Die Frauen von Schloss Summerset. Ed Belser. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ed Belser
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844287097
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sein wie du. Ich will den Flüchtlingen helfen. Was soll ich tun?" Sie krallte ihre Hand in die Erde und rief laut: "Was soll ich tun, Shauna?"

      Sie legte sich auf den Rücken, zog ihren Umhang über sich und schlief ein.

      Die Kühle des Morgens ließ sie aufwachen, Traumbilder tauchten auf und sie versuchte sie zu fangen. Eine Frau, deren Gesicht sie nicht sehen konnte, aber mit der Stimme von Mary ritt neben ihr. Ein Blick zurück zeigte eine lange Kolonne von Menschen, die ihnen folgten. Als sie sich wieder nach vorne wandte, war die Frau nicht mehr an ihrer Seite. Die Bilder entschwanden; was blieb war die Erinnerung an die Menschenkolonne, die Überlebenden der Schlacht, die sie schon einmal angeführt hatte und die von den Soldaten von MacAreagh aufgenommen worden waren. Sie erhob sich fröstelnd, tauchte ihre Hände ins kalte Wasser und rieb sich ihr Gesicht, füllte ihre hohlen Hände und trank. Dann pflückte sie taunasse Blumen und streute sie über das Grab von Shauna. Sie schnüffelte an einer der Blüten, ein fremder Geruch hatte sie irritiert, sie legte sie zu den anderen und versuchte den Duft wieder aufzunehmen. Rauch! Sie zäumte ihr Pferd auf.

      Ihr Ziel war Dunlochy. Sie wusste, dass Shauna dort gewesen war. Sie wollte sehen, was Shauna gesehen hatte. Sie wollte wissen, wie es um das Dorf stand. Vielleicht war es niedergebrannt wie Blair Mhor. Vielleicht waren da Menschen, die ihre Hilfe brauchten. Vielleicht konnte sie sie überzeugen, sich in Sicherheit zu bringen, wenn sie ihnen von Blair Mhor und den Engländern erzählte.

      Der Weg führte talwärts. Wieder stieg ihr der leichte Geruch nach Rauch in die Nase. Er erinnerte sie nicht an die rauchenden Kamine der Hütten, in denen Torf brannte. Als sich das Tal erweiterte, sah sie in der Ferne dichte Rauchwolken in der Luft hängen. Sie setzte ihr Pferd in Trab. Der Geruch wurde intensiver. Ihr Pferd verwarf den Kopf. Kurz vor einer Anhöhe verlangsamte sie und bald öffnete sich der Ausblick auf die Ebene. Dunlochy brannte an allen Ecken und Enden, schwarze Wolken ballten sich, stiegen auf und verbreiteten sich über das ganze Tal. Noch war kein Geräusch zu hören. Sie sah sich um und suchte sich einen Weg, der sie näher heranführte, ohne dass sie gesehen werden konnte. Sie kam an einen Waldrand, führte ihr Pferd in Deckung, band es fest und suchte sich einen Platz zwischen den Gebüschen. Das Prasseln des Feuer gelangte bis zu ihr, sie meinte dessen Hitze zu spüren. Soweit ihr Auge reichte, sah sie nichts als Dutzende von Feuersbrünsten, verbunden in einem riesigen flammenden Inferno. Sie hörte das Schreien der Menschen, das trockene Knallen der Gewehre, das Brüllen der Rinder und Jaulen der Hunde.

      Tucker saß auf seinem Pferd, den Wind im Rücken, und sah befriedigt auf die brennenden Gebäude und Hütten. "Kein Haus, kein Stall — nichts bleibt übrig! Treibt die Leute zusammen! Wer Widerstand leistet wird sofort erschossen!" So hatten seine Befehle gelautet und sie wurden wortwörtlich umgesetzt.

      Maggie zitterte am ganzen Leib. Es war nicht aus Angst und Schrecken — es war Empörung; Zorn, der jede Faser ihres Körpers erfasst hatte. Sie atmete einige Male tief durch. Dann ging sie zu ihrem Pferd, holte die Pistole aus der Satteltasche, überprüfte die beiden Steinschlösser und schnallte sich den Säbel um. Ihr rotbraunes Haar verbarg sie unter der Kappe. Sie wollte näher heran, um zu sehen, wer der Anführer der bestialischen Horde war. Sie machte sich von der Landschaft ein Bild, um einen sicheren Weg zu finden. Sie würde einige Umwege machen müssen, um im Schutz von Waldstreifen und Gebüschen ihr anvisiertes Ziel zu erreichen.

      Tucker hatte zwei Pferche einrichten lassen, einen kleineren, in dem die Obrigkeit des Dorfes eingeschlossen werden sollte — alle die das Pech hatten gerade eine Perücke zu tragen und jene, die anhand ihrer besseren Kleidung als zugehörig betrachtet wurden. Ein Adjutant verfügte über einige Listen mit Namen. Sie würden sie einzeln abhaken; wessen Name dort stand würde verhaftet und nach Schloss Blackhill zur Aburteilung verbracht. Die Übrigen kämen in den großen Pferch, wo auch die Frauen und Kinder zusammengetrieben wurden. Ihr Schicksal war nicht besser, denn sie waren dazu verdammt an die Küste verbracht, auf Schiffe verladen und in die Kolonien verbannt zu werden.

