Sichelland. Christine Boy. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christine Boy
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844242553
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Gelagen bei Balman. Und Mondor, der Mo nur ein einziges Mal flüchtig begegnet war, schien zumindest keine offenkundige Abneigung gegen ihn zu hegen. Bedächtig lehnten sich die beiden alten Freunde in ihren Sesseln zurück und genossen heißen Tee, als ihr Gast eintrat.

      „Wie schön dich zu sehen...“ lächelte Wandan. „Bitte setz dich doch. Tee?“

      „Danke, gern.“ Mo verneigte sich knapp vor beiden und ließ sich dann auf einem Polster nieder.

      „Wir wissen natürlich, warum du hier bist. Und wir freuen uns, dass du uns unterstützen willst. Ich hoffe, du weißt, dass unsere Suche uns sehr bald von Vas-Zarac weg führen wird.“

      „Natürlich. Allerdings... werde ich nicht der einzige sein, der sich euch anschließt.“

      Und Mo erzählte ihnen von der plötzlichen Rückkehr Racyls, von ihrer innigen Freundschaft zu Sara und von ihrem Wunsch, diese Gruppe zu begleiten.

      Wandan stieß einen Pfiff aus.

      „Racyl. Damit hätte ich im Leben nie gerechnet. Was sagst du dazu?“

      Mondor machte ein verschlossenes Gesicht.

      „Ich wusste es. Aber ich konnte es nicht sagen. Auch dir nicht, mein Freund. Nur mit Sara habe ich kürzlich darüber gesprochen.“

      Der alte Cas nahm dem Priester seine Verschwiegenheit nicht übel.

      „Es ist wohl unmöglich, vor dir Geheimnisse zu haben.“ grinste er. „Und ich kann mir schon denken, dass du deine eigene Meinung zu Novizen hast, die aus dem Zera-Tempel austreten. Trotzdem könnte sie uns eine Hilfe sein.“

      „Eine Hilfe wohl kaum. Aber vielleicht schadet sie auch nicht. Und es ist wichtig, sie aus Semon-Sey wegzubringen. Nicht auszudenken, wenn sie jemand erkennt. Es gäbe wirklich keinen ungünstigeren Zeitpunkt.“

      Wandan machte eine bedauernde Handbewegung.

      „Weißt du, Mo, wir mögen Racyl. Wirklich. Sie ist ein liebes Ding. Aber die Erinnerungen an sie sind verblasst. Sie sollten nicht gerade jetzt in der ganzen Stadt wieder lebendig werden. Zumal Lennys gar nicht hier ist.“

      „Wie würde die Shaj denn reagieren?“ fragte Mo gerade heraus.

      „Gar nicht.“ sagte Mondor schlicht. „Für sie existiert Racyl nicht mehr. Nach außen hin jedenfalls. Aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, in welcher Situation Lennys sich befindet. Sie ist in den Krieg gezogen und lässt ein Land zurück, dessen beide verbleibende Herrscher nicht an einem Strang ziehen. Der eine versucht, die Batí zu schwächen, der andere ist noch zu unerfahren, um allen Widerständen zu trotzen. In den letzten Monaten hatte unsere Herrscherin zudem mehrere Konfrontationen mit dem Großen, die an ihren Kräften gezehrt haben. Und sie muss sich sämtlichen Erinnerungen an Satons Tod stellen. Ein bisschen viel auf einmal. Und ausgerechnet jetzt erscheint Racyl. Es könnte der letzte, winzige Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt.“

      „Aber dann ist unsere Mission doch umso wichtiger!“ bekräftigte Wandan. „Wir wollen ja dafür sorgen, dass sie diese Lasten nicht alleine tragen muss.“

      „Noch ist nicht gesagt, dass wir Erfolg haben. Und selbst wenn... Selbst, wenn wir finden, wonach wir suchen, muss das noch lange nicht heißen, dass es unseren Vorstellungen entspricht. Der Blutsträger des Himmels... Es könnte eine gebrechliche alte Frau sein oder ein verwirrter Greis. Ein verwaister Säugling. Ein kranker Geist. Ein Ungläubiger. Oder im schlimmsten Fall ein Anhänger Talmirs.“

      „Du erwartest wohl immer das Schlimmste?“

      „Mitnichten, Wandan. Es ist gut, auf alles vorbereitet zu sein. Mo.... Diener aus dem Hause Balmans, ist dir klar, dass es eine lange und anstrengende Suche werden kann? Fühlst du dich dem gewachsen?“

      „Gewiss. Es schmerzt mich, meinen Herrn zu hintergehen, doch ich bin mir sicher, wenn er von all dem hier wüsste, würde er mir beipflichten.“

      „Auch, wenn er wüsste, dass Lennys unser Unterfangen nicht gutheißt?“

      „Tut sie das? Nach dem, was ich gehört habe, dachte ich, sie glaubt nur nicht an unseren Erfolg.“

