Das 4. Buch George. Elke Bulenda. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elke Bulenda
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844283785
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habe ihn als Informanten kennengelernt. Wenn er behauptet, die Frauen liegen ihm zu Füßen, mag er wohl recht haben. Aber nur, weil er sie mit seinem scheußlichen Gesang besinnungslos gesungen hat. Womöglich vergeht sich der alte Lüstling auch noch an ihnen«, fügte ich grinsend hinzu.

      … Insgeheim fragte ich mich, wieso sich die Azubi-Walküre, Frauen zu Füßen liegend wünschte. Wenn sie ihren Job richtig machte, lagen jede Menge tote Kerle zu ihren Füßen. Ich persönlich halte nichts davon, wenn mir Frauen vor den Füßen herumliegen. Der Fuß ist für mich keine Erogene Zone und außerdem muss man dann über die ganzen Weiber steigen, um seinen Weg fortzusetzen ...

      »Nee, Heiko ist ein anständiger Kerl!«, sang die Reiterin ziemlich schief. »Da ist schon Bifröst, wir sind gleich da!«, deutete sie mit dem Zeigefinger an, den sie mir beinahe ins Auge rammte. Als wir aufsetzten war ich zutiefst erleichtert. Es ist schon sehr irritierend, wenn ein Pferd in nichts anderem als der Luft herum galoppiert. Zum Glück besaß Fluffy einen breiten, komfortablen Rücken und war keine knochige Mähre. Die Aussicht, der Ritt auf diesem fusseligen, gepunkteten Pferd könnte bald ein Ende haben, stimmte mich beinahe schon euphorisch. Doch die sich anbahnende Euphorie wurde abrupt abgebremst, weil uns der zottelige Wächter namens Heimdall den Weg abschnitt.

      »Heda! Na, wen haben wir denn hier?«, fragte er mit seiner tiefen Bassstimme, die die Regenbogenbrücke in Schwingungen versetzte.

      »Was soll die blöde Frage!«, pöbelte ich. »Du kennst mich doch längst!«

      »Wer redet denn von und überhaupt mit dir, hä? Beinahe hätte ich dich nicht erkannt, weil du diesmal hier nicht mit nacktem Arsch auftauchst«, entgegnete er drohend und gab mir eine gepfefferte Kopfnuss auf den Hinterkopf.

      »Autsch! Was ist denn das für eine unerhörte Behandlung!«, entrüstete ich mich.

      »Na, mein schönes Kind? Sag, wie ist dein Name?«, begann er seine plumpe Anmache und ignorierte meine Reklamation.

      »Wenn du das nicht weißt, dann hast du während deines Job geschlafen! Jeder hier kennt meinen Namen«, pampte die junge Walküre zurück.

      »Äh, hallo? Deinen Namen kenne ich ebenfalls nicht«, meldete ich mich zu Wort.

      »Klappe halten!!!«, fauchten beide im Duett.

      »Warum nur so spröde, meine Liebe? Vielleicht kann ich dir beizeiten mal meine Schädelsammlung zeigen?«, setzte Heimdall sein überaus amouröses Werben fort.

      Die Walküre blieb ziemlich cool und zeigte ihm lediglich den Mittelfinger: »Weißt du, was dies bedeutet?«, fragte sie hochmütig von ihrem Ross herunter.

      »Äh, dass du bis eins zählen kannst?«, antwortete Heimdall listig grinsend, während ich in lautes Gelächter ausbrach. Die Walküre nahm die Zügel wieder auf: »Lass mich durch, Gottvater Odin erwartet mich!« Und gleich darauf walzte Fluffy mit seinem mächtigen Leib am überrumpelten Wächter vorbei.

      »War das jetzt ein Ja? Soll ich dir nun meine Schädelsammlung zeigen, oder nicht?«, rief uns Heimdall hinterher, während die Walküre Kurs auf das Heim der Asen nahm.

      Sie drehte das fluffige Pferd mit der Breitseite zum Tor, damit sie besser anklopfen konnte. Wie nicht anders zu erwarten, öffnete sich eine kleine Türklappe, aus der niemand anderes, als eben wieder dieser Heimdall hinaus spähte. Genervt verdrehte ich die Augen.

      »Wie lautet die heutige Losung? Als kleinen Tipp möchte ich anmerken, sie lautet genauso wie dein Name, meine Süße!«, grinste er mit mächtigem Goldgebiss.

      »Netter Versuch, Heimdall! Aber wenn du mich nicht einlässt, werde ich das Odin sagen!«, schimpfte die Azubi-Walküre.

      »Jaaa?«, fragte Heimdall verschlagen. »Wie willst du es ihm erzählen, wenn ich dich erst gar nicht hereinlasse? Hm?«

      »Du vergisst, unser Allvater Odin sieht alles!«, konterte sie.

      Von überall und nirgends ertönte eine donnernde Stimme: »Genau! Ich sehe alles! Lass jetzt das Mädchen mit dem Krieger herein, oder du darfst bis ans Ende deiner Tage den Schnee von der Regenbogenbrücke schippen! Na, wie würde dir das schmecken? Gewähre ihnen Einlass, aber Heimdalli... äh, dalli!...«

      »Sehr wohl, mein Herr und Gebieter!«, gab Heimdall klein bei und öffnete das mächtige Tor, dessen Türangeln unheilvoll quietschten.

