Prophezeiungen der Weisen. Dörthe Haltern. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dörthe Haltern
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844263015
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schien es Stalca, als wären sie nicht länger allein, ein ebenso unbestimmtes Gefühl, wie es ihn in der Mine verfolgt hatte. Aber irgendetwas war mit einem Mal hinter dem Unbekannten. Er glaubte etwas in der Dunkelheit aufblitzen zu sehen, einen beißenden Geruch nach Verbranntem wahrzunehmen und dann wallte ihm eine Wand aus Feuer entgegen.

      Entsetzt schrie er auf. Schweißgebadet schreckte er aus dem Schlaf und saß aufrecht im Bett. Eine Hand legte sich sanft auf seine Schulter, drückte ihn vorsichtig wieder zurück und ein Fremder sprach leise auf ihn ein.

      "Beruhige dich, mein Junge, du hast nur geträumt."

      Obwohl er nicht einmal wusste wo er war und wer neben ihm saß, schien er kaum richtig aufzuwachen. Noch immer hielt ein dichter Nebel ihn umfangen und zog ihn zurück in die Dunkelheit. Diesmal jedoch schien er sich tatsächlich zu entspannen, wurde noch immer von unverständlichen Träumen geplagt, aber sie verloren allmählich von ihren Schrecken.

      Irgendwann sehr viel später erwachte er in aller Ruhe. Er lag in einem weichen Bett mit einem richtigen Kopfkissen und einer warmen Daunendecke. Noch nie zuvor hatte er auf einer Matratze geschlafen, geschweige denn in einem Bett. Es war nicht schlecht, wenn auch ungewohnt.

      Seine Schlafstelle stand in einem kleinen, aber gemütlichen Raum. Eine Öllampe brannte neben ihm auf einer schmalen Kommode. Auf der gegenüberliegenden Seite stand ein breiter Schrank und auf den Dielenbrettern war ein warmer Teppich ausgebreitet. Die Fenster waren abgedunkelt, dahinter war es bereits taghell.

      Unsicher stand Stalca auf und wagte sich durch die Tür. Er fand sich in einer noch kleineren Küche wieder, in der ein Tisch mit zwei Stühlen und ein Ofen Platz fanden, auf dessen einziger Kochstelle ein Topf stand und vor sich hin brodelte. Neugierig öffnete er den Deckel ein Stück breit und der würzige Geruch einer fertigen Suppe schwebte ihm entgegen. Nun spürte er auch seinen leeren Magen, der ihn zu plagen begann, doch er wollte sich nicht einfach etwas nehmen, wonach er nicht gefragt hatte.

      "Bediene dich ruhig.", erklang eine freundliche Stimme von der Tür her.

      Erschrocken drehte sich Stalca herum und blickte in das vertrauenerweckende Gesicht des Isk-Meisters, dem er zuvor im Wald begegnet war. Doch nach ihrem Treffen erinnerte er sich an nichts mehr. Er fragte sich, was ihn derart erschöpft haben mochte.

      Widerstandslos ließ er sich eine Schale mit Suppe geben und setzte sich mit an den Tisch. Auch wenn ihm der alte Mann freundlich gesinnt zu sein schien, konnte er sein Misstrauen doch nicht ganz verbannen. So aßen sie eine Weile schweigend, bis Stalcas Neugier doch wieder siegte.

      "Wer seid Ihr?", fragte er zögernd.

      "Ich bin Peroth.", antwortete ihm der Meister und schien dem nichts hinzuzufügen zu haben, womit er auf Stalcas eigentliche Frage nicht näher einging, doch dieser wagte es nicht nachzuhaken.

      "Woher wisst Ihr, wer ich bin?", erkundigte er sich stattdessen.

      "Woher willst du wissen, dass ich es weiß?", entgegnete Peroth.

      "Ihr hättet sonst sicher danach gefragt." Stalca wich seinem Blick nervös aus. Er hatte keine Ahnung, auf was er sich hier einließ. Andererseits blieb ihm kaum eine Wahl, schließlich wäre er ansonsten völlig auf sich allein gestellt, und das war selten eine kluge Entscheidung.

      "Nun, ich weiß vieles. Vieles Wichtiges zumindest, dafür vergesse ich manchmal die eher unwichtigen Dinge des Lebens, was auch seine Nachteile haben kann.", erklärte Peroth ihm lächelnd.

      "Es ist wichtig zu wissen, wer ich bin?", zweifelte Stalca.

      Peroth hielt in seinem Essen kurz inne, obwohl er sich gerade erst ein Stück Brot in den Mund geschoben hatte. "Das eine ist von hoher Bedeutung, Anderes dagegen weniger.", antwortete er ausweichend. "Nimm dir noch mehr, wenn du möchtest."

      Ihr kurzes Gespräch schien zu einem raschen Ende gefunden zu haben und Stalca hielt es für klüger es dabei zu belassen. Es würde sich zwangsweise noch einiges aufklären, wenn nur genug Zeit verging. Zunächst war es schon nicht verkehrt einen sicheren Ort gefunden zu haben, an dem er sich würde ausruhen können. Danach konnte er immer noch sehen, wie es wohl weiter gehen mochte.

