»Hallo, guten Abend! Bitte nehmen Sie schon einmal dort drüben Platz, ich bin gleich bei Ihnen!« Auch wenn Belinda demotiviert war, hinderte ihre Professionalität sie stets daran, sich ihren Gemütszustand in irgendeiner Form anmerken zu lassen.
An Tagen wie diesen fiel das gar nicht leicht. »Sagen Sie mal, weshalb wollen Sie denn färben lassen? Das wurde doch offenbar erst gemacht?« Belindas fachkundige Musterung hatte ergeben, dass die letzte derartige Behandlung allerhöchstens zwei Wochen zurückliegen konnte; die Wimpern der Kundin bildeten samtig glänzend tiefschwarze Bögen über ihren graublauen Augen. Was also sollte das Ganze?
»Ach, wenn Sie meinen, dann können wir gerne auch etwas anderes machen«, verkündete die junge Kundin leichthin. »Die Augenbrauen zupfen vielleicht, oder eine Gesichtsmassage?« Die Kundin zuckte mit den Schultern und taxierte Belinda interessiert, lächelte dabei verbindlich. Was wollte die? War sie vielleicht lesbisch und wollte auf diese Weise mit ihr in Kontakt kommen? Jedenfalls ärgerte sich Belinda zunehmend über die unentschlossene Nervensäge, welche ihr diesen späten Zusatztermin ohne jeden ersichtlichen Grund aufgebrummt hatte.
»Wenn es Ihnen wirklich egal ist, welche Form der Behandlung ich Ihnen angedeihen lasse … wie wäre es dann mit einem Make-Up in den neuen Farben?« Belinda wählte mit Bedacht etwas aus, das recht schnell gehen würde und die Kundin war es seltsamerweise ohne Diskussion zufrieden, fragte nicht einmal nach dem Preis. Kaum auf der Liege platziert, ging es los; Belinda bekam echte Schwierigkeiten, diese Frau zu schminken, denn sie hielt nicht für einen Moment ihren Mund, blieb nur selten still liegen. Die Kosmetikerin war durchaus einiges an Smalltalk und persönlichen Peinlichkeiten gewohnt, aber so etwas hatte sie noch nie erlebt.
Die Konversation glich einer einseitigen Befragung, fast schon einem Verhör. Belinda grübelte angestrengt. Weshalb, verflixt nochmal, wollte diese fremde Kundin alles über ihr reichlich verkorkstes Leben wissen? Ganz besonders brennend schien sie die Frage zu interessieren, ob Belinda einen Freund hatte, oder vielleicht nette männliche Bekannte; wie, mit wem und wo sie ihre Abende verbrachte. Ob ihr dichtes Blondhaar echt oder gefärbt sei. In welchem Stadtteil sie denn wohne?
Nach einer gefühlten Ewigkeit zog die mysteriöse Kundin mit einem triumphierenden Lächeln ab, gab sogar ein großzügiges Trinkgeld. Belinda blieb keine Zeit, allzu lange über die merkwürdige Situation nachzudenken; sie hatte schließlich ein dringendes Date mit einem sehr jungen Mann, der gerne aus dem Kindergarten befreit werden wollte.
* * *
Das mulmige Gefühl, einen schweren Fehler begangen zu haben, wollte einfach nicht aus Stephens Gedankenwelt weichen. Oberflächlich betrachtet war es ihm gelungen, einen sicheren und obendrein gut bezahlten Job an Land zu ziehen, hierbei auch noch die Existenz seiner Mutter zu sichern; andererseits aber verursachte ihm die berufliche Zwangsjacke, die er sich
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