Dummes Mädchen, schlaues Mädchen - Ein Fall für Harald Steiner. Ansgar Morwood. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ansgar Morwood
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844262780
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Blitzbesuche konnten nach seiner Ansicht manchmal viel effektiver sein.

      So parkte Steiner seinen Mercedes gegen 13.30 Uhr vor einem Flachbau, der tatsächlich nur Büros zu beherbergen schien. Ein kurzer Blick auf die Beschriftung, der hier domizilierten Firmen oder Niederlassungen verriet ihm, dass es sich um einen dieser Bürokomplexe handelte, in denen kleine Firmen sich auf engem Raum ihre Gesellschaftssitze eingerichtet hatten. Und der Blick ins Foyer bestätigte diese Annahme. Eine Frau saß hinter einer Glasscheibe und nahm ein Telefonat an, meldete sich aber mit irgendeinem der Firmennamen, die Harald draußen auf dem Schild gelesen hatte. Mit anderen Worten, die Frau war die gemeinsame Vorzimmerdame und Telefonistin aller hier residierenden Betriebe. Steiner wartete, bis sie den Anruf weitergeleitet hatte, ehe er sie ansprach. Er sah sich nicht veranlasst, Fragen zur Konstellation und der Arbeitsweise in diesem Haus zu stellen, sondern wollte wissen, ob Frau Bode im Hause sei. Die Rezeptionistin wollte wissen, wen sie anzumelden habe. Offensichtlich brauchte die Bode keine unangenehmen Besucher abwimmeln zu lassen, denn sonst wäre die kurze Unterhaltung anders verlaufen. Etwa im Sinne von: „Sind Sie angemeldet? Nein? Ich muss mich erst einmal erkundigen, ob Frau Bode Sie jetzt empfangen kann.“

      Es reichte ihr vollkommen aus, bei der Bode anzurufen, um ihr mitzuteilen, ein Herr Harald Steiner stände hier im Foyer und wünsche sie zu sprechen. Gleich nach dem Aufgabeln des Hörers erklärte die Dame Steiner, welchen Gang zu welchem Zimmer er zu nehmen habe.

      Helga Bode schien nicht einmal über eine Hilfskraft in ihrem Büro zu verfügen. Jedenfalls war sie es, die „Herein!“ rief, als der Hauptkommissar anklopfte, und nichts deutete darauf hin, dass in diesem Raum mehr Platz an Arbeitsgelegenheiten bestand als für eben nur diese Helga Bode. Nicht einmal ein kleiner Konferenztisch stand ihr hier zur Verfügung, nur zwei Besucherstühle vor ihrem Schreibtisch. Dennoch machte die Frau keinen darüber verlegenen Eindruck. Im Gegenteil. Mit ihrem grauen Hosenanzug, den schwarzen Pumps, der weißen Bluse und ihrer kunstvoll hochgesteckten, blonden Haarpracht hätte jeder ihr abgekauft, eine Chefsekretärin oder gar selber die Chefin eines Konzerns zu sein.

      „Guten Tag,“ sprach Harald, während er die scheinbar mit Dokumenten beschäftigte Frau auf dem Bürosessel ansah, die ihm nur flüchtig beim Eintreten eines Blickes gewürdigt hatte. „Mein Name ist Steiner, Hauptkommissar der Kripo Köln. Sind Sie Helga Bode?“

      Die Bezeichnung Hauptkommissar hatte offenbar ihre Wirkung nicht verfehlt, denn die Bode wandte ihre Augen unvermittelt von den Papieren ab und ihm zu.

      „Ja, ich bin Helga Bode. Sagten Sie gerade Kripo Köln? Sind Sie ganz sicher, mich sprechen zu wollen?“

      „Ich denke schon,“ erwiderte Steiner. „Herr Heiko Nille hat mir Ihre Karte gegeben. Sie waren doch zeitweise mit Herrn Nille zusammen?“

      „Ja, das stimmt,“ räumte die Bode freimütig ein, erhob sich von ihrem Platz und machte mit ihrem Arm eine eindeutige Geste. „Setzen Sie sich doch bitte.“ Der Einladung kam Steiner nach, und auch die Gastgeberin setzte sich wieder auf ihren Drehstuhl.

      „Dürfte ich bitte Ihren Dienstausweis sehen?“

      „Kein Problem.“

      Schnell stand für sie fest, dieser Kommissar war wohl wirklich ein Kriminalbeamter.

      „In welcher Angelegenheit suchen Sie mich auf?“ Die Frage wurde von einem freundlichen Lächeln untermalt, die Frau wirkte aber dennoch kühl.

