»Was denkst du dir nur dabei andere Leute zu bestehlen?«, fragte ich wütend. »Wenn du nicht mein Kollege wärst, hätte ich dich jetzt mit Stumpf und Stiel eingestampft!«
»Isch weiß nischt was mit mir los ist... Isch kann einfach nischt anders. Sobald isch etwas Goldenes sehe, muss isch es an misch nehmen. Es ist wie eine Sucht!«, meinte er bedrückt. »´ier, deine Manschettenknöpfe!«, gab er sie mir in die Hand.
»Okay, so ging es mir damals auch, als ich als Wikinger unterwegs war und plünderte... Wie lange hast du schon diesen Tick?«, fragte ich nach.
»Isch weiß nischt, isch glaube, es fing zeitgleisch mit dem Feuer spucken an. Es tut mir furschtbar leid, wirklisch... Isch wollte nischt...«
»Ja, ja! Erspare mir dein Gelaber! Jessas! Ich habe dir vertraut! Wo ist die Kette meiner Frau, der Anhänger von Sascha und der restliche Krempel. Ach ja, Annies goldene Gartenkugel und meine Geldklammer? Wo hast du die Schorre verbunkert?«, fragte ich ihn nicht gerade liebenswürdig.
»Es liegt alles drüben, in meinem Quartier.«
»Du meine Güte! Goldgier und Feuer spucken. Da schlägt eindeutig dein Drachenblut durch. Fehlt nur noch, du fängst an, Jungfrauen zu fressen!«, schüttelte ich den Kopf.
»Wieso fressen? Mit Jungfrauen würde isch etwas ganz anderes anstellen«, gab er grinsend von sich und zuckte wie Groucho Marx mit den Wulsten seiner Augenbrauen.
»Jetzt werde mal nicht ausfallend! Das Obszöne ist mein Genre!«, blaffte ich zurück. »Gut, gehen wir den Krempel holen und überlegen gemeinsam, wie dir geholfen werden kann. Die Jungs sollen sich sich solange anderweitig beschäftigen. Schade um mein schönes, kaltes Bier!«
Ohne den anderen Bescheid zu sagen, verließen wir das Gebäude und machten uns auf den Weg. Dracon schlich wie im Büßerhemd dahin. Wenn ihr mich fragt, er hatte auch allen Grund dazu.
»Wir sollten dringend mit Dr. Dr. Gütiger über deinen Fimmel reden. Er hat mir mit dem Problem meiner unterschwelligen Aggression auch sehr gut geholfen. Und wenn er mir nicht den Tipp mit dem Brief gegeben hätte, wären Amanda und ich immer noch kein Paar«, tröstete ich ihn ein wenig.
Obwohl schon die Abenddämmerung einsetzte, erblickte ich in den Ästen einer alten Eiche diesen Raben, der mich unangenehm eindringlich anstarrte. Eigentlich müsste er längst seinen Kopf unter den Flügel stecken. Er schwebte herab, hüpfte vor unsere Füße und öffnete den Schnabel: »Sie haben eine Nachricht!«, sprach er wie ein Anrufbeantworter, pfiff, machte noch ein knisterndes Geräusch und schon ertönte eine tiefe Stimme, die mir nur zu bekannt vorkam: »Hallo mein Junge! Ich muss dringend mit dir sprechen...« Weiter kam die Aufzeichnung nicht, weil ich den Raben mit einem Telekinesestoß in die Vegetation beförderte.
»Was war denn das da gerade?«, fragte Dracon erstaunt.
»Das war ein Rabe, was sonst? Bist du blind?«, pöbelte ich angefressen zurück.
...Dabei konnte das Vieh froh sein, nicht flambiert zu werden. Verdammt, was wollte Odin denn wieder von mir? Ich muss zugeben, dass er mir ein wenig auf den Geist ging. Nicht zuletzt war ich deshalb so verstimmt, weil er mich ungebremst aus Walhalla entließ, nur weil ich sagte, ich wolle auf dem schnellsten und direktesten Weg zurück zu Amanda. Was zur Folge hatte, mich aus allen Wolken fallen zu lassen und direkt durch das Dach ihres Hauses zu befördern, wobei ich mir sämtliche Knochen brach. Danach war Amandas Haus nur noch ein einziger Trümmerhaufen und ihre Familie obendrein auch noch obdachlos. Zum Glück zog Amanda kurzerhand mit ihrer Sippe bei mir ein. Dies ist zwar nicht der schlechteste Aspekt der ganzen Sache, aber für eine Gottheit ein ziemlich fieser Zug, mich so fallen gelassen zu haben. Und, um mich zu verspotten, klatschte mir während meines Absturzes noch ein Brief von ihm ins Gesicht, der verriet, Vater Odin sei jetzt im Urlaub und ich solle doch erst nachdenken, bevor ich den Mund aufmache. Ja, und nun kam er wieder angeschissen, weil er etwas von mir wollte. Aber ich war fertig mit ihm. Er ist zwar mein Gott, aber nicht mein Dienstherr, der mich so nolens volens zu sich rufen konnte wie es ihm gerade beliebte. Wohlgemerkt habe ich bereits einen Job und bin froh, wenn ich mal ein bisschen Zeit mit Familie und Freunden verbringen konnte. Deshalb beschloss ich, meine Gottheit zu ignorieren, um ihm zu demonstrieren, wie ich Gebrauch vom Recht meines freien Willens machte...
