Dummes Mädchen, schlaues Mädchen - Ein Fall für Harald Steiner. Ansgar Morwood. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ansgar Morwood
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844262780
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wie viele Beziehungen dieser Art reden wir denn?“ wollte es Steiner genauer wissen und fügte hinzu: „Namen und Adressen würden mir vielleicht weiterhelfen.“

      „Wenn’s sein muss,“ sagte Nille. „Also da war die Maike, Maike Gröber. Wo die heute wohnt, weiß ich nicht, aber damals wohnte sie in Bedburg, Bedburg-Kaster. Mit ihr habe ich ein halbes Jahr zusammengelebt. Dann war da die Aischa Gül, eine aufgeklärte Türkin aus einer ebenso aufgeklärten türkischen Familie. Mit ihr war ich etwa drei Jahre zusammen. Soviel mir bekannt ist, arbeitet und lebt sie heute in Düsseldorf. Im letzten Mai habe ich mich mit meiner letzten Freundin, die ich vor Angela hatte, verworfen. Sie heißt Helga Bode. Mit ihr war ich auch ungefähr drei Jahre zusammen. Ich werde Ihnen gleich ihre Adresse und Telefonnummern geben. Irgendwo habe ich noch Visitenkarten von ihr.“ Steiner hatte währenddessen alles fleißig notiert.

      „Inwiefern waren diese drei Frauen und auch Angela Jahn in Ihren Geschäften eingebunden oder über diese im Bilde?“

      Nille verzog seine Lippen zu einer hässlichen Grimasse, die wohl ausdrücken sollte, dass er es selber nicht zu sagen vermochte. „Eigentlich habe ich mein Business immer von meinem Privatleben zu trennen vermocht. Die Mädchen hätten schon ziemlich gut kombinieren können müssen, um aus den paar Telefonaten, die ich in ihrem Beisein geführt hatte, ein Gesamtbild gewinnen zu können.“

      „Sind diese denn solch geheimen Transaktionen, die Sie da durchziehen, dass andere nichts Genaues darüber wissen dürfen?“

      „Natürlich nicht!“ entrüstete sich Nille. „Alles geht korrekt von Statten. Wie gesagt, ich trenne Beruf von Privatem und lehne darüber hinaus jegliche Fremdeinmischung ab. Weder wünsche ich eine Beeinträchtigung meiner Privatsphäre durch meine Geschäftspartner, noch umgekehrt meiner Geschäfte durch meine privaten Kontakte.“

      „Das leuchtet ein,“ tat Harald so, als sei für ihn das Thema abgehakt, und steckte sein Notizbüchlein wieder ein. „Ich bin eigentlich im Büro der Frau Jahn erst einmal durch. Könnte sein, dass wir da später noch einmal genauer reinschauen müssen.“

      „Soll mir recht sein.“

      „Erlauben Sie mir, Frau Jahns Rechner sicherzustellen?“

      „Gewiss doch. Nehmen Sie den ruhig mit.“

      „Was gibt es sonst noch, was Frau Jahn hier hinterlassen hat?“

      Nille zeigte Steiner Angelas Kleider- und Kosmetiksammlung, ihren überwiegend häuslichen Kleinkram auf dem Speicher und ihre spärlichen Möbel in der Garage. Von alledem schien Steiner nichts zu interessieren. Dann bat er Heiko darum, ihn in das Geschäftslokal in die Bonner Straße zu begleiten, das sie mit seinem Geld für ihre zukünftige selbständige Tätigkeit angemietet hatte. Da Harald zu Fuß gekommen war, fuhren sie mit Nilles Porsche dorthin. In dem großzügig bemessenen und gut aufgeräumten und sauberen, ehemaligen Konfektionsladen stand nur ein Verkaufstresen, der wohl vom Vorbesitzer stammte. In dessen Fächern fand Steiner wieder nur allerlei Prospekte vor. Auf dem Rückweg zur Villa in der Lindenallee bat Harald Nille, ihn vor Maître Andrés Laden herauszulassen, damit er seinen Dienstwagen für die weitere Fahrt bis zu Heikos Haus benutzen konnte, da er immerhin noch Angelas Rechner abholen wollte. Kaum hatte er den Computer im Beisein Nilles eingeladen, fragte er ihn: „Wer sind denn eigentlich die Bewohner der Parterrewohnung? Ich habe die Leute noch nicht kennenlernen dürfen.“

      Heiko machte eine auf Gelangweilt hindeutende Geste. „Ein älteres Ehepaar. Er Musiklehrer, der manchmal noch privat bei sich zuhause Unterricht erteilt. Sie eine aufgedonnerte Madame, die ihre beiden Pudel morgens und abends Gassi führt.“

      „Herr Nille, sicherlich werden wir nochmals auf Sie zukommen, aber augenblicklich habe ich keine weitere Fragen an Sie. Wie heißen denn Ihre Nachbarn im Erdgeschoss?

      Robert Renner (72) und seine Frau Karmen (71) waren zuhause, als Steiner sie nach seiner Verabschiedung von Nille, aufsuchte. Die Renners waren äußerst biedere Leute, wie man es von ehemaligen Studienräten, was sie zu sein, schnell durchblicken ließen, erwartete.