      „Haben Sie von der Ermordung der Frau Angela Jahn gehört, Ihrer Nachfolgerin bei Herrn Nille, wenn ich nicht irre?“

      Das Lächeln verwandelte sich nun zu einem freibleibenden Ausdruck. „Als ich davon erfuhr, war ich mir noch nicht sicher, ob es um jenes Mädchen ging. Aber… Nun ja, inzwischen bin ich mir dessen sicher.“

      „Wieso sind Sie sich dessen sicher?“

      „Ein Bekannter Heikos hat es mir gesagt. Trotzdem interessiert es mich, weshalb Sie zu mir gekommen sind. Ich habe die Frau nie persönlich kennen gelernt.“

      „Es gibt viele Gründe, die mich veranlassen, mit Ihnen reden zu wollen, Frau Bode. Sie waren immerhin Herrn Nilles vorletzte Geliebte. Ich will nicht sarkastisch erscheinen, aber das könnte unter Umständen der Ansatz für ein Mordmotiv sein.“

      „Die Verwerfung zwischen Heiko und mir ist älter als seine Beziehung zu der Frau und basiert auf ganz gewöhnlichen, alltäglichen Ursachen. Heiko wollte partout den Sommerurlaub in der Karibik verbringen, ich bestand darauf, nach Florida zu fliegen. Das mag als Auslöser für einen Beziehungsstreit banal klingen, aber ist einmal die Bombe gezündet, kann eine unendliche Kettenreaktion von Explosionen darauf folgen. Da reiht sich dann ein Vorwurf nach dem anderen aneinander. Vom Schnarchen bis hin zum viel zu dünn aufgesetzten Kaffee ist dann alles mit Dynamit gespickt. Egal von welcher Seite die Vorwürfe erhoben werden. Das gipfelte dann zum Schluss darin, dass ich keine Lust mehr hatte, mit Heiko unter einem Dach zu wohnen.“

      „Gut, das kann ich verstehen,“ äußerte sich Steiner milde. „Doch manchmal gibt es ja auch ganz andere Triebfedern, eine Beziehung beenden zu wollen. Ich wäre nun wirklich nicht bei Ihnen vorstellig geworden, wenn mir da nicht einige potenzielle Ansätze aufgefallen wären. Uns sind Mitteilungen gemacht worden, die besagen, sie hätten beizeiten, wenn Herr Nille nicht anwesend gewesen war, Herrenbesuche empfangen. Das muss nichts besagen, gibt uns aber zu denken.“

      Helga lachte auf. Ihr Lachen kam Harald zu hämisch und sogar etwas zu hysterisch vor, es nicht für einen schlechten Versuch der Ablenkung aufzufassen. „Ich kann mir schon vorstellen, wer Ihnen solche Informationen gesteckt hat. Waren es die Renners?“ Steiner zuckte mit seinen Achseln. Sie daraufhin: „Natürlich waren es die Renners. Die Alten haben doch laufend nur aus dem Fenster geschaut. Und mich haben sie nie leiden können, vor allem nicht die Karmen.“

      „Mag sein, doch was war denn nun mit diesen Herrenbesuchen? Ich hatte wahrlich nicht den Eindruck, die Renners hätten sich die aus ihren Daumen gesogen. Im Gegenteil, Frau Bode, diese Leute haben uns sogar teilweise die Kennzeichen der Fahrzeuge Ihrer Besucher geben können. Die überprüfen wir bereits.“

      Die Bode wurde kleinlaut. „Dann werde ich es wohl zugeben müssen. Ja, ich hatte Lover neben Heiko. Das ist aber nichts Kriminelles.“

      „Nach dem Gesetz ist es nicht strafbar, nach der Moral darf ich es in meiner Funktion nicht bewerten. Mir sind nur andere Dinge aufgefallen, wozu Sie mir vielleicht einige Auskünfte erteilen können. Haben Sie jemals Einsichten in Herrn Nilles Geschäften gehabt?“

      „Wenn es etwas gibt oder gab, worin Heiko niemandem Einsicht gewährte, dann waren es seine Geschäfte. Autos, das war sein Geschäft. Mehr weiß ich nicht.“

      „Und warum glaube ich Ihnen das nicht?“ frotzelte Harald.

      „Vielleicht weil Sie im Dunkeln tappen?“ konterte die beredte Frau. „Aber tatsächlich hat er sich immer sehr bedeckt gehalten, was das anging.“

      „Sie sind Unternehmensberaterin, nicht wahr?“

      „Ich denke, diese Frage brauche ich Ihnen nicht spezifisch zu beantworten.“

      „Das nicht. Wohl aber, wieso Sie im Laufe Ihrer doch recht langen Beziehung zu Heiko niemals auf den Kern seiner Geschäfte gestoßen sind. Ich zum Beispiel bin Kriminalbeamter, und wenn etwas mit einem Tötungsdelikt zu tun hat, stelle ich mir, aber auch anderen Fragen, selbst wenn mich der Fall nicht tangiert. Und wenn die, die eigentlich mehr wissen müssten als ich, meine Fragen nicht beantworten wollen, versuche ich mich den Fakten anderswie zu nähern. Es würde mich doch sehr wundern, wenn Sie auf Ihrem Fachgebiet einen auf Vogel Strauß machen und das, wenn es dabei auch noch um Ihren Lebenspartner geht.“

      Die Nuss, die ihr gegenübersaß, erschien Helga einige Spuren zu hart. Natürlich war es nahezu unvorstellbar, dass sie über Jahre hinweg das System Nille nicht irgendwie in seinen Ansätzen durchschaut haben sollte. Und da war ja noch etwas, das einer näheren Überprüfung nicht standhalten würde. Sie hatte Geld von Heiko bezogen, von ihm erpresstes Geld. Sollte der Kerl eines Tages selber den Prüfungen nicht mehr standhalten, würde er das unweigerlich auch ausplaudern. Wegen des Taschengeldes, das sie von ihm erpresst hatte, hatte sie keine Angst. Das nachträglich zu versteuern, war das Geringfügigste. Aber dann würde