Himmel (jetzt reicht's aber). Andrea Ross. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andrea Ross
Издательство: Автор
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Год издания: 0
isbn: 9783967525328
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Thomas McLaman zu besprechen.

      Eigentlich war diese Konferenz mehr oder weniger eine Bestandsaufnahme der gegenseitigen Erwartungen geworden, denn Mühlenstein hatte im Grunde nur mit unvollständigen Papieren jongliert und sich notgedrungen in allgemeinen Feststellungen ergangen, konnte nirgends richtig konkret werden. Wie ein Politiker hatte er viel und gleichzeitig nichts gesagt.

      Jetzt erst war vielen so richtig aufgefallen, wie wenig sich die ser Herr McLaman in die Karten hatte sehen lassen. Wie ein Sonnenkönig hatte er die Firma dominiert, auch nach deren Umwandlung in eine Aktiengesellschaft. Immer wieder hatte er Mittel und Wege gefunden, seinen Willen durchzusetzen und den Aktionären seine verschachtelten Methoden zur Konzernführung schmackhaft zu machen. Solange die wiederum Dividenden sahen, hielten sie freiwillig die Füße still.

      Im Laufe der Zeit hatte es so einige Emporkömmlinge gegeben, die ihm in die Suppe spucken wollten. Doch der eigenwillige Konzernchef pflegte stets rechtzeitig an den richtigen Fäden zu ziehen, um diese Bemühungen samt und sonders im Keim zu ersticken. Außerdem gab ihm sein Erfolg Recht – er hatte ein kleines, aufstrebendes Familienunternehmen in einen internationalen Konzern verwandelt, der sich sehen lassen konnte. Waren andere Software-Unternehmen innovativ, so war die LAMANTEC AG in den allermeisten Fällen trotzdem noch eine Nasenlänge voraus. Volker K. Mühlenstein seufzte, rieb sich über die schmerzhaft geröteten Augen. Man hatte sich darauf geeinigt, dass die alles entscheidende Sitzung nächste Woche am Dienstag stattfinden sollte. Die überaus wichtige Sitzung, die ihn entweder in seinem derzeit noch kommissarischen Amt als Nachfolger von Thomas bestätigen sollte, oder eben nicht. Das würde jedoch höchstens dann funktionieren, falls es ihm gelänge, sichere Kompetenz auszustrahlen – und dazu gehörte nun einmal, über alles haarklein Bescheid zu wissen, was sich in dieser Firma tat.

      Genau da lag das Problem und dieses hatte sich leider bereits in Frankfurt offen gezeigt. Wie sollte er einen solchen Kraftakt hinbekommen, wenn er bislang nicht einmal alle Verträge oder sonstigen Papiere aufzufinden in der Lage war? Die lagerten wahrscheinlich allesamt friedlich vereint in diesem verfluchten Safe, den er nicht zu öffnen vermochte.

      Diese Hugler war ihm da auch keine große Hilfe gewesen, ziemlich genau vor einer Stunde hatte er schließlich seine geballte Wut an ihr ausgelassen und sie dermaßen zusammengestaucht, dass sie kreidebleich sein Büro verlassen musste, um erst einmal hastig auf die Damentoilette zu verschwinden.

      »Ist doch wahr!«, rechtfertigte Mühlenstein seinen Ausbruch vor sich selbst, fühlte schon wieder seinen Adrenalinspiegel ansteigen. »Wofür ist die gut, wenn sie als Chefsekretärin nicht einmal die elementarsten Dinge weiß?« So einfach würde er sie nicht davonkommen lassen! Sollte sie sich kurz ausheulen, doch danach erwartete er nicht mehr oder weniger als die Leistung, welche sie nach seinem Verständnis als Chefsekretärin ihrem Posten gemäß zu erbringen hatte. Er hatte einfach keine Lust mehr auf weitere schlaflose Nächte.

      Er benötigte Aufstellungen über die Besitztümer der Firma, sämtliche Verträge zur Durchsicht und exakte Informationen, an welchen Projekten aktuell gearbeitet wurde sowie den jeweiligen Sachstand. Außerdem Kontoauszüge, Personalunterlagen, Inventarund Fuhrparklisten, sowie …!«

      »Herr Mühlenstein, darf ich Sie einen Moment stören?« Schüchtern steckte eine Angestellte ihren Kopf durch den Türspalt. Diese graue Maus kannte Volker Mühlenstein nicht, also konnte sie keine wirklich wichtige Position im Unternehmen bekleiden. Der Angesprochene fuhr genervt aus seinen Überlegungen hoch, fixierte die Unglückliche mit einem vernichtenden Blick. »Nein! Sie sehen doch, ich habe zu tun und möchte nicht gestört werden! Das habe ich dieser Hugler vorhin schon überdeutlich erklärt. Wo ist sie eigentlich und was genau tun SIE hier?«

      Die Angestellte trat verlegen von einem Fuß auf den anderen und wäre vor Verlegenheit am liebsten im Teppichboden versunken.

