Dummes Mädchen, schlaues Mädchen - Ein Fall für Harald Steiner. Ansgar Morwood. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ansgar Morwood
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844262780
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ein.

      „Hören Sie, Herr Hauptkommissar, natürlich habe ich einiges gewusst, einiges geahnt und mir einiges zusammengereimt. Wenn jemand ihn anrief und siebzig Sets Winterreifen einer bestimmten Marke und Sorte auf Alufelgen für eine ebenso bestimmte Automarke haben wollte, dauerte es mal gerade zwanzig Minuten und zwei, bestenfalls drei Telefonate, und schon rief er den Kunden zurück und konnte ihm Preise nennen und Liefertermine zusagen. Selbstverständlich konnte ich daraus nicht ableiten, was da genau lief, wohl aber, dass es etwas zu rasch lief. Als wir uns dann trennten, kam mir die Idee, für mein Wissen ein wenig abzusahnen. Das war zwar hoch gepokert, weil ich im Grunde wenig wusste, schon gar nichts Konkretes, aber es verfehlte nicht seine Wirkung. Für die nächsten zehn Jahre hat sich Heiko verpflichtet, meinem kleinen Unternehmen einen monatlichen Zuschuss zu gewähren. Ich war in meinen Forderungen nicht sehr aufdringlich. Es war eher so etwas wie Rache und Genugtuung für die verpatzte Beziehung.“

      „Also hat er effektiv Dreck am Stecken,“ folgerte Steiner daraus.

      Erneut lächelte die Bode, und diesmal wirkte es im Gegensatz zu ihrer Aussage unschuldig. „Es gibt nirgendwo einen astreinen Handel. Meine Aktion basierte pur auf Vermutungen. Ich hatte eben Glück und meine kleine Rache. Was wirklich bei Heiko abläuft…da muss ich leider passen.“

      „Kommen wir zur berühmten Alibifrage. Wo waren Sie von vorgestern Abend auf gestern Morgen?“

      „Seltsame Frage,“ meinte die Bode. „Wenn ich mich nicht irre, war die Jahn vorgestern im späten Nachmittag erstochen worden. Außerdem steht doch einwandfrei fest, dass der Täter ein junger Mann war.“

      „Letzteres entspricht den Tatsachen, allerdings ist dieser junge Mann selber hinterher ermordet worden,“ klärte Harald sie auf.

      Sie musste wieder lachen, und ihr Lachen klang nicht gekünstelt. „Das ist ja ’n Ding. Wenn Sie es unbedingt wissen müssen, Herr Hauptkommissar, ich war am Mittwochabend bei einem Kunden, verließ diesen etwa gegen 23 Uhr und verbrachte den Rest der Nacht alleine in meinem Bett.“

      Jenny Mombach geriet bei Monika Steiners Nachforschungen zu einer weitaus interessanteren Person, als es sich die Ermittler bisher vorgestellt hatten. Eines der Fahrzeuge, dessen Kennzeichen die Renners aufgeschrieben hatten, war auf die Mombach zugelassen gewesen. Sie wohnte demnach auch nicht mehr im Raum Kassel, sondern in Bonn, also nur mal gerade 40 Kilometer von Köln entfernt. Wenn ihr Nissan Micra in Sichtweite des Hauses in der Lindenallee gestanden hatte, hatten die Jahn oder Nille keine Besucher laut den Niederschriften der Rentner. Jedoch war auch nicht spezifisch die Rede davon, die Fahrerin oder der Fahrer des Wagens habe stundenlang in diesem gesessen, ebenso wenig, ob Angela oder Heiko überhaupt daheim waren. Jedenfalls war das der Auslöser dafür, sich tiefer gehend mit Jenny Mombach zu befassen. Monika rief in Kassel bei dem Frisörmeister an, bei dem sowohl die Mombach, wie auch die Jahn ihre Lehre gemacht hatten. Auch die Auskunft des Frisörs warf ein merkwürdiges Licht auf Jenny Mombach. Jenny habe, als das Urteil gegen Angela wegen der Scherenattacke gesprochen worden war und der Meister sich nicht bereit zeigte, von sich aus den Lehrvertrag mit Angela Jahn aufzukündigen, selber ihre Lehre hingeschmissen. Danach sei es dann zu einer Reihe von Unannehmlichkeiten für Angela gekommen, deren Urheberschaft allgemein Jenny zugeschrieben wurde, was aber nie bewiesen werden konnte. Dazu zählten dann auch jene gegen Angela erhobenen Vorwürfe, sie sei auch gegen andere Personen gewalttätig geworden. Dass diese Vorwürfe sich als haltlos erwiesen oder, besser gesagt, als aufgesetzt erscheinen mussten, lag daran, dass alle Anzeigen dieser Art von Leuten gemacht wurden, die eng mit Jenny befreundet gewesen waren. Eines, so glaubte der Coiffeur, habe die Mombach dann doch damit erreicht, nämlich dass Angela von sich aus bei ihm gekündigt und Kassel verlassen hatte. Also nahm sich Monika Jenny Mombachs Strafregister vor, und tatsächlich dürfte die junge Frau auch mit anderen Leuten ähnliche Mobbingspielchen betrieben haben, die sich mehr zur Wehr gesetzt und sie ihrer Machenschaften wegen angezeigt hatten. Verurteilt worden ist Jenny allerdings nie.

