Kaana. Rudolf Jedele. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rudolf Jedele
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783745082234
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verhinderte nennenswerte Schneefälle nahezu ganz, denn die Luftfeuchtigkeit in dieser Region war einfach zu gering. Es gab zwar auch hier kalte Nächte in denen man die Dungfeuer in den Kohlepfannen der Wagen gerne weiter brennen ließ, doch es waren nur wenige. Schnee gab es nicht und Tagsüber war es meist sogar warm genug, um auch ohne den schweren Mantel reiten zu können.

      „Ich verstehe nicht, weshalb Marigo unbedingt in einer Stadt mit festen Häusern leben wollte. Das Leben in diesem Teil der Steppe ist doch absolut leicht und angenehm!“

      Was Kargul nicht verstand, verstand auch Mizar nicht. Niemand verstand, was Vilas und Marigo, die beiden verräterischen Ältesten der siebten Sippe geritten hatte, dass sie in einem derart milden Klima auf ihr Nomadenleben verzichten wollten. Doch musste man es verstehen?

      Eigentlich war es einerlei, meinte Joel und traf damit den Nagel auf den Kopf, denn jetzt waren sie die Nutznießer des milden Klimas und sie würden sich ganz sicher nicht nach festen Häusern mit eingebauten Bädern sehnen.

      Kazar hatte als Winterquartier eine weite Talsenke gewählt, in der er sämtliche Herden über den Winter bringen konnte, ohne dass die Tiere hungern mussten, so üppig war das Land hier. Insgeheim war Kazar dem toten Marigo sogar ein wenig dankbar für seine Dummheit.

      Ein wichtiger Teil des Winters sollte damit verbracht werden, dass man an den Gänsesee ritt und zunächst die neuen Krieger der vierten Sippe mit den stählernen Waffen und Rüstungen ausstattete. Dafür waren zehn Tage vorgesehen und schon wenig später erwarteten sie Chamjak mit ebenfalls mehr als zweihundert Reitern der ersten Sippe, damit auch diese ausgerüstet wurden. Danach sollte eine Sippe nach der anderen auftauchen und bis zum nächsten Sommertreffen sollte aus einer eisernen Sippe ein stählernes Volk geworden sein. Weit mehr als zweieinhalbtausend wilde Krieger auf stolzen und edlen Rössern, in Stahl gehüllt und mit Stahl bewaffnet stellten eine Streitmacht dar, denen die Städte Zeparana, Surbana und Shangtzu nichts Vergleichbares entgegen zu setzen hatten.

      Sie wussten es nur noch nicht ….

      Alles lief wie geplant. Bereits zu Mittwinter waren vier Sippen vollständig mit Stahl gerüstet und jeder Älteste, der zusammen mit einem der Männer der vierten Sippe in die Schatzkammer ging, kam mit einem ehrfürchtigen Ausdruck im Gesicht zurück und mit jedem Krieger, der Stahl tragen konnte, stieg die Achtung vor Kazar, Joshara und der vierten Sippe immer weiter. Einige der Ältesten, ganz besonders Tristal scheuten sich angesichts des gewaltigen Schatzes nicht zuzugeben, dass sie diesen vermutlich nicht so großzügig mit dem Rest des Volkes geteilt haben würden. Doch die Tatsache, dass der Schatz nicht der vierten Sippe, sondern dem Volk überlassen wurde, erhöhte Kazars Macht eher, als dass sie diese schmälerte. Chamjak war der erste, der lapidar feststellen musste, dass sämtliche Krieger der ersten Sippe in Kazar und Joshara Idole erkannte, denen sie notwendiger Weise auch in den Tod folgen würden.

      „Das haben sie von mir noch nie gesagt...“

      Das Tal das zu der Höhle und dem Zugang zum Schatz führte aber wurde für Joshara und Kazar zu einem ganz besonderen Erlebnis. Joshara hatte es zum ersten Mal als ein Stück Sheenland inmitten der fruchtbaren Steppe Kaana kennen gelernt. Als er und Kazar dann zum letzten Mal hier gewesen waren, hatte es im Tal plötzlich zu regnen begonnen, ein kleiner Erdrutsch hatte eine Quelle freigelegt und das Tal hatte zu grünen begonnen. Nun, nach der Hälfte eines Jahreszyklus waren sie zurück gekehrt und trafen auf ein Tal, das nicht mehr mit dem Gemein hatte, das sie kannten. Durch die Talsohle floss ein Bach, der von ganz hinten aus dem Tal kam und das Gras reichte an den Hängen bis weit über die Höhe hinauf, in der normalerweise Gras wuchs. Zahlreiche Büsche und schnell wachsende Stauden überwucherten das Tal und wohin man sah, begannen Schösslinge von Bäumen aller Art zu wachsen.

