Sichelland. Christine Boy. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christine Boy
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844242553
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starben. Unter ihnen auch jene, die um das Geheimnis des Himmels wussten. Es ging verloren und die Cycala sind bis heute sicher, dass nicht nur die Geheimniswahrer, sondern auch der Blutsträger unter den Opfern war. Der damalige Shaj des Himmels rief Ash-Zaharr an und flehte ihn an, ihm zu sagen, ob es noch Hoffnung gäbe. Doch Ash-Zaharr antwortete nur: 'Wer mein Blut so verschwendet und es nicht zu schützen weiß, verdient keine Antwort darauf, ob es überlebt hat.' Seitdem gilt es als verloren, das Blut des Himmels. Und so bleibt den Cycala nur das Letzte, das Fluchbeladene. Das Erbe der Nacht.“

      Sara konnte nicht anders als kurz aufzulachen.

      „Na, da müsst ihr wohl nicht lange suchen. Ich kenne nur eine Person, die dafür in Frage kommt.“

      „Viele denken wie du, Sara. Doch vergiss nicht, ein jeder Batí könnte der Blutsträger sein, es ist nicht unbedingt die Shaj selbst. Sie kämpft wie ein Dämon und manchmal benimmt sie sich auch so, aber das ist kein Beweis.“

      „Ich finde, es gibt noch mehr, was darauf hindeutet.“

      „Das mag sein. Aber... das Blut der Nacht… ist nicht die Legende, nach der Mondor und Wandan suchen.“

      Überrascht hob Sara die Brauen.

      „Ach nein? Suchen sie etwa den Überlebenden aus dieser Katastrophe, den es vermutlich gar nicht gab?“

      Racyl nickte.

      „Bis heute weiß niemand, ob damals wirklich der Blutsträger des Himmels starb. Einige sind überzeugt, dass dieses Unglück der beste Schutz war, den sie sich wünschen konnten.“

      Sara schüttelte belustigt den Kopf.

      „Wie will man jemanden finden, der gar nicht weiß, dass er existiert? Ich meine, wenn tatsächlich der Blutsträger überlebt hat und alle, die sein Geheimnis kannten, gestorben sind – dann weiß er vielleicht selbst gar nicht, wer er ist.“

      „Genau das glauben Mondor und Wandan nicht. Sie glauben, dass sein Nachfahre – der eine, den jeder Blutsträger immer hat – immer noch gefunden werden kann. Vielleicht hat er schon einen weiteren Nachkommen gezeugt. Dann wären es sogar zwei. Und sie suchen danach.“

      „Es tut mir leid, Racyl, aber das ist vollkommen lächerlich. Nehmen wir einmal an, es gibt ihn tatsächlich. Und nehmen wir weiter an, Mondor und Wandan und Mo finden ihn auch noch – was um alles in der Welt sollte uns das nützen?“

      „Hast du schon vergessen, worüber Mondor mit dir gesprochen hat? Dass Iandal Ash-Zaharrs Macht für sich gewonnen hat? Dass er damit vielleicht die größte Waffe beschworen hat, die es gegen uns gibt? Kannst du dir nicht vorstellen, dass ein Blutsträger des Himmels der einzige wäre, der dann noch das Schlimmste verhindern könnte? Nur er könnte Ash-Zaharr wieder dazu bringen, sich zu seinem Volk zu bekennen, das ihn so oft enttäuscht hat. Der Blutsträger des Himmels – er ist ein Teil des Dämons selbst und er trägt ihn in sich, so wie es jeder Erbe des Blutes von jeher tat. Doch der Erbe der Nacht wird niemals Ash-Zaharrs Gunst erlangen, er wird niemals Gnade durch ihn erfahren. Das ist der Grund, warum wir nie über die Legende reden – weil wir selbst Angst vor dieser Wahrheit haben. Und weil wir nicht umsonst hoffen wollen. Wenn der Wahrer des Himmels wirklich noch am Leben ist – dann könnte das der einzig mögliche Weg zum Sieg über Iandal sein. Und der einzige Weg, Ash-Zaharr endlich – nach so langer Zeit – wieder zu besänftigen.“

      Und plötzlich begriff Sara. Sie begriff, warum Akosh nach dieser Legende suchen ließ. Sie begriff, warum diese Suche, wenn sie denn tatsächlich erfolgreich war, nicht nur für die Verbündeten des Sichellandes, sondern auch für dessen Feinde der Schlüssel zum Sieg war. Wer auch immer den Blutsträger des Himmels auf seiner Seite hatte – der hatte auch den Dämon auf seiner Seite.

