Sichelland. Christine Boy. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christine Boy
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844236200
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da sein und ich wünsche ihn allein zu sehen. Und er soll im Wirtshaus ein Zimmer für euch bestellen. Es ist besser, wenn er sich darum kümmert.“

      Nun schaltete sich wieder Menrir ein. „Du willst sie allein nach Goriol schicken?“

      „Ich bin kein Kind mehr.“ sagte Sara leise, aber bestimmt. Lennys zuckte die Achseln.

      „Siehst du, Menrir, sie weiß schon, was sie tut. Glaub mir, sie kommt allein besser durch den Wald als wenn sie dich im Schlepptau hat, soviel habe ich schon mitbekommen.“

      „Es ist gefährlich!“

      „Nicht in dieser Gegend, denke ich. Sara, geh jetzt. Wir werden nachkommen und dann kannst du mit Menrir euer Nachtquartier aufsuchen.“

      Sara nickte, und schon kurz darauf war sie im Wald verschwunden.

      Die Waldbrücke sah noch genauso aus wie am Vortag und Sara musste sich selbst mahnen, schnell weiterzugehen. Es war nicht ihre Aufgabe, die Gegend noch einmal abzusuchen, sie hatte einen Botendienst zu verrichten, der keinen Aufschub duldete. Sie versuchte, nicht auf die zersplitterten Geländerbalken zu achten, die Blutflecken zu ignorieren und sich nicht vorzustellen, welche Grausamkeiten hier stattgefunden hatten. Als sie den Schauplatz der vergangenen Verbrechen hinter sich gelassen hatte, atmete sie erleichtert auf.

      Goriols Dächer leuchteten rot und orange in der Spätnachmittagssonne, als Sara den Hügel, an dem der Wald endete, herunterlief. Sie war schon längere Zeit nicht mehr hier gewesen und freute sich auf die „Stadt der Wanderer“. Mit ihrer Vorsteherin und einigen Novizinnen hatte sie schon oft den Markt besucht, von dem es hieß, es sei der größte in ganz Mittelland. Jetzt jedoch bauten die Händler ihre Stände ab und freuten sich auf einen feucht-fröhlichen Feierabend im „Rebstock“, dem größten Gasthaus des Ortes. Hier würden sie und Menrir heute Nacht Quartier beziehen, während Lennys sich bei Akosh aufhielt.

      Sara hatte noch nie von dem Goldschmied gehört, was aber nichts heißen musste. Geschmeide und wertvolle Edelsteine gehörten nicht in den Tempel und außer Ilele kannte sich kaum jemand mit den Angeboten an Schmuck und teurem Zierrat in Goriol aus. Sie hätte Akosh wohl auch gekannt, zumindest jedoch von ihm gehört. Sara war froh, dass sie nicht auf ihre Mitnovizin angewiesen war und genoss es, allein durch die zunehmend leerer werdenden Straßen zu schlendern. Neben ihr trieb ein Bauer gerade die letzten Hühner zusammen, die er wohl nicht hatte verkaufen können.

      „Verzeiht, darf ich euch etwas fragen?“ Sara hatte den Eindruck, dieser Alte könne nicht von weit her angereist sein und als Einheimischer kannte er sicher alle Menschen, die in Goriol lebten. Der Bauer grinste sie zahnlos an, wohl in der Hoffnung, doch noch ein paar Deben Gold herausschlagen zu können.

      „Aber sicher mein Kind. Ein Huhn gefällig?“

      „Nein danke, wenngleich die euren besonders gesund aussehen. Aber ich möchte euch um eine Auskunft bitten.“

      Der Alte ließ sich keinerlei Enttäuschung anmerken.

      „Nun, dann bist du beim alten Gam an der richtigen Stelle. Frag nur.“

      „Ich suche nach einem guten Goldschmied in der Stadt. Man hat mir Akosh empfohlen, aber ich weiß nicht, wo ich ihn finden kann.“

      „Akosh sagst du? Hm, wer hat dir denn diesen Tipp gegeben? Zugegeben, er versteht sein Handwerk, aber seine Dienste sind teuer und er arbeitet auch nicht für jeden. Warum gehst du nicht zu Morgur? Es ist der Bucklige dort drüben, er baut auch gerade ab.“

      „Das ist ein sicher guter Rat, werter Gam, aber trotzdem würde ich gerne erst mit Akosh sprechen. Wenn er mir zu teuer ist, werde ich aber morgen gerne Morgur aufsuchen.“ Sara setzte ein liebreizendes Lächeln auf. Gam hob die Schultern.

      „Du bist doch vom Tempel oben, oder? Ich erkenne es an deiner Tasche. Meine Nichte hat die gleiche, vielleicht kennst du sie? Sie heißt Velba und ist Anfang des Jahres zu euch gekommen.“

      „Oh ja, natürlich kenne ich sie!“ rief Sara mit – wie sie hoffte – erfreuter Miene. Tatsächlich hatte sie die kleine Velba nur einmal flüchtig in der Wäschekammer gesehen, wo sich das Mädchen nicht sonderlich geschickt angestellt hatte.