Schweigend setzten wir unseren Weg fort.
»Bist du mir böse?«, fragte Dracon schuldbewusst wie ein kleines Kind.
»Ich müsste lügen, wenn ich das Gegenteil behaupten würde. Du kommst in mein Haus und bestiehlst meine Familie! Aber weißt du, was das Schlimmste ist? Insgeheim habe ich geglaubt, mein kleiner Sohn würde dahinterstecken. Beinahe hätte ich ihn darauf angesprochen. So hätte ich das Vertrauen, das er in mich hat, durch diesen Verdacht zerstört. Das zwischen ihm und mir, das ist etwas ganz Besonderes. Weißt du, ich will bei ihm alles richtig machen und fast hätte ich einen bösen Fehler begangen!«, erklärte ich ihm die Lage.
»Oh, das tut mir leid. Isch ´atte nie einen Vater, dem isch misch anvertrauen konnte. Es muss wirklisch schön sein, wenn man so gut miteinander auskommt«, französelte er.
»Jetzt komm mir mal nicht damit, du hättest eine schwere Kindheit gehabt!«, polterte ich drauflos. »Wir alle durchlebten eine schwere Kindheit, schließlich hat man es als kleiner Mensch wirklich nicht leicht. Und was soll ich denn dazu sagen? Ich wuchs im tiefsten Mittelalter auf, ganz ohne Sanitäre Anlagen, Telefon und Fernbedienung!«
Als wir zum Hangar kamen, unter dem sich die Zentrale verbirgt, liefen wir direkt der rauchenden Molly Flannigan in die Arme. Das fehlte mir noch gerade. Molly und ich hatten mal etwas miteinander. Das war aber nur rein sexuell. Wenn sie nicht mit einem Baseball- Golfschläger, oder Hammer auf mich losging, machte sie mir schöne Augen. Doch mein Herz entschied sich für Amanda, seitdem guckte die Gothic-Göre mich nicht mal mehr mit dem Hintern an. Um so unangenehmer war die Situation, wenn ich zu meinem Psychologen ging. Dort arbeitet Molly an der Rezeption und assistiert ihm bei den Tests. Ich würde ihr zutrauen, heimlich meine Krankenakte zu lesen. Alles in allem, ist das Verhältnis von Molly und mir sehr ambivalent. Zum Glück führte sie keine Handtasche mit. Niemand weiß, was sie darin alles verstauen könnte.
»Hallo Jungs. Noch so spät unterwegs?«, fragte sie scheinheilig grinsend.
»Ja! Das siehst du doch!«, knurrte ich zurück und führte Dracon, der sie förmlich mit den Augen verschlang, wie einen Gefangenen ab.
»`allo, Molly!«, grüßte Dracon freundlich. »Pardon, wir ´aben es fürschterlisch eilig«, entschuldigte er unser Verhalten. Molly zuckte nur stoisch mit den Schultern, rauchte weiter ihre Zigarette und schien uns schon wieder vergessen zu haben.
Wir grüßten die Wachposten und verschafften uns mit meiner Karte Einlass. Dracon wurde immer kleiner und geknickter, je näher wir seinem Quartier kamen. Nachdem er die Tür öffnete, nahm er sofort Kurs auf sein Bett. Er ging in die Knie und zog eine große, flache Kiste darunter hervor. Als er sie aufklappte, gingen mir fast die Augen über. Goldmünzen, Ringe, Ketten, kleine Goldbarren – ein wahrer Schatz.
»Du bist ja echt verrückt! Hast du dir das ganze Zeug zusammengeklaut?«, fragte ich erstaunt. Der Kerl legte sich unter seinem Bett einen richtigen Drachenhort an.
»Isch ´abe das nischt alles gestohlen! Was denkst du von mir? Was meinst du, was isch mit meinem Ge´alt mache? Isch lege es eben in Gold an«, meinte er verschnupft.
Auch wieder wahr. Wir verdienen bei Salomons Ring nicht schlecht. Sogar ausgesprochen gut, wir bekommen Schmutz- Gefahrenzulage, Schmerzensgeld, Trennungsgeld und etliche andere Leistungen zusätzlich. Unser Job besteht nun mal nicht daraus, Kinder zu hüten. Da ging es immer hart zur Sache. Dämonen sind keine Kuscheltiere.
Es fiel ihm ausgesprochen schwer, das Diebesgut an mich zurückzugeben, was ich nicht verstand. Schließlich blieb noch genug von seinem Schatz übrig.
»Du wirst doch nischt Ambrosius Pistillum davon erzählen? Oder meiner Mutter davon berischten?«, fragte er zaghaft.
»Hör zu, ich will nicht deine Zukunft hier gefährden. Äh,