      Mondor seufzte. „So einfach ist das leider nicht. Im Wesentlichen hast du recht, sie kann sich nicht vorstellen, wie unsere Suche ihr helfen könnte. Manchmal habe ich aber auch den Eindruck, sie möchte nicht, dass wir zu sehr in den alten Geschichten herumstochern. Aber andererseits hat sie es uns auch nicht verboten. Im Augenblick sollten wir nicht zu sehr über Lennys nachdenken, das lenkt uns nur ab. Wie ist es, Mo, können wir uns auf dich verlassen?“

      „Voll und ganz.“

      „Und auf Racyl? Sie ist ein gewisses Risiko. In jeglicher Hinsicht. Körperlich dürfte sie nicht allzu belastbar sein, seelisch schon gar nicht.“

      Doch Wandan schüttelte den Kopf und nahm das Mädchen in Schutz.

      „Anfangs dachten wir auch, Sara wäre nicht belastbar und wie sehr haben wir uns in diesem Punkt geirrt. Geben wir ihr doch eine Chance. Ich kenne Racyl. Sie nimmt sich vieles zu sehr zu Herzen, doch andererseits erträgt sie auch jegliches Leiden stillschweigend. Denk nur daran, wie es damals war. Sie hat sich nicht ein einziges Mal über Lennys' Verhalten beklagt, obwohl sie mehr als einen Grund gehabt hätte. Und selbst als Lennys sie hinausgeworfen hat und ihr sagte, sie wolle sie nie wiedersehen... Selbst dann hat Racyl nie ein schlechtes Wort über sie verloren oder gar herumgejammert. Glaub mir, Mondor, sie mag auf den ersten Blick zerbrechlich wirken, aber wir würden ihr Unrecht tun, wenn wir sie wie ein zartes Pflänzchen behandeln.“

      „Möglich. Meinetwegen, nehmen wir sie also mit. Dann sollten wir aber keine Zeit verlieren, sondern so schnell wie möglich aufbrechen. Jeder Tag, den sie länger in dieser Gegend bleibt, ist ein unnötiges Risiko. Mich wundert allerdings, dass sie sich jetzt schon von Sara trennt. Oder umgekehrt. Ich hätte schwören können, dass die beiden vorerst zusammenbleiben wollen. Mo?“

      Mo nickte. Auch wenn Mondor Racyl kaum kannte, so schätzte er doch die Situation vollkommen richtig ein. Und so berichtete er ihm von den Gesprächen mit Akosh und den beiden Mädchen.

      Wandan konnte ein Lächeln nicht verbergen.

      „Es wundert mich nicht, dass Sara es sich nicht nehmen lässt, in den Süden zu reisen. Nur ein Verrückter würde versuchen, sie jetzt noch daran zu hindern. Trotzdem ist sie vernünftig genug, einzusehen, dass Racyl im Sichelland besser aufgehoben ist. Es tut mir leid für dich, Mondor. Du hättest Sara sicher auch gern bei dir gehabt.“

      „Ja und nein. Sie ist trotz allem eine Fremdländerin, schon allein deshalb wäre es nicht gegangen. Und so sehr ich sie auch mag, aber in unserer Angelegenheit wäre sie uns wohl nicht von Nutzen gewesen. Sie kennt unsere alten Legenden nicht und wenn sie bei den Alten auf den Dörfern nachfragt, erhält sie sicher keine Antwort. Nein, Sara weiß, wo ihr Platz ist. Sie wird von vielen unterschätzt, nicht zuletzt von Lennys selbst. Aber sie gewinnt langsam an Selbstvertrauen und das kann ihr nicht schaden. Ich beneide Akosh und Menrir, mit ihr in den Süden zu reisen, aber andererseits bin ich auch froh, dass mir diese Tortur erspart bleibt.“

      Sie redeten noch eine ganze Weile über ihre bevorstehenden Unternehmungen, planten die Art und den Zeitpunkt ihres Aufbruchs und stellten schnell fest, dass sie sich auch zu dritt blendend verstanden. Mo kehrte in dieser Nacht nicht zum Haus seines Herrn zurück. In seinem Alter hatte der lange Marsch Spuren hinterlassen und er brauchte einige Stunden Schlaf und ein stärkendes Mahl, bevor er sich wieder auf den Weg machte.

      Sara hatte sich in eines der vielen freien Schlafzimmer zurückgezogen, über die Balman verfügte. Sie hatte bewusst ein anderes gewählt als bei ihrem letzten Aufenthalt, eines, das jenem von damals nicht allzu ähnlich sah. Es war vollgestopft mit Schränkchen, Hockern und Kisten, anscheinend lagerten Balman und Mo hier überzählige und häufig auch schon recht verschlissene Möbelstücke. Das schmale Bett unter dem Fenster quietschte und knarrte, als sie sich auf den Rand setzte.

      Seit Racyls Verkündung, sich Mo anschließen zu wollen, hatte Sara kaum geredet. Weder mit ihrer Freundin