Sichelland. Christine Boy. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christine Boy
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844236200
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als würde er etwas ahnen oder gar wissen. Und das kann ich mir nicht vorstellen. Vor allen Dingen würde es ihn trotzdem nichts angehen. Log mag ein guter König für sein Land sein, zumindest ist das Volk mit ihm zufrieden. Aber er sollte sich nicht in fremde Angelegenheiten mischen. Was ist das für ein Kundschafter, kennst du ihn?“

      Akosh schüttelte den Kopf.

      „Ich habe nur von ihm gehört. Er heißt Algur oder Algar oder so ähnlich. Ein junger Heißsporn, so sagt man, und wohl gern auf Festen gesehen. Er soll zu den besten Reitern des Heeres in Manatar gehören und angeblich ist er recht neugierig.“

      „Jetzt haben wir also auch noch einen Schnüffler aus dem Süden am Hals. Das hat uns gerade noch gefehlt. Als hätten wir nicht schon genug Ärger.“ Gereizt ließ sich Lennys wieder in einen hohen Lehnstuhl fallen. Als sie nichts weiter dazu sagte, frage Akosh vorsichtig:

      „Ist dieser Junge wirklich ein Problem?“

      „Er könnte eines werden. Log schickt ihn auf eine Suche, die geradewegs zu uns führt. Das gefällt mir nicht und wenn ich daran denke, was er finden könnte, gefällt es mir noch viel weniger. Sieh zu, dass uns dieser Kerl vom Leib bleibt. Wenn er hier auftaucht, füttert ihn mit Informationen, die ihn in die Irre führen oder sorgt zumindest dafür, dass er nicht mehr erfährt als unbedingt nötig.“

      „Vielleicht würde Log uns helfen, wenn er herausbekommt, was dahintersteckt....“ meinte Akosh mit etwas zweifelndem Unterton.

      „Erstens brauchen wir keine Hilfe von Fremden, wir kommen gut allein zurecht. Zweitens geht es Log nichts an. Und drittens wäre seine Art von Hilfe sicher nicht die, die mit unseren Vorstellungen übereinstimmt. Aber im Augenblick interessiert mich ohnehin nur Eines: Woher weiß er es? Es ist kein Zufall, dass er ausgerechnet jetzt jemanden losschickt, um das Grenzreich zu kontrollieren.“

      „Vielleicht hat er Späher in einer der Städte, die ihm davon berichtet haben. In Thau zum Beispiel, oder in Gahl. Log ist immer gern und gut über die Vorgänge jenseits seiner Grenzen informiert. Und vergiss nicht, dass es jemanden gibt, der sowohl uns als auch Log recht nahesteht."

      Lennys sah nicht überzeugt aus, machte dann jedoch eine gleichgültige Geste.

      „Daran brauchst du nicht zu denken. Er hat schon lange keinen Kontakt mehr zu Log und in politischer Hinsicht wird er sich auf keinen Fall gegen uns stellen. Wie dem auch sei, habt ein Auge auf diesen... wie hieß er?... auf diesen Schnüffler. Wenn er zu neugierig sein sollte, müssen wir uns etwas einfallen lassen.“

      „Natürlich.“

      Damit war das Thema vorerst erledigt und Lennys dachte eine Weile nach, bevor sie fortfuhr.

      „Was wirst du tun? Du und die anderen?“

      „Wer gehen will, den kann und will ich nicht aufhalten. Und ich werde jedem helfen, der nach Hause zurückkehren will, aber so viele werden es nicht sein. Die Meisten werden hierbleiben, wie ich auch.“

      „Ihr solltet vorsichtig sein. Du wirst mich sofort informieren, wenn etwas Ungewöhnliches passiert, wenn jemand außerhalb unseres Kreises mehr weiß als gut ist oder auch wenn du auch nur einen Verdacht hast.“

      „Hast du denn einen?“

      „Mehr als das. Aber wenn ich recht habe, ... Nein, Akosh, es ist noch zu früh um etwas zu sagen. Doch rechne nicht damit, dass diese Angelegenheit schnell aus der Welt geschaffen ist.“

      Der Goldschmied sah sie besorgt an.

      „Ich habe meinen Beruf nicht verlernt.“

      „Das ist auch gut so. Vielleicht werden wir bald froh darüber sein.“

      „Gibt es schon Pläne... Befehle... von......?“

      „Nein, noch nicht. Wie gesagt, ich stehe selbst noch am Anfang meiner Vermutungen, aber es hat keinen Sinn, jetzt schon Maßnahmen zu veranlassen, solange wir uns nicht sicher sind. In Cycalas ist man momentan noch weitgehend ahnungslos.“

      „Und trotzdem bist du hier.“

      „Niemand sonst könnte diese Nachforschungen so betreiben wie ich, Akosh. Darüber brauchen wir ja wohl nicht zu diskutieren.“

      „Natürlich nicht.“

      Sie stand wieder auf.

