Sichelland. Christine Boy. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christine Boy
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844242553
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Sara verschränkte zornig die Arme.

      „Genauso üblich, wie es scheinbar manche Gebaren in Cycalas sind. Ich sage nur 'Akosh'.“

      Wandan seufzte.

      „Eine schwierige Sache, das gebe ich zu. Sara, ich will nicht mit dir streiten. Ich mag dich. Wir alle mögen dich. Und auch, wenn du in den letzten Tagen einen anderen Eindruck hattest, so glaube ich trotzdem, dass Lennys dich mag. Ich bin sogar davon überzeugt. Und ich mache mir Sorgen um dich und um deine Sicherheit. Es gefällt mir nicht, dass du mit Akosh und Menrir nach Süden gehen willst. Aber ich kann dich verstehen. Jetzt, wo Lennys nicht mehr hier ist, gibt es wohl nichts mehr, was dich im Sichelland hält. Ist das der Fehler, von dem du geschrieben hast?

      „Nein, nicht ganz.“ Auch Sara beruhigte sich wieder und ihre Worte nahmen wieder einen wärmeren und freundlichen Ton an. „Und ich weiß noch nicht, ob ich dir sagen kann, was ich damit gemeint habe. Aber ich habe ein paar Fragen. An dich und eigentlich auch an Mondor. Vielleicht kannst du mir auch alle beantworten. Vielleicht willst du es auch gar nicht. Aber ich brauche diese Antworten, um eine Entscheidung zu treffen.“

      „Das klingt sehr ernst.“ Er ließ seinen Blick über die Ebene streifen, durch die sich der Fluss schlängelte. „Findest du, dass hier ein geeigneter Ort ist? Wir hätten uns auch in Rahors Haus treffen können. Racyl kommt mit Mo auch dorthin, wir holen sie dort ab.“

      „Nein, ich wollte nicht mehr in die Stadt. Und dieser Platz ist so gut wie jeder andere. Oder ist dir jemand gefolgt?“

      „Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich bin ein ehemaliger Cas, Sara, vergiss das nicht. Ich finde es hier nur etwas ungemütlich. Aber ganz wie du meinst. Frage, was immer du möchtest. Aber ich kann dir nicht alle Antworten versprechen.“ Er setzte sich, ähnlich wie Sara kurz zuvor, an den Rand des Stegs, zog aber die kräftigen Beine hoch, um seine Stiefel trocken zu halten. Nach kurzem Zögern tat Sara es ihm gleich.

      „Ich möchte wissen, was das Geheimnis der Drei ist.“ sagte sie dann ohne Umschweife.

      Wandan starrte sie an. Es dauerte lange, bis er antwortete.

      „Auf keine andere Frage muss ich dir die Antwort deutlicher vorenthalten.“ erwiderte er dann gepresst.

      „Das weiß ich. Aber ich werde es dir leichter machen. Ich glaube, ich kenne euer Geheimnis. Und ich muss wissen, ob das, was ich denke, die Wahrheit ist.“

      Wandan schüttelte den Kopf.

      „Was immer du sagst, ich werde es weder bestätigen, noch leugnen. Es wundert mich nicht, dass du deine eigenen Schlüsse gezogen hast, aber....“

      „Aber es ist zu gefährlich. Willst du das sagen?“ Sie sprang wieder auf. „Weißt du, was Akosh mir gesagt hat? Weißt du, was er mir und Racyl und Oras und Haya und Mo erzählt? Du weißt es! Soll ich es wiederholen?“

      „Sara, beruhige dich...“

      „Nein! Ich beruhige mich nicht! Du weißt es ganz genau! Er sagt, dass sie krank ist! Er sagt, dass sie dem Krieg nicht gewachsen ist! Er sagt, sie hätte ihren Geist nicht mehr unter Kontrolle! Das sagt er! Er sagt, er habe sie nie verraten, aber er müsse es vielleicht tun - um ihrer eigenen Sicherheit Willen! Und du... du und Mondor... ihr wisst, dass es nicht so ist! Nicht wahr? Und trotzdem schweigt ihr!“

      „Sara, so einfach ist das nicht!“

      „Doch, es ist ganz einfach! Zuerst habe ich ihm geglaubt. Es stimmt, manchmal ist sie nicht sie selbst. Und ich weiß, was manchmal mit ihr passiert! Ich weiß es! Ich war nach dem Ritual im Batí-Tempel in ihrem Schlafgemach. Ich habe ihr das Reinigende Wasser gegeben! Halt mich nicht für dumm! Ich weiß, was Akosh damit meinte. Aber dann habe ich nachgedacht. Und dann ist mir klar geworden, was für eine dumme Ausrede er benutzt. Vielleicht, weil er es nicht besser weiß! Aber du und Mondor, ihr beide wisst es besser! Und lasst ihn trotzdem diese Lügen verbreiten!“

      „Wir haben einen Eid geschworen!“ Obwohl Wandan immer noch sitzenblieb, reckte er plötzlich seinen Oberkörper und wurde ebenfalls lauter. „Wir haben gar keine andere Wahl, als....“