      Über den Tod Angela Jahns waren sie bereits von Heiko Nille informiert worden und dennoch nach wie vor äußerst bestürzt. Ihre Einstellung zu ihrem Nachbarn im Geschoss über ihnen war auch rasch auf den Punkt gebracht. „Ein feiner Mann, der Herr Nille, der keinem zur Last fällt und immer sehr hilfsbereit ist,“ erklärte Frau Renner. Ihr Mann ergänzte: „Im Gegensatz zu seinem Vorbewohner hat er sich nie darüber beklagt, wenn ich oder meine Schüler Klavier spielen. Andererseits hat er selber auch nie Krach erzeugt. Wenn man manchmal so hört, was andere Vermieter zu erleiden haben, dann haben wir es doch echt gut mit ihm getroffen.“

      „Darf ich daraus schließen, dass Ihnen dieses Haus gehört?“

      Karmen Renner schien vor Stolz zu platzen. „Ja, meine Eltern haben es von ihren Eltern geerbt, und ich habe es von meinen Eltern geerbt, Sie müssen wissen, meine Großeltern hatten…“

      „Karmen, bitte!“ herrschte Robert Renner seine Frau an, „Den Herrn Hauptkommissar interessieren unsere Familienhistorien nicht,“ und wandte sich wieder an Steiner. „Was können wir für Sie tun, Herr Hauptkommissar?“

      Harald wollte alles wissen, was mit Heiko Nille zu tun hatte, und bekam alles zu wissen, was die Renners über ihn wussten.

      Nachdem die Kinder des Ehepaars Renner flügge geworden waren, hatten sie die Villa so umbauen lassen, dass das Obergeschoss und das Dachgeschoss eine eigene Einheit bildeten. Zudem hatten sie im hinteren Bereich ihres Grundstücks zwei Garagen für den oder die künftigen Mieter errichten lassen. Ihr erster Mieter war ein Luftikus gewesen, der nur moserte, aber selber in allem nachlässig und säumig war. Sie waren anfangs erstaunt gewesen, als sich ausgerechnet ein junger Mann von kaum 20 Jahren als Nachmieter dieser Wohnung beworben hatte. Immerhin war die Miete kalt auf 1.200 Euro festgesetzt worden und die Kaution auf weitere drei Monatsmieten. Aber Nille hatte anstandslos das Geld hingeblättert, und vor allem hatte er einen disziplinierten und kultivierten Eindruck vermittelt. Er war in den Jahren nicht ein einziges Mal säumig geblieben, auch nicht, was die Nebenkosten anging. Konform mit den Aussagen Nilles sagten die Rentner aus, dieser habe, seit seinem Einzug vor zirka acht Jahren, vier längere Verhältnisse mit „Damen“ gehabt, die auch längere Zeit hier gewohnt hatten. Sie konnten sich noch schwach an Maike Gröbe erinnern, umso besser an Aischa Gül und Helga Bode, und sowieso an Angela Jahn. Drei von diesen Frauen hätten sich ja besonders vorbildlich verhalten, nur diese Bode sei ihnen extrem arrogant vorgekommen, hieß es. Als Letzteres einmal ausgesprochen war, erging sich Karmen Renner in allerlei alltägliche Details, um die gemachte Behauptung zu untermauern. Was die Frau hervorhob, betraf vermeintlich oberflächliche Verfehlungen der Bode, diente Steiner aber zu den Ausgangspunkten einer näheren Charakterstudie dieser Person und rückte sie für ihn in den Bereich der interessanteren Figuren des Geschehens. Die Kernpunkte der Kritik Frau Renners an Helga Bode, - Herr Renner hielt sich diesbezüglich vornehm zurück -, waren ihre Nachlässigkeiten. Aus technischen Gründen hatten beide Wohnungen eine gemeinsame Waschküche im Keller. Helga, so die Renner, habe, wenn sie überhaupt mal die Waschmaschine benutzt hatte, immer wieder Wäscheteile herumliegen lassen. Das Bügelbrett habe sie niemals in Benutzung genommen… Und dann war da noch die Sache mit den Herrenbesuchen, die über Nacht blieben, wenn Heiko mal einige Tage abwesend war. „Robert hat sich immer die Kennzeichen der Autos notiert. Nicht wahr, Robert?“

      Ihr Mann nickte verlegen und wich erläuternd aus. „Aber nur, weil du das so wolltest.“

      „Na hör mal, Robert, wenn die Helga bei Nacht und Nebel hier ausgezogen wäre und Heikos Sachen oder sonst was mitgenommen hätte…“

      „Hat sie aber nicht,“ fiel ihr Robert in die Rede. „Sie ist einfach ganz normal ausgezogen, und einige Wochen später ist die Angela eingezogen. Also sahen wir keine Veranlassung, noch mehr Öl ins Feuer zu gießen, indem wir dem Heiko etwas über diese Herrenbesuche gesteckt hätten.“

      „Haben Sie diese Notizen zu den Kennzeichen noch?“ interessierte es Steiner.

      „Aber ja doch,“ reagierte die Frau spontan, sprang wie ein Floh von ihrem Stuhl auf, eilte zum Büffetschrank und kehrte mit einer Ringkladde zum Tisch zurück. „Da haben wir erst einmal…“ Steiner