Dummes Mädchen, schlaues Mädchen - Ein Fall für Harald Steiner. Ansgar Morwood. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ansgar Morwood
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844262780
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nicht mit Arbeit besudeln.“

      Bezengo hielt inne, um Heikos Spannung zusätzlich zu steigern. Der wirkte zwar verwirrt, keinesfalls aber angeschlagen. „Haben Sie etwas mit Angelas Ermordung zu tun?“

      „Ich nicht, Herr Nille. Mir ist aber bewusst, dass Sie etwas damit zu tun haben könnten. Der Herr Steiner hält Sie ja auch nicht gerade für unverdächtig. Wollen Sie vielleicht etwas trinken, Herr Nille?“

      Heiko hätte liebend gern abgelehnt, aber das hätte nur Bezengos Annahme, er sei eingeschüchtert, zusätzlich genährt. „Wenn Sie spendieren, bitte einen Courvoisier.“

      Bezengo rief dem Wirt zu, zwei Gläser Courvoisier zu bringen und wandte sich wieder Nille zu. „Machen wir es kurz. Sie sitzen in der Tinte, wenn wir dem Herrn Kommissar gewisse Informationen zukommen lassen. Man wird Ihre Geschäfte viel genauer unter die Lupe nehmen, als das bisher der Fall war, und man wird Ansätze dafür finden, dass Sie allen Grund hatten, Angela Jahn aus dem Verkehr zu ziehen.“

      „Das habe ich aber nicht getan,“ protestierte Heiko.

      „Sie wissen das, und ich weiß es. Aber Harald Steiner will einen Mörder fassen, in diesem Fall auch dessen Auftraggeber. Er wird sich auf Sie fixieren und Ihr Business ins Wanken bringen und vielleicht sogar zerstören. Das liegt nun wirklich nicht in meinem und noch weniger in Ihrem Interesse. Faktisch habe ich es in der Hand, Sie für alle Zeiten zu ruinieren. Ich weiß so viel über Ihre Geschäftsgebaren, dass ich in aller Ruhe zusehen könnte, wie Ihre Firma von den Behörden hochgenommen wird, um dann an Ihrer Stelle in die neue Marktlücke zu springen. Ich bin aber kein Unmensch, Herr Nille. Leben und leben lassen ist meine Devise. Wie wäre es, wenn wir Ihre Firma übernehmen und Sie als unseren Filialleiter engagieren? Fixum 100.000 Netto im Jahr und bei Erfolg 150.000 unterm Tisch. Unsere Gegenleistungen wären: keine gefacelifteten Informationen an die Bullerei und rechtzeitiges Eingreifen und Umstrukturieren, wenn Kripo oder Finanzamt Ihnen auf die Schliche zu kommen drohen. Ist das ein Angebot?“

      Bezengos Sarkasmus beeindruckte Heiko nun doch. Ihm blieb förmlich die Spucke weg. Er nahm einen Schluck aus dem inzwischen vor ihm stehenden Cognacschwenker und dachte nach. Sein Erpresser ließ ihm die nötige Zeit, sich seiner Situation bewusst zu werden, und blätterte, Gleichgültigkeit demonstrierend, die Zeitung, die er anfangs weggelegt hatte, wieder auf. Nach allem, was der Mann ihm in den letzten Wochen am Telefon gesagt hatte, bluffte er nicht. Er hatte ihm genau zu erzählen gewusst, über welche Kanäle die Autos und die Ersatzteile besorgt und über welche sie in den Handel gebracht worden waren. Heiko konnte das System Nille nicht kurzfristig ändern. Das war klar. Aber er hatte ja an diesem Nachmittag seine Eingebung gehabt, woher dieser Bezengo an seine Informationen gekommen war. Bezengo saß somit für eine gewisse Dauer am längeren Hebel, aber das war ein Hebel, den man irgendwann überlisten konnte. Zudem war klar, dem Kerl ging es nur um Geld. Das hatte er immer wieder betont. Heiko überflog gedanklich auch die für ihn aus dem „Angebot“ resultierenden Konsequenzen. Wenn er akzeptierte, hatte er auf genügend Rücklagen Zugriff, seinen bisherigen Lebensstandard aufrecht zu erhalten. Der wirklich gefährliche Eckpunkt war der vermeintliche Nachweis, den dieser Scharlatan zu haben behauptete, ihm die Mittäterschaft an Angelas Tod in die Schuhe schieben zu können. Aus was sollte dieser Beweis denn resultieren? Warum ihn nicht gleich selber fragen? Das tat er nun auch, und Bezengo legte die Zeitung wieder zur Seite.

      „Ach, Herr Nille, im Mordfall Angela Jahn gibt es einen, der die Tat ausgeführt hat. Glauben Sie mir, dessen Identität wird nicht ewig geheim bleiben, aber die deutsche Polizei wird seiner vielleicht nie habhaft werden, was nicht bedeuten soll, man werde auch nicht die Wohnung ausfindig machen können, in der er während seines Verbleibs in unserem schönen Land gelebt hat. Ist die einmal aufgespürt, lassen sich auch Leute aufspüren, die etwas zu diesem Mann zu erzählen haben.“

      3. Die böse Jenny

      Erster Freitag nach Angela Jahns Ermordung

      Auf die Sensationslüsternheit der Medien war absolut Verlass, hatte Harald Steiner im Laufe seiner Berufskarriere gelernt. Der Mordfall Angela Jahn hatte in allen Blättern, im Radio, bei vielen Fernsehsendern und im Internet große Beachtung und zumeist auch viel Sendezeit gefunden. Dementsprechend wurden die Ermittlungsbehörden schon seit dem Vorabend mit Hinweisen aus der Bevölkerung bombardiert, und diese Bombardierungen rissen auch an diesem Vormittag nicht ab.