      »... Und hole ein bisschen Fett für die Scharniere! Bei diesem Lärm kann ja niemand schlafen!«, befahl der Gottvater etwas milder.

      Grinsend ritten wir am zurechtgestutzten Gockel vorbei. Und da wir uns jetzt in Asgard befanden, hoffte ich so schnell wie möglich vom Rücken des Gauls heruntergelassen zu werden. Doch weit gefehlt! Die Walküre gab ihrem Reittier die Sporen und wir nahmen wieder rasant das Tempo auf. Wir überquerten den gigantischen Wehrhof und hielten genau auf eines der Tore der Valhall zu. Wenn ich ehrlich sein soll, war ich hin- und hergerissen, zwischen dem Zukneifen und Aufreißen meiner Augen. Als beinahe schon Fluffies Schnauze das Tor berührte, wurde es schwungvoll aufgerissen. Wie immer wunderte ich mich, woher Heimdall wusste, wo und wann er rechtzeitig welches Tor öffnen musste. So gesehen, hätte er auch gerade unterwegs sein können, um Fett für die Scharniere zu holen. Vermutlich gibt es doch mehr als einen von dem Burschen, anders kann ich mir das nicht erklären. Wie eine Irre lachte die Walküre und galoppierte durch die Halle, sodass von Fluffies Hufeisen nur so die Funken aufstoben. Entgegen meiner Hoffnungen wurde das Ross nicht langsamer. Gerade warf ich einen flüchtigen Blick in die Halle, als mich die namenlose Azubi-Walküre auch schon am Schlawickel packte und vom Rücken des Pferdes schleuderte. Im hohen Tempo schlitterte ich wie ein Eisstock durch die Halle, wurde dabei links von Fluffy und seiner wilden Reiterin überholt und glitt bis an Odins Thron, wo ich etwas unsanft davor, von den Treppenstufen ausgebremst wurde. Ein amüsiertes Lachen von Seiten Odins und ein schiefer Gesang der Walküre beendeten meine unsanfte und äußerst ärgerliche Odyssee wie ein unheilvoller Tusch. Zum Glück warf ich, geistesgegenwärtig wie ich immer so bin, bei Beginn meiner Entführung noch Annies Gartenkugel auf den heimischen Rasen. Ansonsten wäre sie jetzt nur noch ein Scherbenhaufen.

      Zuerst spuckte ich einen Mundvoll Flusen aus, um mir anschließend wütend Luft zu machen: »Verdammt, ich protestiere gegen diese Art von Behandlung! Ich wurde gegen meinen Willen hier hergebracht!«, rappelte ich mich auf und betrachtete angefressen meine verschmutzte Kleidung, mit der ich unfreiwillig den Boden aufgewischt hatte.

      »Du kannst so viel Protestieren, bis du ein Protestant wirst! Du wurdest hier hergebracht, weil es mein Wille ist! Wie konntest du nur meinen armen Hugin ins Gebüsch schubsen? Ist dir nichts mehr heilig?«

      »Idiot! Vollidiot!«, kreischte Hugin, der sich auf der Rückenlehne von Odins Thron niederließ und das Gefieder aufplusterte. Sein Raben-Kumpel Munin nickte ihm wissend zu. Doch der Allvater ließ sich von diesem Zwischenruf nicht ablenken, setzte stattdessen unbeirrt seine Gardinenpredigt weiter fort. »Sage mir, was habe ich dir getan, dass du nicht meiner Bitte nachkommst?«, fragte Odin, hievte sich von seinem Thron und kam die Treppe hinab, genau auf mich zu. Zum Glück erhob er seine Hand nicht gegen mich. Beim letzten Treffen verpasste er mir drei Maulschellen, die sich gewaschen hatten. Am Rande bemerkte ich, dass wir allein waren. Kein Saufgelage, kein Fressen und auch keine Kämpfe. Nur Geri und Freki, die Wölfe Odins, suchten seine Nähe.

      »Was willst du von mir? Kannst du dir nicht einen anderen Idioten suchen? Bin ich vielleicht ein Prophet? Weißt du was? Ich wäre froh, wenn ich ein stinklangweiliges Leben hätte!«, knirschte ich wütend. Doch viel Zeit für meinen Groll blieb mir nicht, denn Odin legte mir seine Hand auf die Schulter und drückte mich hinunter. Unweigerlich musste ich in die Knie gehen. Diese Behandlung wurde mir zuteil, weil ich erhobenen Hauptes vor ihm stand und mich nicht verneigte, so wie es normalerweise das Protokoll verlangte. Dann setzte er sich auf die Treppenstufe, zog dabei ein schmerzerfülltes Gesicht, legte nachdenklich das Kinn in die Hand und drehte sein ihm verbliebenes Auge gen Himmel.

      »Hm, lass mich mal überlegen... Nein, außer dir kenne ich keinen anderen Idioten. Und ja, im gewissen Sinne bist du ein Prophet, weil gerade dein Gott mit dir spricht. Und wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, dann muss