      »Frau Hugler ist … unpässlich und kann jetzt gerade nicht, Entschuldigung«, quetschte sie leise hervor. »Es tut mir leid, sie

      …« Weiter kam sie nicht, denn Mühlenstein fiel ihr unwirsch ins Wort. »Das ist mir so was von egal! Die soll machen, dass sie hier wieder auftaucht, sonst ist ihre eigene Kündigung das Erste, was sie morgen früh auf ihrem Schreibtisch vorfindet! Sagen Sie ihr das!« Damit war die Audienz beendet und Mühlenstein würdigte die unglückliche Frau hinter dem Türspalt keines Blickes mehr.

      »Es muss an diesem großkotzigen Thronsaal liegen«, überlegte diese, als sie die Türe leise und behutsam wieder zuzog. »Da drin werden sie scheinbar alle in Windeseile größenwahnsinnig.« Sie holte tief Luft und machte sich auf den Weg zur Damentoilette, um sich wider Willen ein gerüttelt Maß an Zicken-Terror bei Annika abzuholen.

      * * *

      Kirstie McLaman hätte am liebsten einfach kommentarlos aufgelegt. Seit einer halben Stunde nervte diese Kati Kierstein am Telefon, was das Zeug hielt; dabei musste sie sich noch um so einiges kümmern, was sonst immer Thomas erledigt hatte. Rechnungen bezahlen, Steuerunterlagen zusammensuchen, Pool-Service bestellen und ähnlich unangenehmes Zeug. Schon morgen musste sie nach ihrer Auszeit, die sie wegen des unerwarteten Todes ihres Ehemannes genommen hatte, wieder am Arbeitsplatz erscheinen und ihr lief bereits ziemlich die Zeit davon.

      »Mensch Kati, ich weiß es doch wirklich nicht! Er ist heute Morgen aus dem Haus gegangen, hat mir aber nicht verraten, wohin! Meine Güte, Stephen ist längst erwachsen. Da informiert er seine Mutter nicht mehr über jeden Schritt, den er tut. Er könnte überall sein: in der Firma, auf Jobsuche, Kaffee trinken, einkaufen

      … ich habe nicht den blassesten Schimmer einer Ahnung! Aber auch das sagte ich schon!«

      Kati überlegte. »Wieso in der Firma? Ich dachte, sein Projekt bei der I-COMP GmbH sei vor ungefähr drei Wochen ausgelaufen? Ich habe in diversen Fachzeitschriften darüber gelesen, dass Stevie recht erfolgreich war. Und sorry, ich kann mir echt nicht vorstellen, dass er sich in der Firma seines Vaters aufhalten könnte. Wenn Sie wüssten, wie er da so manchen mir gegenüber tituliert hat!«, erklärte Kati besserwisserisch.

      Kirstie verlor nun endgültig die Geduld. »Kati, ich lege jetzt auf! Es ist weder meine Schuld noch mein Problem, wenn eure Beziehung nicht funktioniert hat. Manchmal muss man eben einen Schluss-Strich akzeptieren, nicht wahr? Ruf mich bitte nicht mehr an. Entweder, du erreichst Stephen doch noch auf seinem Handy, oder er drückt deine Anrufe absichtlich weg. In diesem Fall hätte es ohnehin keinen Zweck, ihm weiter nachzulaufen, meinst du nicht auch?«

      Kirstie hatte Kati nie gemocht und machte keinen Hehl dar aus. Sie hielt das Mädchen für ein Erfolgs-Groupie, das sich an ihren Sohn nur herangemacht hatte, weil er gut verdiente und großzügig alles bezahlte, sobald sie zusammen waren. Wobei sie ziemliche Ansprüche stellte, ihr dünkte kaum etwas gut genug. Neulich hatte sie glatt versucht, Stephen zur Buchung eines kostspieligen Urlaubs auf den Malediven zu bewegen; auf seine Kosten, versteht sich. Dabei waren die beiden nicht länger als vier Monate zusammen gewesen, wovon mindestens zwei nicht ganz harmonisch, eher wie eine stetige Achterbahnfahrt der Gefühle verlaufen waren.

      Kirstie hatte Kati gleich beim ersten kurzen Aufeinandertreffen in die Augen gesehen und seither eine gehörige Antipathie entwickelt. Es hatte kalte, hinterlistige Augen, dieses Mädchen. Und so eine hatte bei Mama Kirstie von vorneherein verspielt.

      Seufzend machte sich Kirstie daran, mühselig ihre begonnenen Arbeiten fortzusetzen. Aber wo befand sich eigentlich der Ordner mit den Gehaltsnachweisen ihres Mannes? Hatte sich den vielleicht Stephen mit aufs Zimmer genommen, etwa wegen seines plötzlich erwachten Interesses für die LAMANTEC, welche er neuerdings sogar zu leiten trachtete? Was dachte er sich nur dabei, ihr Sohn neigte doch sonst nicht dermaßen zur Selbstüberschätzung?

      Natürlich, er hatte in seinen jungen Jahren bereits beachtliche Erfolge als Programmierer gefeiert, das war schon richtig. Aber es war eben etwas gänzlich anderes, den Dompteur in einer Aktiengesellschaft zu spielen, zwei Paar Stiefel waren das! Ihr verstorbener Thomas hatte nie richtig programmieren gelernt, dafür beschäftigte er seine Leute. Stattdessen verstand er viel vom Geschäft und den für Erfolg notwendigen Winkelzügen.

      Vor der Tür zu Stephens Zimmer stutzte Kirstie. Sollte sie einfach