Echsenherz. David Dour. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: David Dour
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Год издания: 0
isbn: 9783960082002
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den Bediensteten des Hofes, Zauberer Tresu, freundlich: „Wie wir beide wissen, wird Fürst Serktat in weniger als sechs Tagen hier eintreffen. Es ist jetzt wirklich nicht die Zeit für Späße, nicht einmal für so lustige und gut gemeinte.“

      Tresu nahm Haltung an, verbeugte sich vor Seiner Majestät Atuk, dann klaubte er seine Sachen und machte kehrt. In dem schmucken Thronsaal herrschte eine angenehme Temperatur, an diesem späten Nachmittag im Herbst schien die Sonne golden in die Halle. König Atuk hatte wie gewohnt milde reagiert, da sein Vater, König Ettek, ihn gelehrt, sich zu mäßigen, ebenso wie seine Mutter, Königin Reiha, ihn darin unterwies, Nachsicht zu üben: „Weswegen aus einer Mücke einen Elefanten machen?!“, war der Leitsatzder gutmütigen, früheren majestätischen Mutter, die wie ihr königlicher Gemahl erst vor einer Sonne an einer mysteriösen Krankheit verschieden war; kein leichtes Brot für Atuk, doch mit seinem Stab an Getreuen hatte er sich bald an den Platz des Regenten gewöhnt.

      Der Hofzauberer Tresu war bekannt für seine Treue, er hatte lediglich danach gestrebt, den König, Seine Majestät zu erheitern, somit war des Königs Milde durchaus gerechtfertigt. Auch widersprach seine ansonsten qualitativ hochwertige Arbeit dem vermeintlichen Missgeschick dahingehend, dass die Absicht zur Erheiterung Seiner Majestät und der anwesenden Bediensteten definitiv zu durchschauen und zu erkennen war.

      Wenn nichts schiefginge, würde der Elf Fürst Serktat in den frühen Abendstunden des sechsten Tages von jetzt an eintreffen. Ein elfischer Botenjunge hatte heute den Hof erreicht, welcher vor fast sechs Tagen bereits losgeritten war, um neben den Grußworten in Gepflogenheit zu und an seine königliche Regentschaft Atuk auch über Fürst Serktats Befinden kundzutun.

      „Sehr schön, gut gemacht!“, hatte König Atuk ihn, den Boten – welcher übrigens den Namen Rosti trug –, geheißen, nachdem er erfuhr, was diesem zu verkünden aufgetan war. Er, der König, hatte diesem einen Sold für sich und eine versiegelte Grußrolle für den Fürsten Serktat überreichen lassen, die der elfische Kurier, welcher nahezu umgehend wieder losgeritten war, ihm vermutlich in drei Tagen überbringen würde. Wenn alles gut liefe und sich Rosti und die Eskorte um Fürst Serktat wie geplant auf der Mitte des Reiseweges träfen, hätte Serktat bereits sehr früh erste Verheißungen von den Sehern und Seherinnen König Atuks.

      Die tatsächlich zum Teil sehr vagen Äußerungen der höfischen Bediensteten – der Visionäre und Wahrsagerinnen – ließen die Hoheit an deren Talenten zweifeln oder vermuten, dass sie zu wenig Übung in ihrem Fach besaßen, wobei eines jedoch feststand, nämlich, dass sie in einer Angelegenheit allesamt übereinkamen: Sollten sich einerseits die einen Zeichen bewahrheiten, andere wiederum sich nicht erfüllen, dann würde es erneut zu einem Krieg und einer Katastrophe kommen, wie damals, bevor es dem Urahnen Seiner Majestät gelang, dem mythischen Drachenwesen das eigens dafür hergestellte Schwert ins Herz zu stoßen. Dieser Recke, der der erste Vertreter des neuen königlichen Geschlechtes war, trug übrigens den Namen Onra – dies alles ist bereits sehr lange her. Leider war es aktuell offensichtlich keinem der zuständigen Seher gelungen, gewichtige Details, Umstände zu nennen oder zu bezeichnen, auch über bereits Eingetroffenes waren sie sich bis zuletzt uneins.

      Wie bereits angeführt, trotz seines recht jungen Alters von gerade einmal neunzehn Sonnen, war Seine Majestät Atuk seit einer knappen Sonne verheiratet. Momentan war es bereits Abend, er und seine Gemahlin, Ihre königliche Majestät Roya, befanden sich in dem von außen bewachten Schlafgemach – und beide hatten sich am Rande des Lagerplatzes niedergelassen. Die königliche Ehefrau streichelte sanft mit ihrer rechten Hand das kurze, schwarze Haar ihres Gemahls, Seiner Majestät Atuk, strich ihm zärtlich über das Antlitz. Die Königin Roya war knappe drei Sonnen jünger als Atuk und sie hatten erst zu Beginn dieser Sonne, also im Frühling, geheiratet, obgleich sie sich schon seit ihrer Kindheit kannten.

