war. Doch Auroria schüttelte lediglich verbittert und traurig ihren Kopf, auch sie erfasste nicht den umfassenderen Sinn der Ereignisse: „Die Meerhexe, Königin Nogard, ist nicht dafür bekannt, dass sie in ihren Entscheidungen umzustoßen ist. Für gewöhnlich vermag niemand die wahre Absicht hinter ihren Erlässen und Befehlen zu erkennen.“

      Für einen Moment lang war das Schweigen nahezu erdrückend, und für alle offensichtlich geschwächt, umrundete der Älteste mit den glatten Gesichtszügen die Steinstatue ihres Jüngsten, ergriff kurz darauf gedämpft das Wort: „Ich meine zu wissen, dass es sich bewahrheitet hat, dass es gerade in schwierigsten Situationen hilft, zum Rat der ‚Großen Sieben‘, der Gottheiten, zu beten. Lasst uns dies tun, denn jede noch so geringe Hoffnung darf nicht vertan sein! Ich glaube, wenn uns einer helfen kann, dann sicherlich nur er!“

      Die