Sichelland. Christine Boy. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christine Boy
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844236200
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Vegetation passte sich der Landschaft an – wilder, robuster und unwirtlicher wurde sie und schien jeden zu warnen, der tiefer ins Gebirge vordringen wollte.

      An einer Gruppe besonders verwittert aussehender Kiefern machte Lennys Halt und füllte ihre Wasserflasche an einem dünnen Rinnsal, das zwischen den Felsen hindurchplätscherte.

      „Wir werden heute nachmittag Menrir treffen.“ sagte die Cycala dann. „Ich kann nicht mehr ändern, dass ich dir gestern einiges erzählt habe, was dich nichts angeht. Aber auch wenn Menrir davon weiß, erlaube ich nicht, dass ihr das Thema auf den Tisch bringt, auch nicht, wenn ihr beiden allein seid.“

      Sara wusste darauf nichts zu sagen. Ihr war ohnehin schon klar gewesen, dass Lennys in einer normalen und vor allen Dingen nüchternen Gemütslage nicht so freizügig gesprochen hätte, wie es gestern der Fall gewesen war und sie hatte auch nicht die Absicht gehabt, mit irgendjemandem darüber zu sprechen – auch nicht mit dem Heiler.

      „Eigentlich hatte ich nicht vor, dich noch einmal irgendwohin mitzunehmen,...“ fuhr Lennys jetzt fort. „Aber wer weiß, was du sonst wieder anstellst. Außerdem ist es möglich, dass ich dich später noch brauche, das wird sich zeigen. Falls nicht, hoffe ich, dass du zumindest keine allzu große Behinderung bist.“ Sie nickte in Richtung Valahir. „Warst du schon dort?“

      „Ja, schon häufig. Aber nie bis ganz hinauf, nur etwa eine Tagesreise weit.“

      „Weiter gehen wir heute auch nicht. Ich erwarte, dass diese Strecke dir keine Probleme macht, sonst lasse ich dich gleich hier zurück.“

      „Ich komme gut zurecht.“

      „Hauptsache, du hältst das Tempo.“

      Sara zögerte einen Moment, dann fragte sie aber doch:

      „Gibt es... etwas, worauf ich achten sollte? Ich meine, irgendwelche Spuren oder....“

      „Nein. Ich bin heute aus anderen Gründen hier. Solltest du wider Erwarten etwas sehen, was dir ungewöhnlich erscheint, sag es trotzdem. Man weiß nie, wer sich hier so herumtreibt.“

      „Ich habe hier noch nie jemanden getroffen, außer ein paar Abenteurern, die sich an den höheren Gipfeln versuchen wollten.“

      „Die Zeiten ändern sich. Und Zrundir ist nicht weit.“

      Lennys bemerkte Saras erstaunten Gesichtsausdruck. „Was ist? Hast du etwa noch nie von Zrundir gehört?“

      „Doch, natürlich. Aber ... ich dachte immer, es wäre nur ein totes Stück Land hinter den Bergen. In den Dörfern erzählt man zwar von bösen Kreaturen, die dort leben, aber ich hielt das immer für ein....“

      „Märchen. Ein ähnliches Thema hatten wir bereits, wenn ich mich richtig erinnere. Nur in diesem Fall ist die Wirklichkeit näher als du glaubst. Halt dich fern von diesem Land und momentan besser auch von Valahir. Hier an den Ausläufern sollte noch keine Gefahr drohen, aber wir sollten sie auch nicht zu sehr herausfordern. Bist du soweit? Wir haben genug geredet und ich will nicht noch mehr Zeit verlieren.“

      Sie machten sich wieder auf den Weg und wandten sich nach Nordosten ins Gebirge hinein und bald folgten den holprigen Steigungen keine sanften Senken mehr. Von dem ausgetretenen Pfad war jetzt nichts mehr zusehen, nur dann und wann schien der Rankenbewuchs des felsigen Bodens etwas weniger dicht zu sein. Nach einer Biegung um die Steilwand eines spärlich bewachsenen Hügels herum standen sie dann urplötzlich im Felsland Valahirs. Nur wenige robuste Kräuter wucherten noch zwischen den Steinen hervor und das staubig-gelbliche Grau der Felsen dominierte die Landschaft beinahe ins Unerträgliche. Hier vermischten sich die kühlen Berge mit der Wüste im Osten, hier traf die leblose Einöde auf ein Schauspiel natürlicher Macht. Niemand hätte sich freiwillig allein in diese Gegend gewagt, denn ein harmloser Stolperunfall konnte hier zur Todesfalle werden, wenn niemand Hilfe holte. Wanderer gab es nur selten und die wenigen, die Sara jemals getroffen hatte, kamen zumeist im Frühling und bevorzugten dann die westliche Seite des Steilaufgangs. Hier jedoch schien alles tot und abweisend. Seit der Erfrischung an dem Rinnsal unter den Kiefern schien eine Ewigkeit vergangen.