      Die frischgebackene Königin stammte aus einer Adelsfamilie eines benachbarten Fürstentums, welches dem König Atuk als Untertan, und hatte den König voller Liebe geheiratet. Zu dieser Zeit waren Hochzeiten zu solch jungen Maiden gewöhnlich, doch schämte sich Atuk in Anbetracht Royas jugendlicher, nahezu noch kindlicher Unbefangenheit. Der König fühlte seiner Gemahlin wohlige Nähe und roch Royas angenehmen Duft, genoss ihre Liebkosungen. Der königliche Herrscher wusste, dass sie ihm Mut machen wollte, obwohl die Königin die Ausmaße und Tragweite der Umstände, so wie Atuk, noch nicht absehen konnte. Unabhängig davon war sie auch selbst nicht an der Regentschaft beteiligt – und das, obwohl Roya bei Weitem sehr klug war. Ja, Herrscher Atuk vertraute ohne Vorbehalte auf den Rat seiner Frau und ihre einsichtigen Zusprachen, und unterweil seine Königin sich durch ihr glattes, langes, blondes Haar strich, um sich dann zu formulieren, lauschte Atuk gebannt: „Mein geliebter Gemahl!“

      Atuk unterdrückte ein Grinsen, denn obwohl er es nicht mochte, dass die Königin ihn, Seine Majestät, – gleichsam in Liebe – so nannte, konnte dieser sich einer leichten Erheiterung dadurch nicht entziehen.

      „Mein Gebieter! Mein altehrwürdiger Vater sprach stets zu mir: ‚Roya, gerade dann, wenn du dich in Sicherheit wähnst, solltest du dich stets des doppelten Bodens vergewissern können.‘“ Sie stockte einen Moment lang, holte Luft. „Was ich damit meine, ist: In einer Zeit, in der es Vorboten einer enormen Zerstörung hat wie jener, von der alle sprechen, dann darf sogar mein weiser und gütiger König nicht einmal mir vertrauen. Zur Not solltet Ihr, Atuk, sogar das Band zu mir zertrennen – auch, da ich euch niemals zu schaden gedenke!“

      Lächelnd ergriff König Atuk jetzt die schmalen Hände seiner Ehefrau, drehte sich zur ihr um und sprach bedacht: „Meine Königin. Gerade da wir beide sehr jung sind, sollten wir begreifen, dass die einzige Kraft, welche wirklich zu lehren in der Lage, die Liebe ist. Sie ist die einzige Kraft, welche jede Pest und jeden Turm zu überwinden befähigt. So sei meiner wertvollen Frau eines gewiss: Bevor Ihr von mir Verrat erwarten könntet, sei ich schon von dannen gegangen.“

      Luvi Odains erste Erinnerung an und in Loto waren Schmerzen und Kälte. Der Elf, der vor seinem Tod zur Zeit des „Großen Krieges“ als Magister am Hofe des Königs von Mino – Nekket von Troff I. – sein Tagewerk verrichtete, hatte die letzten gut neunhundert Sonnen mit seiner Familie in den Gefilden der auserwählten Gefallenen verbracht – frei von Kummer und jeglichem Leide. In dieser jenseitigen Welt meinten er, seine Frau und seine beiden Töchter – die schon lange vor ihm dort angekommen waren –, dass sie niemals mehr gezwungen seien wiederzukehren, sich der erbitterten Realität Lotos stellen müssten – geschweige denn, dass sie gewusst hätten, dass dieses etwas sei, zu dem er oder seine Frau oder die gemeinsamen Töchter überhaupt in der Lage seien: zurückzukehren in das Reich der Lebendigen und Lebenden, nachdem ihnen – ihm, Luvi Odain – alle Qual und Kummer genommen waren.

      Er war gerade mit seiner Familie in den Gefilden beim Sonntagnachmittagspicknick, da traf ihn etwas wie ein sehr harter Schlag und er erwachte vor Kälte zitternd unter diesem Baum: Wie aus heiterem Himmel und aus tiefem Schlaf in Mino, dem Land der Elfen, erwachend, wusste der Magiemeister, dass er bereits vor langer Zeit gestorben war, verstand, dass er in einer anderen Zeit angekommen und die geliebten Seinen, drüben auf der anderen Seite, in den Gefilden der auserwählt Gefallenen, gerade schliefen. Der nackte Luvi fror entsetzlich, lautlos rieselte etwas Schnee von einem Ast des Baumes über ihn und auf sein langes, blondes und doch schütteres Haar.

      Bar jeder Kleidung, ohne Auskommen oder sonstige weitere Hilfestellung zu Bewusstsein kommend, vernahm der Elf während des Aufwachens noch die Stimme seines zu früheren Lebzeiten alten Gefährten und Vertrauten, eines Engels namens Tahmoth. Mit einem einzigen Wort in der Sprache der Engel hatte ihm Tahmoth das Wissen über Bevorstehendes, welches zu erwarten, und was zu tun war übertragen. Wieder einmal bedrohte der „Dunkle Eine“ diese Welt, und: Wieder einmal wurde den Bewohnern und Bewohnerinnen Lotos eine schwere Unterrichtsstunde erteilt, die abermals auf den Umtrieben der Gottheit, welche früher als Mata bekannt war, fußte.

      Der Magiemagister rekapitulierte sein Wissen aus der Zeit von vor knappen tausend Sonnen, überprüfte seine Fähigkeiten anhand zweier, dreier leichter Zauber – alles war noch so wie damals, bevor er verschied.

      Hier und jetzt im