      Es war die größte Hoffnung Cycalas'. Und seine größte Angst.

      Kapitel 2

      „Darf ich dich kurz sprechen?“

      Rahor hatte die letzten Stunden damit verbracht, den Abstand zu Lennys nicht zu groß werden zu lassen, ohne dabei die Verbindung zu den ihm folgenden Cas abreißen zu lassen. Er hatte seine Shaj beobachtet und sich immer wieder gefragt, ob sie ihre Schweigsamkeit in den nächsten Tagen beizubehalten gedachte. An einer Wasserstelle, an der sie sich alle eine gemeinsame Rast gestatteten, trat er zu ihr, außer Hörweite der anderen Gefährten.

      „Seit wann fragst du?“

      „Nun, ich habe nicht den Eindruck, dass dir nach Reden ist.“

      „Das hast du gut erkannt. Ich nehme an, du hast einen Grund dafür?“

      „Allerdings.“ Er deutete nach Osten. „Wir sind sehr nah an der Grenze zu Zrundir. So nah wie schon lange nicht mehr. Sie liegt höchstens eine Stunde von hier entfernt.“

      „Erzähle mir nichts, was ich nicht weiß, Rahor. Du wusstest von Anfang an, dass unser Weg hier entlangführt.“

      „Das ist es nicht. Ich meine, ich wundere mich nicht über unseren Weg. Sondern darüber, wie wir ihn bewältigen.“

      Zum ersten Mal sah Lennys, die gerade die Gurte am Sattel ihres Mondhengstes nachzog, auf. „Drück dich klar aus. Worauf willst du hinaus?“

      Der oberste Cas nahm Haltung an.

      „Meine wichtigste Pflicht ist es, dich zu beschützen. Die Pflicht von uns allen. Wie können wir ihr nachkommen, wenn du ständig mit weitem Abstand vor uns her reitest, gerade hier, wo wir durchaus mit Hantua zu rechnen haben.“

      Lennys zuckte gleichgültig die Achseln.

      „Die Hantua würden es nicht wagen, so nah am Sichelland durch den Shanguin-Gürtel zu reisen. Überhaupt meiden sie ihn seit damals. Deine Sorge ist unbegründet.“

      „Vielleicht. Trotzdem möchte ich dich bitten, es uns nicht ganz so schwer zu machen.“

      „Ich brauche keinen Schutz, das habe ich dir schon wer weiß wie oft gesagt. Als ich das letzte Mal im Süden unterwegs war, hat mich kein einziger von euch begleitet, und wie du siehst, habe ich es trotzdem überlebt.“

      „Die Zeiten haben sich geändert, Lennys. Wir.....“ Er sprach noch leiser. „Wir sollten nicht vergessen, dass schon eine kleine Unachtsamkeit verheerende Folgen haben kann. Du weißt, was ich meine.“

      Unbeeindruckt verschränkte sie die Arme, wie sie es oft tat, wenn ihr ein Gespräch zuwider war.

      „Ja, ich weiß sehr wohl, was du meinst. Und da wir gerade bei dem Thema sind, werde ich dir eine Frage stellen. Du kennst deine Pflichten als Oberster Cas sehr genau. Aber kennst du auch noch den Schwur der Drei?“

      Rahor wurde blass.

      „Ob ich ihn noch kenne? Wie kannst du nur so etwas fragen?“

      „Ich frage dich, weil zwei von euch gerade im Begriff sind, das in Gefahr zu bringen, was sie eigentlich bewahren sollten.“

      Ein eiskalter Schauer überkam Rahor.

      „Ich verstehe nicht, was du meinst. Wenn du von Wandan und Mondor sprichst, dann bin ich sicher, dass....“

      „Wandan und Mondor sind gerade dabei, eine große Dummheit zu begehen. Vielleicht sogar eine tödliche. Sie haben dich also nicht eingeweiht?“

      „Nein.“

      „Dann werde ich es tun. Sie suchen nach dem verlorenen Blutsträger des Himmels.“

      Plötzlich wirkte Rahor erleichtert.

      „Aber das ist doch nur ein Märchen.“ lachte er übermütig.

      „Für sie ist es mehr als das.“

      „Vielleicht langweilen sie sich einfach? Was kann es schon schaden, wenn sie ein bisschen in der Geschichte herumkramen? Wandan braucht einfach eine Aufgabe, jetzt, da alle anderen in den Krieg ziehen und er zurückbleibt. Und er versteht sich gut mit Mondor, ich bin sicher, sie nehmen das Ganze nicht wirklich ernst. Niemand