      Als der Hauptkommissar sein Büro betrat, eilte Ralf Frisch mit einem Stapel Notizen aus dem Nebenraum herbei, die er persönlich seinem Chef kommentiert präsentieren wollte.

      „Wie üblich sind massenhaft Namen genannt worden und fast ebenso oft Wohnungen, Häuser oder sonstige Unterkünfte, wo sich ein Mann, dem diese Merkmale zugeschrieben werden, aufgehalten hat oder gar noch aufhält. Von Flensburg bis Berchtesgaden und von Görlitz bis Aachen sind deswegen schon hunderte Adressen von Streifen aufgesucht und Menschen befragt und auch auf ihre Personalien hin überprüft worden. Das Übliche war dabei der Routinefall: Falscher Alarm.“

      „War nicht anders zu erwarten,“ murmelte Harald. „Südländische Bartträger gibt es wie Sand am Meer, und Querulanten, die solche gerne anzeigen würden, sind auch keine Raritäten.“

      „Ja,“ pflichtete ihm der Assistent bei, „das Schema ist immer dasselbe. Allerdings gibt es auch seriöser zu nehmende Hinweise. Dieser Bursche wird ja wohl kaum aus dem Bayrischen Wald angereist sein, um eine ihm fremde Frau zu erstechen.“

      „Kommt drauf an,“ wandte der Hauptkommissar ein. „Ein professioneller Auftragsmörder wird nicht so dumm sein, sich in einer Kölner Pension einzuquartieren. Und ein Verrückter ist in allem unberechenbar. Was ist denn nun mit diesen seriöser erscheinenden Hinweisen?“

      „Die betreffen sechs Personen. Einen rumänischen Erntehelfer in Niederaußem, der es schon seit Jahren nach der Saison nicht mehr für nötig befindet, nachhause zu fahren, einen Bosnier, der allein in Longerich wohnt und hin und wieder unaufgefordert Frauen angequatscht hat, einen Kroaten in der Aachener Straße, dessen Frau samt Kindern in ein Frauenhaus umgezogen ist, einen Österreicher kroatischer Herkunft, der in Poll eine Hinterhofautowerkstatt betreibt, einen Ungarn in Nippes, der nie arbeitet, aber wohl mit Geld rumprasst, einen Serben, ebenfalls in Nippes ansässig, der von der Stütze lebt und ein Türke in Leverkusen, dem man den Führerschein wegen Trunkenheit am Steuer abgenommen hat, wodurch er vom Fernfahrer zum Arbeitslosen degradiert worden ist. Alle sechs Männer leben allein, allen sechs Männern sind die Ehefrauen ausgebüchst.“

      „Aufschlussreich!“ herrschte Steiner Frisch an. „Und warum sollen ausgerechnet diese sechs in die engere Wahl fallen?“

      „Sie haben ausnahmslos keine Alibis für die Tatzeit, sind alle schon einmal als gewalttätig gegenüber Frauen aufgefallen, alle diese von ihnen angegriffenen Frauen waren Blondis, und die Beschreibung des Täters könnte auf sie zutreffen.“

      „Tja, Meyers sagte zwar, es gäbe in letzter Zeit keine Angriffe auf Blondis in und um Köln, aber er sitzt ja auch nicht an der Quelle. Dann müsst ihr die Typen eben durchmangeln,“ entschied Harald und fügte hinzu: „Aber die werden es eher nicht gewesen sein.“

      „Warum nicht?“ bat Ralf um Nachhilfe.

      „Ich glaube nicht an eine Spontanreaktion. Sucht lieber nach einer Person, auf die die Merkmale zutreffen und die ganz unscheinbar irgendwo in oder um Köln gelebt hat oder sogar nur für einen Tag angereist und inzwischen wieder abgereist ist.“

      „Aber diese Jahn stellte doch nun wirklich nichts dar,“ gab Frisch zu bedenken. „Sie umbringen zu lassen, wäre doch niemandem das Geld wert.“

      „Vergessen wir nicht, mit wem sie liiert war,“ konterte Steiner.

      In Patricia Unkels Büro hatte sich inzwischen ein anderes Ärgernis eingefunden, das den Namen Peter Jahn trug.

      „Herr Jahn, Sie erwarten doch nicht allen Ernstes von mir, dass ich Ihnen erlauben werde, unsere Ermittler auf Schritt und Tritt begleiten zu dürfen? Noch ist deutsche Polizeiarbeit nicht als Lifeshow fürs Fernsehen gedacht.“

      Erbost erwiderte Jahn: „Wenn ich Ihre Leute nicht bei der Arbeit direkt begleiten darf, dann werde ich ihnen eben überall hin folgen.“

      „Was Sie