Echsenherz. David Dour. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: David Dour
Издательство: Автор
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Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783960082002
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sind wir also, in Masir, der Stadt, dem Ort mit der besagten sehr wichtigen Elfenartigen Anna. Ich schlage vor, dass wir vorerst die Rösser und uns versorgen, eine geruhsame Nacht rasten, um uns zu stärken, bevor wir uns dann auf den Weg machen, sie zu finden. Oder widerspricht eine deiner Sichtungen diesbezüglich?“

      Zuerst schwieg Azan teilnahmslos, dann schüttelte er den Kopf, er seufzte etwas, dann sprach er: „Nein, mein Bruder, seit heute Morgen habe ich keinerlei Sichtung mehr empfangen – gar nichts. Vielleicht …“, wollte Azan fortfahren, doch er wurde zügig von seinem Bruder Pyron bereits ergänzt: „ … liegt es an dem magischen Schutz, welcher die Elfenartige umgibt, oder die Götter und Göttinnen haben uns eben nichts Wichtigeres mitzuteilen. Nur zu schade, dass wir uns nicht früher mit magischen Belangen befasst haben und uns demzufolge nicht wirklich mit so was auskennen.“ Azan zuckte ungerührt mit den Achseln.

      Mittlerweile war es bereits Nacht und trotzdem konnte Pyron alles hervorragend erkennen – die Pferde hatten sich bereits todmüde zum Schlafen gelegt, ihr warmer Atem kondensierte in der kühlen Luft. Auch dem Verwandelten war die Erschöpfung trotz seiner starken Fassade und seiner Haut aus Schuppen anzusehen. Pyron unterbrach den Moment der Stille: „Verweile hier, Azan – ich suche, uns derweil mit einer Bleibe und die Pferde mit dem Notwendigen zu versorgen.“

      Nach wie vor zeigte sich Azan ungewohnt schweigsam. Während sein Bruder sich daranmachte, sich auf den Weg zu begeben, streichelte der Geblendete abwechselnd seine Stute und den Hengst Pyrons. Dieser zog seinen Mantel enger, tastete nach dem mitgeführten Beutel mit den Silberlingen und schon brach er auf zur Suche nach einer angemessenen Bleibe für sie während der Nacht bis zum Morgen. Unterweil der Drachenartige in seinem schlabbrigen, gebundenen Mantel unterwegs war, lehnte sich Azan gegen die seine Stute, welche wie der Hengst bereits lag, genoss die in der kühlen Luft dampfende Wärme des Körpers des Tieres. Der Seher sann fortwährend nach und wie er dieses tat, überkam ihn mit der Wartezeit der Schlaf, in welchem er rege zu träumen begann. Ja, seine Erschöpfung war wirklich groß gewesen.

      In den dunklen, nur schwach beleuchteten Straßen von Masir wurde Pyron auf seiner Suche relativ rasch fündig; die Taverne „Zum lachenden Elfen“ schien auf die Bedürfnisse der Brüder und ihrer Pferde zurechtgeschnitten. Nachdem er mit dem dicken Wirt, einem Menschen, der sich über den merkwürdigen Gast zu dieser Zeit offensichtlich nicht wunderte, verhandelte, beschloss der Drachenartige, noch etwas die Pfade der Stadt zu erforschen – erst dann machte Pyron kehrt, selbst sehr erschöpft. Nicht lange und der Verwandelte fand zu seinem tief und fest schlafenden Bruder zurück – er und die Rösser waren glücklicherweise unbehelligt geblieben – und beide machten Einkehr.

      Mit dem sonnenbeschienenen Anbruch des nächsten Tages, Pyron und Azan hatten sich und die Pferde gerade ein weiteres Mal mit dem Nötigen versorgt – die Brüder befanden sich in ihrem Quartier in der Taverne –, folgte ihre Lagebesprechung: „Ich werde mich abermals auf die Suche nach Anna machen. Ich vermute, dass es hier nicht allzu viele Elfenartige und Elfen hat, und auch wenn die Stadt recht groß ist, vertraue ich darauf, dass ich fündig werde. Wie du mir bereits zuvor – anlässlich deines nächtlichen Traumes – zugetan, vermutest du, dass sie sich unter dem bettelnden Volk aufhält?“, frug Pyron Azan. Dem starken Verwandelten war die Sorge in seiner Stimme um seinen geblendeten Bruder anzuhören; hatte er jedoch wegen seiner Veränderung weniger Grund, sich zu sorgen?

      Beide hatten sie gerade ihr erstes Mahl beendet, der Blinde strich sich die Brotkrümel aus den Mundwinkeln, dann entgegnete er seinem Bruder und der zu erkennenden Besorgnis: „So ist es – ich sah sie unter den Armen Masirs. Ich werde die Gelegenheit zu einer weiteren Rast nutzen; ich werde schon allein zurechtkommen.“

      Irgendwie verschmitzt lächelte Azan seinen Bruder Pyron an. Dieser legte ihm seine rechte Hand auf die Schulter, drückte diese in der Absicht, Trost zu stiften. Sowohl in Azan als auch in dem Ältesten der drei keimte der Schmerz über Hyrus’ Verlust, fraß sich Gänge – ebenso die Sorge um Auroria.

      Pyron verließ den Gasthof „Zum lachenden Elfen“, trat hinaus in die vom Morgentau bedeckten Straßen und Wege, atmete tief die kühle Luft des erstarkenden Tages und mit einem letzten Blick zurück begab er sich in Richtung des Zentrums von Masir.