      Es waren schon Tage vergangen, die er seiner Meinung nach völlig sinnlos verbracht hatte. Doch was sollte er tun? Wäre er nicht hierhergebracht worden, wäre er vermutlich im Wald nicht lange sicher gewesen. Außerdem war er einem Isk begegnet, dem viele nicht einmal in ihrem Traum begegnen durften. Ein Meister. Von denen gesagt wurde, sie würden mächtige magische Fähigkeiten besitzen, sie hätten Kenntnisse über fast alle Dinge dieser Welt, sie wären die besten Kenner der höchsten Kampfkünste und sie würden im direkten Kontakt zu den Göttern stehen, auch wenn sie nicht viel weitergaben von dem, was die Götter ihnen mitgeteilt hätten.

      Doch Meister hin, Meister her, Stalca wurde es zu viel. Er hatte vorgehabt zurückzukehren und alle seine Freunde zu befreien, auch wenn er zugab, dass dieser Gedanke kindisch und unmöglich auszuführen war. Aber egal, denn eines wollte er auf keinen Fall: So tun als wäre nichts und Holz hacken, oder Dächer reparieren, oder auch nur den Boden umzugraben, doch was sollte er tun? Immerhin war es ja ein Meister und er konnte sich ihm nicht entgegenstellen und sagen, er ginge jetzt wieder, waren ein paar nette Tage, aber er habe jetzt einfach keine Zeit mehr. Nein, das ging nicht. Es war nicht nur unhöflich, es war ganz und gar respektlos und er hatte einmal genug von Etwas gehabt, was man wohl Erziehung nannte.

      Trotzdem musste er hier weg, denn er konnte nicht lange ohne etwas Sinnvolles zu tun hier bleiben. Es wäre wie Verrat, denn Túlak verließ sich auf seine Rückkehr. Nur was war wichtiger, Freund oder Meister? Nein, die Frage war nicht schwer, doch wie sollte er es am besten diesem Meister beibringen? Wütend auf sich selbst, schlug er die Axt mit aller Kraft auf das Holz, so dass die Scheite wie Späne davon flogen.

      In der kleinen Hütte sah Peroth aus dem Fenster. Doch er war nicht allein. Eine Gestalt in langem Fellmantel stand hinter ihm in einer Ecke. Das braune, wirre Haar bedeckte die spitzen Ohren und die dunklen Augen ließen nicht von ihm ab.

      "Auf was wartest du, Peroth?", fragte diese Gestalt in herabfallendem Ton. "Wie lange noch willst du in deinem Wäldchen hocken ohne etwas zu tun?"

      "Solange, bis ich gefunden habe, was ich suche.", antwortete Peroth gelassen ohne sich auch nur herumzudrehen. "Und Ihr werdet mich nicht daran hindern."

      "Die Zeiten sind vorbei, als dass hier noch jeder tun und lassen könnte, was er wollte. Nun brechen neue Zeiten an, bei denen die Herren jedermanns Unterstützung erwarten. Auch die deine. Also vergeude diese Zeit nicht sinnlos."

      "Wer seid Ihr?" Diesmal drehte sich der Meister herum und seine Augen funkelten drohend. "Was ist aus Euch geworden, dass Ihr mein Tun als sinnlos bezeichnet? Ich bin mit Mühe dabei einen Weg zu finden, wie ich mein Volk wieder sammeln kann. Mein Volk, das einmal von Euch als das Auserwählte bezeichnet wurde. Doch was ist es nun für Euch? Nicht mehr als ein Stück Dreck. Etwas, dass sich nicht mehr lohnt gerettet zu werden. Seid Ihr so hoch in Euren erhabenen Stolz gekommen, dass Euch dies nicht mehr interessiert? Was sagt Sherina dazu, die Liebe in Eure Herzen bringen soll? Ist sie es schon so gewohnt in den Reihen der Herren zu stehen, dass sie sich schon als eine derer sieht und dabei ihr Volk aus den Augen verloren hat? Ich werde dies nicht tun und Ihr könnt dies auch nicht von mir verlangen."

      "Pass auf, was du für Worte in den Mund nimmst.", warnte die Gestalt ihn. "Dein Volk hat bereits getan, was es tun sollte. Und es hat versagt. Nun ist es unsere Zeit und wir werden die Sache besser machen, darauf verlassen sich die Herren."

      Peroth wollte erbost auffahren, doch er wurde zurückgehalten. Die Gestalt legte den Finger auf die Lippen und kam ein Stück auf ihn zu. "Sei lieber still.", meinte dieser. "Doch tue, was du nicht lassen kannst, wenn du bereit bist die Folgen aus deinem Handeln zu tragen." Mit diesen letzten Worten verließ die Gestalt das Haus durch den hinteren Eingang.

      Peroth starrte eine Weile weiter vor sich hin. "Ist es denn wirklich so, oder weist du mir den Weg, Fur'Kaltur, Herr des Schicksals?", murmelte er vor sich hin. Doch lange blieb er ohne Antwort und er wollte schon aufgeben und zu dem Schluss kommen, dass es besser war, seinen Weg zu verlassen. Dann schien er doch eine Antwort zu erhalten,