Das 4. Buch George. Elke Bulenda. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elke Bulenda
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844283785
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ich mich auf den Heimweg und beschloss spontan, unter heftigem Gedächtnisverlust zu leiden...

      *

      Die Räuber von Geld werden hingerichtet. Die Räuber von Ländern zu Königen gemacht.

      (Altdeutsches Sprichwort)

      Nach dem Abendessen machten sich die Kinder fertig fürs Bett. Da ich schon sehr viel Zeit mit Agnir verbracht hatte, musste ich mich auch noch ausreichend um Sascha kümmern. Als Gute-Nacht-Geschichte las ich ihr ein paar Kapitel aus ihrem neuen Buch »Marmel Klebowski & Das Geheimnis des Schrumpfkopfes« vor. Ein sehr lustiges Buch. Schonmal die Heldin fast das gleiche Alter wie Sascha hat. Sascha wird im Juni zehn Jahre alt, obwohl ich manchmal vermute, dass sie innerlich wesentlich älter und reifer ist. Rein äußerlich ähnelt Sascha ihrer Mutter, nur ihre Augen sind nicht ganz so dunkelbraun. Obendrein bekommt ihr Gesicht bei Sonnenschein etliche lustige Sommersprossen, die ihr aber sehr gut stehen. Ihr dunkelbraunes Haar gleicht im Farbton absolut dem ihrer Mama. Sascha heißt eigentlich Alexandra. Seltsamerweise besitzen alle meine Familienmitglieder Vornamen mit dem Buchstaben »A«. Annie, alias Nana, Amanda, Alexandra und Agnir.

      Nach dem obligatorischen Nachtkuss verließ ich die obere Etage. Im Untergeschoss befindet sich ein Spielzimmer, wo nicht nur Tische für Billard und Kicker stehen, sondern auch ein runder Tisch, an dem wir Mittwochs immer zu pokern pflegen. Dort stören wir mit unserer Lautstärke niemanden. In den vielen Gängen befinden sich noch etliche andere Räume, darunter auch ein voll bestücktes Musikzimmer, eben jenes, in dem die Zwerge heute ihre schreckliche Musik machten. Die Zwerge gehören gewissermaßen zu meiner Familie und sind sehr oft bei uns zu Gast. Vor über 600 Jahren wurde ich zu einem Ehrenzwerg ernannt, darum sind die Zwerge alle meine Brüder - metaphorisch gesehen - obwohl es sehr witzig ist, mit einer Körpergröße von über zwei Metern als Zwerg bezeichnet zu werden.

      … Seit über einem halben Jahr wohne ich zusammen mit Amanda und ihrem Anhang in dieser stillgelegten Psychiatrischen Klinik. Das Gebäude steht ebenfalls auf dem großen, von üppiger Vegetation umwucherten, eingezäunten Grundstück unserer Organisation, nur näher in Richtung der Hauptstraße. Patienten gibt es schon lange keine mehr. Das einzige, traurige Überbleibsel dieser Klinik ist der alte, struppige Kater Joey, der damals dem Beruf der Therapie-Katze nachging. Nach einer ausgiebigen Renovierung stand das Gebäude leer, und da ich nicht mehr unterirdisch wohnen wollte, bekam ich die Erlaubnis, hier mein Quartier aufzuschlagen. Anfang August letzten Jahres zog ich ein und lebte hier gänzlich allein im großen Haus. Das Gebäude diente lange Zeit zu reinen Alibizwecken, um neugierigen Beobachtern keinen Grund für weitere Fragen zu geben. Und da es eine Privatklinik war, wissen die meisten Leute nicht, ob sie überhaupt noch Patienten aufnimmt. Bei Nachfragen wird darauf hingewiesen, dass keine Therapieplätze in absehbarer Zeit zur Verfügung stünden. Mittlerweile haben wir einen Kredit aufgenommen und sind dabei, das große Haus, das wir scherzhaft »Villa Ballerburg« nennen, in unseren Besitz übergehen zu lassen. Ja, ich weiß. Es ist voll spießig, als Vampir einen Kredit aufzunehmen, aber meine Kinder sollten ein schönes Zuhause bekommen. Und schöner, als hier inmitten heilsamer Natur, kann kein Kind aufwachsen. Ein Großteil ist schon abbezahlt, weil wir Amandas vorheriges Haus veräußerten und damit ein gutes Stück des Kredits tilgen konnten. Wir verdienen beide nicht schlecht und von daher finden wir diese Entscheidung äußerst sinnvoll. Auf dem Grundstück befindet sich auch der firmeneigene Reitstall mit Reithalle; und so konnte Saschas Pony gleich dort untergebracht werden. Das erspart ihr sehr viel Fahrerei und eine Menge Zeit. Der einzige Nachteil ist, dass Sascha keine Freundinnen mitbringen darf. Es ist einfach nicht gut, wenn Kinder mitbekommen, dass es wirklich Orks, Oger, Zentauren, Einhörner, Vampire und andere fragwürdige Lebewesen gibt, die ständig die Wege des Grundstücks passieren. Die Kinder würden unweigerlich über das Gesehene reden und dann wäre unsere schöne Tarnung dahin. Doch Sascha kann jederzeit ihre Freundinnen besuchen. Der Chauffeurdienst »Nana« bringt sie hin und holt sie anschließend pünktlich wieder ab. So müssen wir uns auch keine Sorgen machen, die Freundinnen von Sascha könnten entdecken, dass mit ihrem Bruder irgendetwas nicht stimmt, weil er innerhalb eines halben Jahres von einem Säugling zu einem fast Sechsjährigen wurde. Als Ausrede für das Besuchsverbot dient der Vorwand, ihr neuer Vater würde in der Nachtschicht arbeiten und brauche tagsüber seine Ruhe...