      „Sei wachsam und rechne mit dem Schlimmsten. Falls ich mich doch irre, umso besser. Die Gemeinschaft in Goriol ist die größte außerhalb Cycalas' und mit Sicherheit auch die stärkste. Bereite sie vor, so gut wie möglich, aber ohne ihnen zu viel zu sagen.“

      „Vorbereiten ... auf was?“

      Er erhielt keine Antwort, doch im Grunde kannte der Schmied sie längst.

      Goriol lag noch in seinen schönsten Träumen, als Lennys am nächsten Tag in Akoshs Vorgarten trat. Gerade erst verblasste der Mond und noch nicht einmal der Gesang der Vögel war um diese Zeit erwacht. Scharfe Augen konnten jedoch erahnen, dass der finstere Nachthimmel bald einem sanften Violett-Grau weichen würde.

      Die Cycala hatte nicht geschlafen. Ein oder zwei durchwachte Nächte machten ihr nichts aus und diesmal war es wichtiger gewesen, mit Akosh zu reden und anschließend alles noch einmal in Ruhe zu überdenken. Hier, im duftenden Garten des Goldschmieds, zu einer Zeit da die Luft noch kühl und die Straßen noch still waren, kam sie zu einem Entschluss. So viele lose Enden gab es, doch die wenigen, die man greifen konnte, verbanden sich auf seltsame Weise. Es war an der Zeit, dem Bild ein weiteres Teil hinzuzufügen.

      Jemand kam die Gasse herunter. Eine schmale, feingliedrige Gestalt in einem vertrauten Wollumhang.

      Lennys zog die Brauen zusammen. Es war für mittelländische Begriffe noch mitten in der Nacht und selbst Akosh lag noch im Tiefschlaf. Was zum Teufel machte Sara so früh auf der sonst menschenleeren Straße? Sie war schnell... zu schnell für einen gewöhnlichen Spaziergang, geradeso als ob sie sich aus einem noch unbekannten Grund beeilen wollte, hierher zu kommen.

      „Guten Morgen...“ sagte die Novizin atemlos, als sie das Gartentor erreicht hatte und Lennys auf der Steintreppe vor der Tür sitzen sah.

      „Findest du nicht, dass du übertreibst? Beim letzten Mal war zumindest schon die Sonne aufgegangen, als wir aufgebrochen sind.“

      Sara atmete noch mehrmals tief durch, dann sagte sie:

      „Ich bin hier, weil... weil wieder etwas passiert ist. Gerade eben erst. Ich dachte, ihr wollt es so schnell wie möglich wissen...“

      Lennys sprang auf und machte einen Schritt auf Sara zu.

      „Was ist passiert?“ fragte sie barsch.

      Noch immer rang die Novizin um Luft, doch sie beruhigte sich schnell wieder und erzählte weiter.

      „Ein Feuer... im Norden der Stadt. Sie haben jemanden an einen Baum gefesselt und dann angezündet. .... Der Wirt von unserem Gasthaus hat es zufällig gesehen, doch... er konnte nichts mehr für den Mann tun...“

      „Wann war das? Wo genau? Weißt du, wer getötet wurde?“ Mit einem Mal war Lennys ungewöhnlich aufgebracht und zerrte Sara in Richtung Straße.

      „Zeig es mir!“

      Sie liefen wieder in Richtung Marktplatz und von dort aus weiter nördlich bis Lennys einen immer stärker werdenden Brandgeruch in den Gassen wahrnahm. Auch mischten sich jetzt aufgeregte Stimmen in das noch zurückhaltende Vogelgezwitscher und als sie um eine Häuserecke bogen, verschlug ihnen der scharfe Gestank von verbranntem Fleisch beinahe den Atem.

      Schwache Qualmfäden tanzten noch um die verkohlte Erle, die jetzt ihre nackten, schwarzen Äste in den Himmel reckte. Es war kein sehr großer Baum und nun würde er es auch nicht mehr werden.

      Mehrere Menschen standen um ihn versammelt und beugten sich über etwas, das auf dem Boden lag. Unter ihnen war der von Sara bereits erwähnte Wirt, der Ähnlichkeit nach zu schließen dessen Bruder, eine bleiche Frau, die nur fassungslos den Kopf schüttelte und ein Ehepaar mittleren Alters, dass von