      Ab dieser Zeit war das Wachstum alles Grünen im Tal immer augenfälliger. Als sie mit Chamjak und der ersten Sippe ins Tal kamen, waren die Schösslinge schon kniehoch geworden. Kazar erzählte Chamjak, was sie beobachtet hatten und der oberste Kriegsherr knurrte:

      „Wenn wir in ein paar Jahren wieder hierher kommen, werden wir uns den Zugang mit Äxten bahnen oder durch das Bachbett waten müssen und werden dann mit nassen Füßen in der Höhle ankommen. Es ist schon erstaunlich, welche Kraft doch in unserer grünen Göttin steckt, wenn man ihr den Weg ein wenig ebnet.“

      Kazar sah Chamjak ob dieser Worte staunend an und wusste nicht genau, ob er sie tatsächlich für vollkommen ernst nehmen durfte. Er glaubte eine gute Portion Sarkasmus in der Stimme des obersten Kriegsherrn vernommen zu haben.

      „Hast du Grund, unsere grüne Mutter zu kritisieren?“

      „Habe ich Grund? Was soll ich dazu sagen, Freund Kazar? Ich bin seit nunmehr beinahe vier Jahrzehnten der oberste Kriegsherr des Volkes der grünen Göttin. Ich habe mein Leben in ihren Dienst gestellt, wie kaum ein anderer. Habe ich deshalb ein solches Geschenk von ihr bekommen? Ein Mann aus den Bergen musste kommen, um uns einen unvergleichlichen Schatz zu erschließen und ein Tal der grünen Göttin zurück zu geben, welches unsere Väter, deiner und meiner, an Sheehano verloren haben. Habe ich Grund sie zu kritisieren? Nein, ich glaube nicht. Sie hat mir viel gegeben und manches genommen, doch ich habe keinen Grund sie zu kritisieren. Doch im Gegensatz zu ihr bin ich ein Mensch und manchmal fühle ich mich eben ein wenig ungerecht behandelt. Doch das legt sich.“

      Kazar sah den obersten Kriegsherr lange an, dann jedoch wollte er wissen:

      „Du hast mich gerade überrascht. Auch ich kenne die Legenden des Volkes, doch ich habe nie gehört, dass sich auch um dieses Tal eine Legende rankt.“

      „Es ist ausnahmsweise so wenig eine Legende, wie der Sieg deines Sohnes beim Bus-Ka-Shi eine Legende ist. Ich war dabei und musste versprechen niemals über das zu reden, was ich gesehen und erlebt habe. Jetzt aber, da sich alles so verändert hat und beinahe wieder so geworden ist, wie es einstmals war, sollte ich doch darüber reden. Komm setzen wir uns, dann erzähle ich eine Geschichte.“

      Kazar winkte auch Joshara herbei und zu dritt setzen sie sich in die Mulde, die Misteeva einst geschaffen hatte, als sie hier nach Erzen grub. Sie fanden ohne viel Mühe unter den Büschen Totholz genug um ein kleines Feuer zu entfachen und es sich so ein wenig gemütlicher zu machen. Sie rollten sich ein paar Sitzsteine heran und dann hockten sie eine Weile nur da, hielten die Hände über die Flammen und schwiegen vor sich hin.

      Es war angenehm, hier zu sitzen. So angenehm, dass man geneigt war, die Zeit zu vergessen, sie verstreichen zu lassen, so wie man sich feinen Sand durch die Finger rieseln lässt. Es gab für den Tag keinen Grund zur Eile und so entspannten sie sich einfach und warteten ab. Dann aber war der Zeitpunkt gekommen, Chamjak hatte seine Geschichte parat, sie wollte heraus und so begann er zu erzählen.

      „Ihr spürt es selbst, dieses Tal gehorchte anderen Gesetzen als der Rest unseres Landes, nicht wahr?

      Ihr spürt es und ich spüre es. Man meint die Zeit spielte keine Rolle und man könnte einfach für immer so sitzen und vor sich hin grübeln. Ich habe dies schon einmal erlebt und unsere Väter haben es ebenso empfunden. Damals war der Älteste der ersten Sippe mit seinen Söhnen zu Besuch bei der vierten Sippe, denn es galt ein paar dringende Anliegen zu besprechen. In Zeparana war ein ehrgeiziger junger Händler aufgetaucht, der neue und völlig andere Wege ging und oft unverständliche Ansichten besaß, was den Handel mit dem Volk anbelangte. Sein Name war Sabandin und er bereitete meinem Vater, der wie ich oberster Kriegsherr des Volkes war, großes Kopfzerbrechen. Der Händler war bei ihm gewesen und hatte ihm Vorschläge unterbreitet, die dazu führen mochten, die erste Sippe noch bedeutsamer zu machen und den obersten Kriegsherrn zu einer Art Herrscher zu erheben, wie es ihn auch in Zeparana und den anderen Städten gab.

      Mein Vater war wie ich oder, besser gesagt, ich bin in vielen Dingen wie mein Vater. Strategisches Verständnis und Kriegstaktiken liegen den Männern unserer Familie im Blut, doch Intrigen, alles was mit Politik zu tun hat, entzieht sich unserem Geist sehr häufig. Deshalb war mein Vater an den Gänsesee geritten, um sich mit deinem Vater zu beraten.

      Beratungen können sich lange hinziehen und langweilig werden, also lud dein Vater als Gastgeber am dritten Tag der Beratungen uns alle zu einer Jagd auf einen alten