      „Es gibt hier nur wenig Wasser. Die nächste Quelle erreichen wir erst in etwa einer Stunde. Mein Ziel liegt ganz in ihrer Nähe, es ist also nicht mehr weit. Hast du noch zu trinken?“

      „Ja, ein wenig. Es wird reichen.“

      „Das sollte es auch. Der Aufstieg ist bei dieser Hitze schnell anstrengend für Ungeübte. Und ich muss zugeben, dass ich kein Freund der Sonne bin. Wir sollten es schnell hinter uns bringen.“

      Sara hätte nie geglaubt, dass eine Stunde so quälend lang sein konnte, doch es war nicht der Durst, der auf ihr lastete. Auch nicht die Hitze und ebensowenig der Staub oder der immer beschwerlichere Weg durch die Berge. Vielmehr spürte sie, dass etwas Unheimliches über der Gegend schwebte, gerade als ob die bizarren Formen der Felsen ihnen mit stummer Geste zu verstehen gaben, sie mögen umkehren und Valahir für immer den Rücken kehren. Nein, sie waren hier nicht willkommen, obwohl es nichts gab, was sie direkt bedrohte. Aber dies war nicht das freundliche, wilde und doch umschmeichelnde Bergland, dass die Novizin von ihren Ausflügen her kannte. Hier gab es keine Grasnarben, keine springenden Ziegen, keine Vögel und keine duftenden Pflanzen. Nur einige dicke schwarze Käfer und hin und wieder das entfernte Zischen einer fliehenden Schlange .. und die zähen Findlingswurzeln, die unter ihren Namensgebern hervorbrachen. Das war alles an Leben und es schien ihnen nicht wohlgesonnen.

      „Es gefällt dir hier nicht?“ fragte Lennys als sie Saras angespannten Blick bemerkte.

      „Nein. Aber das spielt keine Rolle.“

      „Mir auch nicht. Ich hasse diese Gegend. Aber wir können bald umkehren.“ Sie deutete auf eine Art Plateau, hinter dem zahlreiche Felsnadeln wie ein versteinerter Wald aufragten. „Dort hinten. Es dauert nicht mehr lange.“

      Erst als sie die Stelle erreichten, erkannte Sara, dass es nicht viele einzelne Blöcke waren, die hier dicht zusammenstanden, sondern eher eine von Spalten und Furchen durchzogene Wand, als hätte ein Riese mit stählernen Klauen hier gewütet. Eine Spielerei der Natur womöglich, doch es wirkte seltsam fehl am Platz, obwohl das Land auch sonst nur aus Chaos und Wüstenei zu bestehen schien.

      Eine der Spalten war besonders breit und gerade als Sara überlegte, wie sie wohl entstanden war, sah sie Lennys darin verschwinden. Der Durchlass war gerade breit genug für einen nicht allzu kräftig gebauten Menschen und als Sara Lennys nervös folgte, erkannte sie, dass es sich um einen ausgesprochen gut getarnten Eingang zu einer Höhle handelte. Eine eher kleine Höhle, vielleicht gerade einmal so groß wie die Kräuterküche im Nebeltempel und beinahe ebenso niedrig. Ein merkwürdig gurgelndes Geräusch in einer düsteren Ecke verriet, dass dort die von Lennys beschriebene Quelle aus dem Berg sprang. Leise murmelnd verschwand der dünne Wasserlauf in einer weiteren tiefen Bodenfurche.

      Der enge Durchlass nach draußen ließ nur wenig Tageslicht herein. Nach der erhitzenden Wanderung empfand Sara die plötzliche Kühle und Dunkelheit als angenehm, doch schon bald begann sie ein wenig zu frösteln.

      Lennys ging langsam an der Höhlenwand entlang. Sie musterte jeden Quadratzentimeter des Gesteins, tastete über Spalten und Risse und blieb manchmal sogar stehen, nur um eine auffällige Stelle besonders genau zu begutachten.

      Unterdessen setzte sich Sara auf einen scharfkantigen Steinblock, der nahe des Eingangs lag, um doch ein wenig von der Wärme draußen abzubekommen, ohne dabei den Raum noch weiter zu verdunkeln. Sie nahm einen letzten Schluck abgestandenen Wassers aus ihrer abgeschrammten Flasche, wollte sie aber erst erneut füllen, wenn sie sich wieder auf den Rückweg machten.

      „Ich habe ein wenig Öl dabei und könnte euch damit eine Fackel machen.“ bot sie dann an.

      Lennys schüttelte den Kopf. „Das ist nicht nötig und verpestet nur die Luft. So rein wie hier ist sie wohl im ganzen Gebirge nicht. Die Feuchtigkeit der Quelle bindet den Staub und diese abscheuliche Hitze ist ebenfalls nach draußen verbannt. So soll es auch bleiben.“

      Nach einer Weile blieb die Cycala wieder stehen, diesmal aber nicht suchend, sondern eher, als würde sie