      Die meistens Hütten waren inzwischen vollständig abgebrannt und qualmten vor sich hin, die größeren Scheunen und Gebäude loderten noch. Über allem hing beißender Rauch. Das Schreien der Kinder und Verletzten ging einem durch Mark und Bein. Lautes Gerufe und Befehle der Soldaten brachten die Menschen in Bewegung, unterstützt durch Hiebe mit den Gewehrkolben.

      Maggie lag ein Stück entfernt auf dem Bauch und beobachtete das Geschehen. Bald hatte sie Tucker mit seinen grauweißen Zöpfen unter seinem Dreispitz als Anführer ausgemacht. Sie war völlig ruhig, versuchte die Soldaten zu zählen, und wenn sie jene, die für sie sichtbar waren, mit jenen zusammenzählte, die um das Dorf herum und verdeckt durch Rauch im Einsatz waren, kam sie auf neunzig, vielleicht hundert. Sie beobachtete den Anführer, der sein Pferd von einer Stelle zur nächsten trieb, sodass ihm seine paar Leibwächter kaum folgen konnten; wie er herumkommandierte, Leute beiseite stieß und seinen Auftritt offensichtlich genoss.

      Im großen Pferch war so etwas wie Ruhe eingekehrt. Die Leute saßen am Boden, pflegten ihre Wunden oder standen dicht gedrängt in Gruppen. Mütter versuchten vergeblich ihre Kinder zu beruhigen, die Alten und Gebrechlichen weinten lautlos vor sich hin. Es gab keine Männer im mittleren Alter; da waren ein paar junge Burschen, die Mehrheit jedoch waren Frauen. Maggie zählte auch sie und kam auf etwa hundert Menschen. Sie beobachtete sorgfältig jede Bewegung der Rotjacken. Viele hatten ihre Gewehre abgelegt. Es wurde langsam Nacht, doch die noch nicht erloschenen Feuer gaben genügend Licht. Bis es vollständig dunkel war, musste sie genau erkannt haben, wer wo lagerte, wo die Wachen waren und wo der Anführer seinen Kommandoposten hatte …

      4

      In einem Punkt hat Fraser recht, dachte Cremor. Alan hat seine Loyalitätserklärung zum englischen König erst unter Druck des Herzogs von Cumberland abgegeben, so spät, dass die Engländer ihm mit der Zerstörung von Blair Mhor noch einen Denkzettel verpasst haben. Cumberland könnte gar behaupten, dass die Loyalitätserklärung rein opportunistisch und nicht aus Überzeugung erfolgt sei und Schloss Summerset samt Ländereien unter englische Verwaltung stellen. Dann wären eine Zerstückelung der Güter und ein Verkauf von Land an den Meistbietenden nicht mehr ausgeschlossen. Und wenn das Land, auf dem seine Brennerei stand verkauft würde, wäre er auf Gedeih und Verderb dem neuen Eigentümer ausgeliefert. Cremor spürte, wie sich in ihm die Angst breitmachte, mitten drin das schmale Gesicht von Middlehurst mit seiner geheuchelten Freundlichkeit. Der Schock war ihm in die Glieder gefahren, als dieser mit seinem dünnen Finger die Grenze zwischen Blair Mhor und seiner Brennerei nachgezeichnet hatte. Er war stets sicher gewesen, dass sie zum Land des Dorfes gehörte. Alan hatte ihm nach seiner Ernennung zum Laird of Blair Mhor sogar die Pachtzinsen erlassen. Ja, Fraser hatte auch hier recht. Wenn er Charlotte heiraten würde, käme er in den Besitz des gesamten Landes, dann wäre seine Brennerei gerettet. Er konnte kaum atmen. Das Geld hatte er doch von Margaret und von Shauna erhalten. Er mochte gar nicht daran denken, dass Margaret zurückkommen könnte und ihn als Ehemann von Lady Charlotte wiedersehen würde.

      Er ließ kraftlos seinen Kopf hängen. Blair Mhor … Maggie, die von ihm erwartete, dass er etwas für die Flüchtlinge tun würde. Er legte die Hände auf den Tisch, beugte sich vornüber und stützte sein Kinn darauf. Vor ihm standen sechs Gläser, halb gefüllt mit Whisky, vor jedem ein Zettel mit der Nummer des Fasses drauf, in dem sie gereift waren. Seumas hatte ihm die Proben bereitgestellt, um sie zu verkosten. Cremor sah die beiden ersten leeren Gläser an. Er hatte sie ausgetrunken, und nicht wie üblich mit der Nase ihren Duft erforscht, mit Wasser verdünnt, um den Geschmack zu erkunden, was meistens nur eine Bestätigung dafür war, was Seumas schon längst nur mit seiner Nase in allen Nuancen festgestellt hatte. Zwei leere Gläser, eines war gut, zwei waren zu viel, drei würden zu wenig sein. Wie damals, nachts am Berg oben beim Überfall auf die Schwarzbrennerei, während er im Wald in die Bewusstlosigkeit seines Rausches versunken war und danach Seumas eröffnen musste, dass sein Vater tot sei. Niemand hatte ihm je Vorwürfe gemacht; Seumas nicht, Mary nicht und Maggie nicht. Doch er, Cremor, würde sich ewig schuldig fühlen. Er wischte die vollen Gläser mit einer Hand vom Tisch. Sie flogen bis an die Wand und zerschellten.

      Er trat auf den Hof hinaus und sah Mary aus der Tür ihres Hauses kommen. Du hast einen weiten Weg hinter dir, dachte er, als er