      „Ich wusste gar nicht, dass ihr Novizinnen euch Arbeiten bei einem Goldschmied wie Akosh überhaupt leisten könnt.“ brummte Gam weiter.

      „Es ... es ist keine Arbeit für mich. Aber ich fürchte, ich kann euch das nicht näher erklären, ich wollte Akosh so schnell wie möglich aufsuchen.“

      „Hm, verstehe schon. Na gut, er wohnt am Ende der Gasse, die vom Marktplatz nach Süden abzweigt. Ganz hinten, ein einzelnes Haus aus Sandstein und mit Fensterläden aus dunklem Eichenholz. Nette Hütte, wenn du mich fragst, aber wozu braucht ein einzelner Mann ein so großes Haus?“

      „Vielen Dank, Gam, ihr habt mir wirklich sehr geholfen!“ Sara verneigte sich leicht zum Abschied.

      „Schon gut, Kleine, grüß' mir meine Nichte und sag ihr, sie soll keinen Unsinn machen, dort oben im Tempel!“

      „Ich werde es ihr gern bestellen, Gam! Auf Wiedersehen!“

      Schnell eilte Sara die Straße hinunter, die zum Marktplatz führte. Soweit sie sich erinnern konnte, kam nach Gams Beschreibung nur eine einzige Gasse in Frage, die bis an den Dorfrand im Süden führte. Sie musste also beinahe die ganze Stadt durchqueren und es war sicher besser, wenn sie nicht von zu Vielen dabei gesehen wurde. Einige Händler kannten sie ja von ihren gelegentlichen Ausflügen und selbst, wenn sie ihre verräterische Tasche von nun an unter dem Umhang verbarg, war es doch nicht schwer zu erraten, wo eine junge Frau ohne Begleitung plötzlich herkam. Eine weite Reise nicht gewagt und in dem Ort kannten sich beinahe alle. Auch wenn Lennys nichts davon gesagt hatte, so war es Sara klar, dass Beema nicht unbedingt erfahren musste, dass sie sich gerade alleine hier herumtrieb.

      Sie schlug einen Bogen und lief eine Weile durch ein Gewirr von schmalen Gassen, durch Hinterhöfe und durch Mauerdurchlässe, um so den großen Marktplatz und die breiten Händlerstraßen zu umgehen. Endlich erreichte sie den Dorfrand und nach mehreren Biegungen um Gärten und Weiden stand sie schließlich vor einem hellgelben, freundlich aussehendem Gebäude. Türen, Fensterläden und auch der niedrige Zaun um den gepflegten Vorgarten waren aus dunkler, polierter Eiche gezimmert – allein diese Arbeiten mussten ein Vermögen gekostet haben. Trotzdem wirkte das Haus nicht übertrieben oder gar angeberisch, vielleicht, weil es nur aus einem Geschoss bestand und noch nicht einmal ein Schuppen vorhanden war.

      Etwas nervös öffnete die Novizin das Tor und glaubte im selben Moment, einen Schatten hinter einem Fenster verschwinden zu sehen. Noch bevor sie an die schwere Tür klopfen konnte, schwang diese auf.

      „Akosh arbeitet nicht für Fremde, mein Mädchen, es tut mir leid.“

      Der Urheber der klangvollen Stimme blieb im Dunkel hinter dem schmalen Türspalt verborgen, der gerade groß genug war, um einen Fuß dazwischen zu schieben. Darauf verzichtete Sara allerdings.

      „Dennoch bitte ich um einen Augenblick Gehör durch den Goldschmied. Ich komme vom Nebeltempel.“

      Die Tür öffnete sich ein Stück weiter und das Gesicht eines sympathischen Mannes von gut dreißig Jahren erschien. Er hatte dunkelbraune, glatt nach hinten gekämmte Haare mit grauen Strähnen an den Schläfen und Sara war sich sicher, dass die meisten Novizinnen ihn nicht nur seiner Arbeit wegen bewundert hätten. Seine Augen waren ebenso braun wie sein Haar und musterten sie jetzt neugierig.

      „Vom Tempel? Dort wird man sich meine Dienste kaum leisten können.“

      „Dies ist auch nicht der Grund meines Besuches. Allerdings....“

      Plötzlich stutze der Goldschmied. „Vielleicht ist es doch besser, wenn du einen Moment hereinkommst. Ich mag es nicht, wenn die Nachbarschaft meine Gäste belauscht.“

      Akosh zog Sara ins Haus und schloss die Tür direkt hinter ihr wieder.

      Im Flur war es dämmrig und angenehm kühl und ein schwacher Lilienduft durchzog das Gebäude. Auch hier dominierte das dunkel polierte