Sichelland. Christine Boy. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christine Boy
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844236200
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durch mich eine Nachricht überbringen.“

      Akosh runzelte die Stirn, doch die Falten glätteten sich gleich darauf wieder.

      „Und wie lautet sie?“

      „Die Botschafterin wird heute bei Einbruch der Nacht hier eintreffen.“

      „Heute schon? Ich hatte nicht so bald mit ihrem Erscheinen gerechnet. Aber ich freue mich. Es ist mir eine große Ehre, sie meinen Gast nennen zu dürfen. Weißt du, ob sie hier übernachten wird?“

      „Sie wird von Menrir begleitet und Lennys meinte, er und ich könnten im Gasthaus schlafen. Sie meinte, sie selbst würde hierbleiben.“

      „Nun, ich werde sofort alles Nötige vorbereiten. Ich könnte auch leicht dich und Menrir beherbergen, aber wir wollen uns in ihren Wünschen beugen. Am besten, wir gehen gleich zum „Rebstock“ hinüber und kümmern uns um eure Unterkunft. Bis zu ihrem Eintreffen wird nicht mehr viel Zeit vergehen.“

      Er wollte sich gerade der Tür zuwenden als ihm noch etwas einfiel. Er musterte Sara noch einmal genauer.

      „Bist du die Novizin, von der Menrir erzählt hat? Die in Lennys' Diensten steht?“

      „Ja, mein Name ist Sara.“

      „Schön, Sara. Ich bin sicher, du machst deine Sache gut.“ Er lächelte freundlich und bat sie dann hinaus, um sie zum Gasthaus zu begleiten.

      Die Sonne war schon fast vollständig untergegangen als Menrir an Akoshs Tür klopfte. Lennys stand ein paar Meter entfernt und starrte unergründlich ins Leere, doch kaum öffnete sich die Tür einen Spalt, schritt sie zügig an Menrir vorbei, noch bevor dieser zu Wort kommen konnte. Der Heiler schaffte es gerade noch, ihr ins Dunkel des Gebäudes zu folgen, bevor die Tür wieder zufiel.

      Obwohl es jetzt im Flur seines Hauses stockfinster war, verneigte sich Akosh tief vor seiner Besucherin.

      „Seid willkommen. Mein Haus ist euer Haus und ich bin euer Diener.“

      Lennys verzog keine Miene und antwortete nur:

      „Es ist gut, Akosh, es ist nicht die richtige Zeit für Förmlichkeiten. Wo ist Sara?“

      „Sie wartet nebenan. Ich dachte, es wäre nicht gut, sie allein im „Rebstock“ zu lassen, doch das Nachtquartier ist bestellt und kann von ihr und Menrir...“ Er nickte dem Heiler einen Gruß zu, „...jederzeit bezogen werden.“

      „Mir wäre sofort am liebsten.“ erwiderte Lennys. „Ich habe einiges mit dir zu besprechen und möchte nicht länger warten. Menrir, nimm Sara und geh zum Gasthaus, ich brauche euch heute nicht mehr.“

      Als sie den geräumigen und geschmackvoll eingerichteten Wohnraum betraten, wartete Sara, bereits wieder in ihren Reiseumhang gehüllt, in einer Ecke am Fenster.

      „Du kannst jetzt gehen. Ruh dich aus, wir werden morgen wieder so früh wie möglich zum Tempel zurückkehren. Menrir wird in deiner Nähe bleiben, zu später Stunde neigt das gemeine Volk hier manchmal zu ungehobeltem Benehmen.“

      Während sich Akosh im Flur von dem Heiler und der Novizin verabschiedete, betrachtete Lennys den Wandschmuck an der dunkel getäfelten Wand des Wohnraums. Einige fein geschmiedete Silberstatuen standen auf schmalen Regalbrettern, geschnitzte Reliefbilder mit lebhaften Szenen aus Schlachten und heiligen Zeremonien belebten den düsteren Grund und ein besonders prächtiger, mit silberfarbenen Symbolen bestickter Wandteppich zog alle Blicke an der Westwand auf sich.

      Die Cycala zog die Brauen hoch als ihr Gastgeber wieder den Raum betrat.

      „Du empfängst nicht viele Fremde hier, nehme ich an?“

      „Gar keine, um genau zu sein. Nebenan ist ein kleineres Zimmer, dass weniger auffällig geschmückt ist, dort finden meine Kundengespräche statt.“ Akosh füllte einen glänzenden Messingbecher mit einer rubinroten Flüssigkeit und reichte ihn Lennys.