      „Als ihn weiter in seinem Irrglauben zu lassen.“ vollendete Sara den Satz wieder ganz ruhig. „Es stimmt also. Sie ist nicht krank. Sie ist nicht wahnsinnig oder was immer auch Akosh denkt. Und es gibt einen Grund, warum sie all diese Dinge sieht und erlebt. Einen Grund, der so offensichtlich ist, dass ihn eigentlich jeder längst erkennen müsste. Ihr beide... und Rahor... ihr wisst, warum sie so ist. Deshalb ist auch Mondor hier, nicht wahr? Deshalb ist er bis heute in Semon-Sey geblieben. Weil er Angst hat. Ihr alle habt Angst. Nicht vor Iandal, nicht vor Talmir, nicht vor den Hantua. Ihr habt Angst vor eurer eigenen Herrscherin! Weil sie Ash-Zaharrs Blut in sich trägt!“

      Wandan wurde so bleich, dass Sara glaubte, er würde gleich zusammenbrechen. Seine Lippen bebten und er brauchte mehrere Versuche, bis seine Stimme ihm endlich gehorchte.

      „Sprich... das.. nie … wieder aus.“

      Doch Sara nickte nur.

      „Also ist es wahr.“

      Seine Miene wurde undurchdringlich. „Ich darf es dir nicht sagen, Sara. Frag mich... nie wieder danach.“

      „Du musst es mir nicht sagen. Ich sehe dir an, dass es die Wahrheit ist. Und sie erschreckt dich immer noch. Es ist keine Legende, kein Märchen. Die ganze Zeit habe ich mich gefragt, warum ihr nach dem Blutsträger des Himmels sucht, wo euch doch im Krieg der andere, der Erbe der Nacht, viel nützlicher sein könnte. Ich war so dumm. Sie ist es. Deshalb ist er ständig in ihr. Und deshalb straft er sie. Die Batí. Die Verräter. Und deshalb habt ihr alle Angst. Ihr habt Angst vor ihr, weil der Dämon ein Teil von ihr ist. Und ihr habt Angst um sie, weil dieser Teil sie irgendwann töten wird. Und deshalb sucht ihr den Erben des Himmels. Weil der als einziger die Macht hätte, Ash-Zaharr zu bändigen. Und nur weil sie ist, was sie ist, hat sie das alles überlebt. Den Krieg. Sagun. Die Zeremonie im Tempel. Er will nicht, dass sie stirbt, er will nur, dass sie leidet. Aber eines Tages wird sie sterben und ihr alle wisst das. Und davor habt ihr Angst.“

      „Das reicht.“ sagte Wandan tonlos. Es klang fast, als würde er aufgeben.

      „Es spielt überhaupt keine Rolle, ob du recht hast oder nicht.“ fuhr er dann fort. „Sprich nie mit jemandem darüber. Wenn es die Wahrheit ist, darf niemand sie erfahren. Und wenn es eine Lüge ist, darf niemand sie glauben. Verstehst du das?“

      „Ich verstehe besser, als du denkst. Ich wollte nur eines wissen. Ob Akosh den richtigen oder den falschen Weg geht. Denn ich habe für mich einen anderen gefunden. Ich weiß nicht genau, was er vorhat. Und ich denke immer noch, dass er vielleicht wirklich ein Verbündeter Talmirs ist, auch wenn er mir das Gegenteil beteuert. Er sagte, er habe Lennys nie verraten. Er sagte, er wollte Talmir nur auskundschaften. Ihn aushorchen. Und sie habe die ganze Zeit davon gewusst. Ihn sogar beauftragt, obwohl sie unseren Verdacht kannte. Sie hat es in Kauf genommen, dass er für uns ein Verräter ist. Sie hat unsere Freundschaft dafür geopfert! Und er hat es akzeptiert, um ihr zu dienen. Aber jetzt will er in den Süden, zu eurer Shaj. Was hat er vor? Will er sie beschützen? Oder will er sie bändigen, weil er glaubt, sie wäre krank und hätte sich nicht unter Kontrolle? Es ist mir gleich, was er will. Aber ich weiß, was ich will. Ich musste nur erst sicher sein.“

      „Was hast du vor?“

      „Ich werde zu ihr gehen. Ich werde sie finden. Ich habe keine Angst vor eurem Gott. Und auch nicht vor dem, was in ihr ist. Es ist nur ein kleiner Teil von ihr. Langsam glaube ich, es ist der einzige, den irgendjemand überhaupt zu kennen glaubt.“

      „Das ist nicht wahr. Ich kannte sie als junges Mädchen... lange bevor...“ Er schluckte. „...bevor sie so war wie jetzt.“

      „Du kanntest sie als Satons Tochter. Satons Tochter! Er war auch einer. Wie blind ist euer Volk, das nicht zu erkennen? Ihr habt euch immer bemüht, Lügen in die Welt zu setzen. Der Blutsträger sei verschollen. Er wüsste vielleicht selbst nicht um seine Identität. Er sei vielleicht ein Greis oder ein Säugling. Und dabei sitzt er längst auf dem Thron, so offensichtlich,