Die Frauen von Schloss Summerset. Ed Belser. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ed Belser
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844287097
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Ihre Töchter wissen auch nicht, dass sie noch eine Schwester haben. Vielleicht weiß es Mary, nein, sie weiß es für sicher. Seumas weiß es nicht."

      Cremor setzte sich. Beide schwiegen. Cremor goss Whisky nach.

      John fuhr sich über die Stirn. "Das hätte ich nie gedacht. Eine verwirrende Sache." Er nahm einen großen Schluck, dann sah er Cremor ernst an, öffnet den Mund, schloss ihn wieder. "Du hast mich um Rat gefragt."

      Cremor sah aufmerksam auf. Eigentlich erwartete er gar keine Erleuchtungen mehr.

      "Alan hatte keine männlichen Nachkommen. Charlotte braucht wieder einen Mann. Sie allein ist den Engländern nicht gewachsen. Sie werden versuchen, die Kontrolle über unseren Clan und seine Ländereien zu erlangen. Davon bist auch du betroffen."

      "Ich werde mich zu wehren wissen!" Cremors Stimme klang nicht ganz sicher.

      "Die noch lebenden Chieftains und Offiziere, die als Ehemann infrage kämen sind entweder zu jung oder zu alt."

      "Ist das mein Problem?"

      John schloss seine Augen zu schmalen Schlitzen. Seine linke Hand umfasste das Glas. "Wir könnten das Problem lösen."

      Cremor spürte ein Unbehagen in seiner Magengrube. "Wie denn?"

      "Heirate du Charlotte!"

      Es dauerte ein Weilchen, bis Cremor antwortete: "Du spinnst wohl! Abgesehen davon gefällt sie mir gar nicht."

      "Sie muss dir nicht gefallen. Du bist Laird of Blair Mhor. Die Engländer werden es hinnehmen. Du wirst der neue Clan-Chief."

      Cremor sank in seinem Stuhl zusammen. "Du bist verrückt."

      "Die Liebe war selten ein Taktgeber für kluge Entscheide. Das hast du ja selbst erfahren."

      "Hast du Charlotte diesen Floh schon ins Ohr gesetzt?", fragte Cremor verärgert und erhob sich.

      "Wir haben das angesprochen."

      "Ich werde Charlotte sicher nicht heiraten!" Cremors Stimme klang bestimmt.

      John Fraser schürzte seine Lippen. "Wenn du meinst."

      Cremor wollte insistieren, doch er schwieg, als Roderick hinzukam.

      Fraser setzte sich an seinen Schreibtisch. Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Es dauerte, bis er sagte: "Nehmt Platz, meine Freunde." Er sah sie abwechselnd an.

      Cremor spürte plötzlich, dass es Fraser nur um die Zukunft des Clans ging. Darum hatte er ihn mit Charlotte verkuppeln wollen und er war auf jede Überraschung gefasst.

      "Hier auf dem Schloss sieht alles fast friedlich aus. Aber ihr könnt euch gar nicht vorstellen, was man mir alles berichtet. Ich kann es selbst kaum glauben." Er schloss einen Moment die Augen. "Wie damals in Blair Mhor: Dörfer werden abgebrannt, die Menschen vertrieben, wer sich wehrt, wird getötet oder verhaftet. Das Vieh wird ihnen weggenommen, alles, ihre ganze Habe. Sie hungern und frieren."

      Seine beiden Besucher waren sprachlos.

      Mit tonloser Stimme sprach John weiter. "Die Führer der Clans, die auf Prinz Charles setzten, sind entweder schon hingerichtet worden, oder sie sind im Gefängnis. Überall werden Gerichte eingesetzt, die jeden beim geringsten Verdacht verurteilen — Tod, Gefängnis. Verbannung. Sie werden auf Schiffe verladen und außer Landes gebracht."

      Cremor und Roderick schauten einander entsetzt an.

      "Das ist noch nicht alles." John senkte den Kopf und sah auf ein Stück Papier. "Es gibt neue Gesetze." Er räusperte sich, um wieder zu klarer Stimme zu kommen. "Wer mit Waffen erwischt wird, muss mit drastischen Strafen rechnen. Das ist das Recht des Siegers. Aber es geht um mehr. Sie wollen unsere ganze Kultur zerstören. Das Tragen unserer Kleidung — Kilt und Umhang — wird verboten. An unseren Schulen darf nur noch in Englisch unterrichtet werden. Man nimmt uns unsere Sprache. Es würde mich nicht erstaunen, wenn auch noch das Spielen des Dudelsackes verboten würde." Er hielt inne und sah abwechselnd zu Cremor und Roderick.

      Cremor räusperte sich. "Sie zerstören die Clans. Sie wollen keine Rebellionen mehr."