      „Es wird wohl eine Zeit lang dauern …“, murmelte er, während seine Zunge nach wie vor aus seiner krokodilsartigen Schnauze zückte. Pyron war versunken in Gedanken bei der Elfenartigen, von der er lediglich eine vage Vorstellung hatte, wie sie aussah. Rings um die Gebäude und Gemäuer von Masir fing es an sich zu füllen, erste Kaufleute und Handeltreibende – der eine mehr, der andere weniger mit Gepäck beladen – waren zu sichten. In Erinnerung an den gestrigen Abend, die erste Begegnung mit dieser Örtlichkeit und seinen bis dahin verbliebenen Eindruck beschloss Pyron, dass er sich ohne Umwege zum nicht weit entfernt gelegenen Marktplatz begebe, um dort seine Suche nach der unbekannten Anna von Seron zu beginnen. Der Drachenartige war leicht missmutig, er hatte keinen direkten Ansatzpunkt für seine Suche, außerdem fürchtete er um die Elfenartige und somit zeitgleich um Hyrus … und Auroria, da Anna, laut Azans Worten, der Schlüssel sei. Es mag sein, dass Anna auf der Flucht ist und in Gefahr schwebt, auch ist es bestimmt töricht, mich nach ihr zu erkundigen. Dennoch darf ich keine Möglichkeit ungeachtet lassen … Pyron entsann sich dessen, dass sich die Elfenartige womöglich unter dem bettelnden Gesinde aufhielt – und mit Sicherheit war ein solches Geschöpf leicht von den Menschen zu unterscheiden.

      Auch wenn es einige Zeit dauern sollte, fand der Verwandelte tatsächlich schließlich, wonach er gesucht hatte: Auf dem Marktplatz der Stadt trieb sich allerlei verschiedenes Volk herum, eben auch viele Bettelnde. Pyron hatte beständig darauf geachtet, dass sein Gesicht verborgen war, und auch, dass seine Hände nicht so leicht und sofort zu erkennen waren. Weil sich Anna von Seron nicht unter den Armen zum Markte befand, gab er hier und da einen Silberling, erkundigte sich bei einem nach Almosen langenden Mann und einer Alten vorsichtig nach Anna und doch, obwohl ihm niemand und keine helfen konnte oder mochte, sein Glück war ihm hold: Schon war es Mittagszeit und während Pyrons Magen bereits empfindsam knurrte, beschloss dieser, die Suche dennoch eine Zeit lang fortzusetzen, sich erst dann zu seinem Bruder in den Gasthof zurückzubegeben.

      Wie der Drachenartige unweit des Marktplatzes in einer abgelegenen, dunklen Gasse angekommen war, kam Pyron zu dem Schluss, es für jetzt bleiben zu lassen, doch just fiel sein Augenmerk auf eine in der Ecke kauernde, vermeintlich alte Bettelfrau. Unbehelligt befand sie sich inmitten einer Traube an Freudenmädchen, welche dort in der Abgeschiedenheit vom Trubel ihre zwielichtigen Dienste feilboten, und der Verwandelte empfand Mitgefühl mit ihr. Gerade, dass er sich behände zu der scheinbar bejahrten Frau begab, um ihr einen Silberling zuzustecken und gegebenenfalls bei ihr sein Glück auf seiner Suche nach der Elfenartigen auszulasten, unterdessen ihn, den Bemäntelten, die Freudenmädchen mit flotten Sprüchen zu gewinnen versuchten, da signalisierten Pyrons Sinne ihm Gefahr und er hielt inne. Der Drachenartige ignorierte das ihn umgebende Gesinde und ihre offenkundigen Bestrebungen und richtete seine Aufmerksamkeit abermals auf das Mütterlein am Ende der Gasse. Hatten seine Augen ihm ein Trugbild aufgesetzt? Die Freudenmädchen waren nach und nach mit ihren Sprüchen verstummt, einige hatten sich zum Teil beim Näherkommen des Drachenmanns angewidert abgewandt, da kam auf einmal Bewegung in die Bettlerin – und sie war in der Tat kein altes Weib. Die Elfenartige erhob sich langsam und Pyron musste feststellen, dass es sich bei ihr um keinen Fall um eine einfache Alte handelte, nein, denn kurz lugten ihre langen, spitzen Ohren unter der schmierigen Kapuze hervor. War dieses Geschöpf die besagte Anna von Seron?

      Noch immer spielten seine Sinne verrückt, zeichneten ihm weiterhin Gefahr, und zugleich der Drachenartige meinte, dass die Bettlerin seine Absicht, zu ihr zu gelangen, erkenne, da beschloss dieser, mit offenen Karten zu spielen: Hastig entblößte Pyron sein großes Haupt, indem er seines Mantels Kapuze herunterzog, gab sich zu erkennen – und fing an sich zu sputen. Offensichtlich jedoch scheute sie nicht vor ihm, und während er sah, wie die Elfenartige, von der der Verwandelte vermutete, dass diese Anna von Seron war, sich schickte, sich davonzumachen, bemerkte er, dass er ihre geringste Sorge zu sein schien. An den Hauswänden der Gasse über ihnen krochen gegen das Licht der Sonne schwer zu erkennende, schwarze Schatten entlang, kamen langsam, bedrohlich näher und weiter hinab in das Gasseninnere. In seiner Verzweiflung und Absicht, der Elfenartigen zu helfen,