      Im Spielzimmer ist noch ein abschließbarer Kühlschrank vorhanden, in dem wir unsere alkoholischen Getränke verstauen. Seit die Kinder im Haus wohnen, habe ich all meinen Alkohol dort deponiert. So wurde gewährleistet, dass sich keines der Kinder eine Alkoholvergiftung zuzog. Ja, und natürlich musste ich meine Waffen in einem Waffenschrank deponieren, der nur mit meiner Code-Karte und meinem Iris-Scan geöffnet werden kann. Dabei muss ich meine Kontaktlinsen herausnehmen, sonst tut sich da rein gar nichts.

      Vor dem Fenster hampelte Barbiel herum. Auch Silent Blob drückte sich im wahrsten Sinne des Wortes an meinem Fenster herum, und zwar in Fladenform. Dracon begnügte sich mit einem schüchternen Winken. Ich ging zur Haustür und öffnete ihnen. »Na, ihr Pfeifen? Los kommt rein!«

      Barbiel ist ein Engel. Das ist nicht so daher gesagt, sondern fundierte Tatsache. Dracon ist ein Halbdrache und Silent Blobb ein Wesen, das gänzlich ohne Knochen existieren kann. Mit dem Vorteil, dass er sich in jede noch so kleine Spalte drücken kann und so als unser Türöffner fungiert. Sie gehören zu meinem Team, mit dem ich arbeite. Diese Chaoten sind an und für sich das Letzte, doch haben wir bisher sämtliche Aufträge zur vollsten Zufriedenheit erfüllt, was wohl bedeutet, dass wir trotzdem perfekt zusammenpassen.

      Der sensible Barbiel machte mal wieder ein Gesicht, wie zehn Tage Regenwetter. Sein Socken-Monster mit Namen Ernestine hatte er auch wieder mitgebracht. Wir alle lieben Ernestine, auch wenn wir es nicht offen zugeben möchten. Ich tätschelte dem kleinen Monster den Kopf und sofort schnurrte sie grinsend.

      »Was ist denn mit dir los, Angelika? Hat dein Friseur dich rausgeworfen, oder was?«, fragte ich im Scherz.

      »Nein, wenn das nur so wäre, würde ich meinen Friseur wechseln, aber es geht um Mara«, meinte Barbiel geknickt und kraulte Ernestines Kehle. Mara ist meine Tochter und Barbiel ist über beide Ohren in sie verschossen. Sehr zu meinem Bedauern, denn ich finde, sie hätte etwas Besseres als dieses weichgespülte Geflügel verdient.

      »Mara kann dich nicht rausgeworfen haben, denn ihr wohnt nicht zusammen, richtig?«, fragte ich nach.

      Bekümmert nickte er. »Das ist es ja eben, ich fragte sie, ob wir nicht zusammenziehen sollten. Sogar einen Heiratsantrag habe ich ihr gemacht, doch sie hat ihn abgeschmettert«, seufzte er schwermütig.

      »Tja, Mara liebt eben ihre Freiheit. Ihr müsst ja nicht gleich heiraten, um ein Paar zu sein. Versuch es einfach noch mal in hundert Jahren, ihr habt doch alle Zeit der Welt«, tröstete ich ihn.

      »Okay, wenn du meinst«, winkte er resigniert ab.

      Wir nahmen unsere Plätze ein, jeder mit einer gekühlten Dose Bier und zockten was das Zeug hielt. Da ich jemanden aus meinem Team des Diebstahls verdächtigen musste, hatte ich schon etwas vorbereitet. Bei Barbiel konnte ich mir hundertprozentig sicher sein, dass er nicht der Dieb war. Er konnte nicht mal ordentlich lügen, ohne rot zu werden. Eigentlich hatte ich jemanden ganz Bestimmten im Auge.

      Als Dracon dann mal das Töpfchen aufsuchen musste und anschließend die goldenen Manschettenknöpfe fehlten, die ich als Köder ausgelegt hatte, passte ich ihn ab und nahm ihn mir zur Brust.

      »Dracon? Hast du die goldenen Manschettenknöpfe genommen, die ich auf dem Regal im Bad abgelegt habe? Als ich gerade meine Hände wusch, bemerkte ich, sie liegen nicht mehr dort. Also, die Manschettenknöpfe, nicht meine Hände.«

      Der Drachenmann bekam ein nervöses Zucken unter dem Auge.

      »Isch? Wie kommst du auf so etwas? Isch ´abe keine Manschettenknöpfe genommen!«, wehrte er sich.

      »Meinst du dämlicher Froschfresser, ich würde dich unbegründet verdächtigen?«, pöbelte ich zurück. »Ich habe Beweise! Sogar auf Bild festgehalten! Komm mit!«, zog ich ihn mit mir zurück ins Badezimmer. Die anderen bekamen nichts von unserer Unterhaltung mit, weil wir uns auf dem Flur befanden. Aus dem Medizinschrank nahm ich eine Videokamera,