      Roderick nickte. "Sie wollen aus uns Engländer machen. Ein Volk, eine Sprache", murmelte er bitter.

      John erhob sich. "Es ist Tatsache, dass Alan sich gegenüber den Engländern verpflichtet hat. Die Frage ist, was wir daraus machen." Er ging langsam hin und her. "Ich habe Lady Charlotte Vorschläge gemacht." Er blickte Cremor ins Gesicht und blieb vor Roderick stehen. "Ihr kennt das Highland Regiment, dass General George Wade, der Straßenbauer gegründet hat. Die Black Watch. Schotten im Dienst der Engländer. Wachhunde über ihre Brüder."

      "Worauf willst du hinaus?", fragte Roderick. "Du willst doch nicht … "

      "Doch", unterbrach ihn John und sah zu Cremor. "Wir haben ein Dorf zum Aufbauen. Blair Mhor. Wir haben die Summerset Pipes and Drums. Und wir haben hundert gefangene Highlander … und unendlich viele Flüchtlinge. Arbeitswillig."

      Roderick wiegte seinen Oberkörper hin und her. Er zog die Augenbrauen nach oben. Plötzlich platzte es aus ihm heraus: "Das Summerset Highland Regiment!"

      John schmunzelte. "Genau so wird es heißen!"

      Cremors Stimme klang nicht ablehnend, als er fragte: "Und was habe ich davon?"

      John nickte langsam und seine Stimme klang sicher. "Wir bauen die Kaserne in Blair Mhor. Steine hast du ja genügend. Die Engländer werden dir das Holz besorgen. Du kannst die Kirche wieder in Betrieb nehmen. Und zur Kirche gehört eine Schenke für die Soldaten. Die trinken dann deinen Whisky. Und zur Schenke gehört ein Metzger. Ein Müller. Dann kommen die Frauen. Und die Kinder. Und eine Schule, auf Englisch … "

      Roderick war nicht begeistert, aber er sah ein, dass das eine gute Lösung werden könnte. "Ist sie einverstanden?"

      Fraser nickte eifrig. "Ja, Charlotte will Oberst Middlehurst eine entsprechende Botschaft zukommen lassen."

      Cremor erinnerte sich, dass Margaret ihm in der weißen Villa, bei einem seiner letzten Besuche spät in der Nacht, beruhigt nach ihrer Liebesstunde, erklärt hatte wie ein Schachspiel zu spielen war. Er hatte es kaum begriffen. Doch jetzt waren ihm die Regeln klar geworden. Fraser beherrschte sie perfekt. Cremor wurde bewusst, dass er eine dieser Figuren darstellen sollte. Er wusste nur nicht welche. Doch eines war ihm klar: Das Geld, das er von Margaret und Shauna erhalten hatte, das eigentlich aus der Schatulle von MacAreagh stammte, wäre gut angelegt. Je mehr Einwohner und Handwerker in Blair Mhor, desto mehr Einnahmen an Pachtzinsen. Und irgendwann würde er die englische Krone zur Kasse bitten. Ein ganzes Regiment auf seinem Land zu stationieren, das war seinen Preis wert.

      "Es kann uns ja niemand daran hindern, sofort mit dem Aufbau von Blair Mhor zu beginnen, nicht wahr, Cremor?" Roderick sah triumphierend auf Fraser. "Die Spieler der Pipes and Drums langweilen sich, oder? Das wäre doch die Aufgabe für sie!"

      Fraser sah überrascht aus, doch er nickte sofort. "Hervorragend! Mein Sohn braucht auch eine vernünftige Arbeit." Sie wandten sich beide erwartungsvoll zu Cremor.

      "Das ist mal ein Angebot! Dem kann ich nicht widerstehen." Cremor erhob sich. "Außerdem spielt es keine Rolle, ob dieser Middlehurst einverstanden ist. Das Land gehört ja schließlich mir."

Kapitel IV

      1

      James Moore wurde von den Wachen am Tor der Schlossmauer empfangen und die Nachricht über seine Ankunft verbreitete sich vom wachhabenden Offizier zum Trommler, der einen Wirbel erklingen ließ, zum Trommler am Pförtnerhaus zur weißen Villa und zu Robert Tucker.

      Moore und seine Begleiter ritten auf der Hauptstraße auf das Schloss zu, dessen brandgeschwärzte Mauern nackt in den Himmel ragten. Je näher sie kamen, desto dichter wurden die herumliegenden Reste der abgebrannten Häuser, überall verkohltes Holzwerk, herabhängende Dachbalken und verwehte Aschehaufen. Bis jetzt hatte sich noch niemand ans Aufräumen gemacht.

      Tucker