      Als Monika dem aus Longerich zurückgekehrten Hauptkommissar darüber berichtete, beschloss dieser, zusammen mit ihr zunächst die Renners aufzusuchen und anschließend nach Bonn zu fahren.

      Robert und Karmen Renner erinnerten sich an den Nissan Micra, als sie danach gefragt wurden. Nein, den Fahrer oder die Fahrerin des Wagens hatten sie leider immer verpasst, aber sicherlich war diese Person nicht über längere Zeit im Wagen sitzen geblieben, denn sonst hätten sie das gewiss schriftlich festgehalten. Steiner bat darum, sich rund ums Haus umsehen zu dürfen. In Begleitung des Hausherrn wurde eine Besichtigung der Außenanlagen vorgenommen. Haralds Interesse galt den Stellen, welche für eine Observation des Hauses und insbesondere des Geschosses, in dem Nille wohnte, geeignet waren. Ecken, wo man sich verstecken konnte, um selber ungesehen das Haus zu beobachten, gab es genug. Und es war nicht einmal unmöglich, solche zu erreichen, ohne befürchten zu müssen, vom Haus aus dabei entdeckt zu werden. Außerdem brauchte das Betreten des Grundstücks durch Fremde am helllichten Tag nicht als suspekt aufgenommen werden, da hier wohl häufiger den Nachbarn fremde Personen bei Nille oder den Renners verkehrten, und der Eingangsbereich des Hauses war so schön für Außenstehende der Sicht entzogen, dass jeder, der es darauf anlegte, auch unbemerkt daran vorbeispazieren konnte. Nur eines war an keinem der in Betracht kommenden Beobachtungspunkten möglich: Es gab keine Stelle, von wo aus man in Nilles Wohnbereich hätte blicken können. Dazu fehlte das Höhenniveau.

      Steiner fragte die Renners, ob Heiko zuhause sei. „Na, ohne seinen Porsche verlässt er nie das Anwesen. Und der steht ja wohl vor seiner Garagenbox,“ bekamen die Kripoleute zur Antwort.

      Heiko Nille zeigte sich wenig über die Besucher erfreut. Ziemlich barsch fragte er: „Gibt es was Neues? Oder was kann ich sonst für Sie tun?“

      Er hatte absolut nicht vor, die beiden Kriminaler hereinzubitten, und Harald hatte diesmal nicht vor, sich selber hineinzuzwängen.

      „Unsere Fragen sind schnell beantwortet,“ sagte er. „Kennen Sie eine Jenny Mombach? Oder sagt Ihnen zumindest der Name etwas?“

      „Nicht die Bohne,“ entgegnete Heiko.

      „Diese Frau Mombach scheint die Ursache dafür zu sein, dass Frau Jahn von Kassel nach Köln gezogen ist. Sie war es auch gewesen, die Angela mit einer Schere angegriffen hatte. Sie erinnern sich, was ich Ihnen aus Frau Jahns Akte zitiert habe,“ erläuterte Harald. „Das Auto dieser Frau Mombach ist in den letzten Monaten häufiger hier in der Straße abgestellt worden. Dennoch soll diese Frau niemals hier oben bei Ihnen in der Wohnung gewesen sein.“

      „Haben das mal wieder die Renners behauptet?“ wollte Nille wissen.

      „Ist doch egal, woher wir das wissen,“ zeigte sich nun Steiner von seiner unfreundlicheren Seite. „Ich will nur klipp und klar von Ihnen wissen, ob diese Mombach jemals in Ihrer Wohnung gewesen ist.“

      „Jedenfalls nicht, wenn ich da war,“ konterte Heiko ebenfalls wenig freundlich. „Es soll ja manchmal Zufälle geben, die es eigentlich nach aller Wahrscheinlichkeit gar nicht geben dürfte. Wer ist denn diese Person konkret?“

      „Das sagte ich Ihnen doch soeben. Die Frau, die Angela Jahn aus Kassel weggeekelt hat.“

      „Weggeekelt?“ wiederholte Nille erstaunt. „Angela hat mir gegenüber niemals behauptet, aus Kassel weggeekelt worden zu sein. Mir erzählte sie, in Köln habe sie die besseren Aufstiegschancen vorzufinden geglaubt.“

      Nun mischte sich Monika ein. „Könnte es sein, dass die Angela Nachteile für Ihre gemeinsame Beziehung befürchtete, wenn sie zugegeben hätte, warum sie in Wirklichkeit Kassel verlassen hatte?“

      Heiko seufzte. „Angela sprach nie gerne über ihre Vergangenheit. Sie ertrug auch keine Niederlagen, jedenfalls keine blamablen. Hätte ich von solchen Kenntnis gehabt, hätte mir das wenig ausgemacht. Unsere Beziehung hätte das, was mich angeht, bestimmt nicht belastet. Aber ja, Sie könnten Recht haben, dass sie mir solche Vorfälle verschwiegen hat. Na und?“

      „Danke, Herr Nille, das war es schon, was wir Sie zur Mombach fragen wollten,“ erklärte Harald, um nun doch noch eine andere Sache zur Sprache zu bringen. „Sagt Ihnen denn der Name Tarek Khan mehr?“

      Heikos anfängliche Unfreundlichkeit schlug nun in Resignation um. „Wer soll das sein? Vielleicht ein Schuhputzer,