      „Sijak?“ fragte sie überrascht.

      „Leider nicht der Beste, sondern eine weniger gute Sorte aus Askaryan. Jedoch beinahe ebenso schwer zu bekommen wie der Semonische.“

      „Wenigstens du beweist Geschmack, Akosh.“

      „Hätte ich geahnt, dass ihr mich schon heute beehrt, hätte ich mich um bessere Gastfreundschaft bemühen können.“

      „Das ist nicht nötig. Und bitte, rede nicht so geschraubt, wir sind hier unter uns.“

      „Darf ich dir noch etwas Anderes anbieten?“ fragte der Goldschmied etwas entspannter.

      „Nein, danke. Erzähl mir, wie es hier zugeht. Ich habe lange nichts von euch allen gehört.“

      „Wir kommen zurecht. Die Menschen sind zwar meist naiv und oberflächlich, aber auch freundlich, hilfsbereit und großzügig. Eben anders als bei uns zu Hause. Trotzdem vermisse ich das Sichelland... auf meine Art.“ Er deutete auf den Wandteppich und die Bilder. „Damals sah mein Haus ähnlich aus. Manchmal vergesse ich hier ganz, dass sich vor meiner Tür nicht die Weiten Cycalas' ausbreiten, sondern eine plumpe, verschlafene Stadt, in der sich alles nur um Handel, Wein und Frauen dreht.“

      „Aber du gehst nicht zurück?“

      „Nein. Noch nicht. Obwohl... es hier nicht mehr sicher ist.“

      „Das war es nie. Auch wenn Menrir anderer Meinung ist.“

      „Ich dachte, er macht sich Sorgen?“

      Lennys stellte den Becher ab und stand auf, um sich eines der Bilder näher anzusehen. Es zeigte einen Sichelkämpfer, umringt von zehn gefallenen, missgestalteten Feinden. Ein Meisterwerk. Dann antwortete sie, mit dem Rücken zu Akosh gewandt.

      „Ja, das tut er, aber nicht über das, was wirklich Anlass zur Sorge gibt. Er wird alt und sieht manches nicht so, wie er es sehen sollte.“

      „Er hat viel getan.“

      „Natürlich hat er das. Aber ich glaube, er wird mir jetzt nicht mehr die Hilfe sein, die er einst war.“

      „Du hast nie wirklich Hilfe gebraucht. Was willst du tun? Ihn zurücklassen?“

      „Nein, ich denke nicht. Und ich will jetzt auch nicht mehr von Menrir reden.“

      Akosh seufzte und nippte an dem Sijak. „Unruhige Zeiten. Manche wollen gerne zurückgehen, wo sie in Sicherheit sind.“

      „Ich kann es ihnen nicht verdenken und meine Meinung kennst du. Wir gehören nicht hierher.“

      „Niemand von uns vergisst seine Herkunft, Lennys. Und niemand zieht irgendeinen Ort dem Sichelland vor. Es gibt andere Gründe, hierzubleiben.“

      „Belehre mich nicht, das weiß ich sehr wohl und ich unterschätze den Nutzen daraus auch nicht. Es hat sich nur gezeigt, dass selbst die beste Tarnung nicht immer ausreicht. Sag mir, was du bisher erfahren hast.“

      „Nicht viel. Im Gegensatz zu Menrir glaube ich aber nicht, dass der Vorfall an der Brücke auf Räuber zurückzuführen ist. Und über Thau brauchen wir diesbezüglich wohl auch nicht reden. Dann gab es noch einen Zwischenfall in Fangmor und zwei Angriffe in Gahl.“

      „Zwei?“

      „Einer von beiden ereignete sich erst vor wenigen Tagen und ich werde selbst nicht ganz schlau daraus. Vielleicht steckt auch nichts dahinter. Ein Bote, der auf dem Heimweg nach Cycalas war, wurde kurz vor Gahl erschlagen und ausgeraubt. Dies könnte aber tatsächlich auch ein 'normales' Verbrechen gewesen sein.“

      „Davon wusste ich nichts. Ich erwarte in Zukunft, dass man mich über Derartiges sofort unterrichtet, verstanden?“

      „Natürlich. Und da ist noch etwas...“

      „Was denn noch?“

      „Es heißt, König Log habe einen Kundschafter ausgesandt, der ihm Neuigkeiten aus dem Mittelland bringen soll. Er soll sich umhören, ob dort alles friedlich ist und wie es den Menschen hier geht. Findest du das nicht auch seltsam?